Die globalen „Black lives matter“-Proteste haben Rassismus und Diskriminierung stärker in den Fokus öffentlicher Debatten gerückt. Auch in Österreich ist die Aufmerksamkeit für das Thema gestiegen, im Juni wurden dem Anti-Rassismus-Verein ZARA rund 500 rassistische Vorfälle gemeldet. Rassismus ist tief in unserem System verankert und für viele Betroffene eine alltägliche Erfahrung. Gerade auch in der Arbeitswelt stellt rassistische Diskriminierung in Österreich ein erhebliches Problem dar.

Von Pia Zhang, Referentin in der Abteilung Sozialversicherung in der AK Wien

Das Internet als zentraler Schauplatz von Rassismus

Seit 2000 veröffentlicht der Verein ZARA (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit), der auch Betroffene und ZeugInnen rassistischer Diskriminierung berät und Schulungen anbietet, jährlich den „Rassismus-Report“. Dieser dokumentiert die Fälle, die der ZARA-Beratungsstelle für Betroffene und ZeugInnen von Rassismus im Vorjahr gemeldet wurden. Aufgrund der Vielzahl an jährlich gemeldeten Fällen enthält der Report mittlerweile nur mehr eine Auswahl derselben. Im Jahr 2019 gingen insgesamt 1.950 Meldungen von rassistischer Diskriminierung ein.

Ein großer Teil der Fälle spielt sich mittlerweile online ab. So entfielen 1.070 Fälle auf den Bereich Internet. An zweiter Stelle folgen die Fälle aus dem öffentlichen Raum, wobei hierunter auch rassistische Beschmierungen fallen. 199 Fälle wurden im Bereich Güter und Dienstleistungen gemeldet. Dazu gehört insbesondere der Lebensbereich Wohnen, aber auch Handel und Freizeitbeschäftigungen. Darunter fallen beispielsweise Diskriminierungen bei der Wohnungsvergabe oder beim Einlass in Lokale. Insgesamt wurden 93 Vorfälle gemeldet, die sich in staatlichen Behörden und Institutionen zugetragen haben, und 75 Vorfälle im Zusammenhang mit der Polizei. Oft wendet sich der Hass auch gegen die Anti-Rassismus-Arbeit von ZARA oder anderen Institutionen und Vereinen. Im Jahr 2019 wurden 66 derartige Vorfälle gemeldet oder von ZARA selbst wahrgenommen. Auf die Arbeitswelt – den Bereich, der in weiterer Folge näher beleuchtet werden soll – entfallen insgesamt 59 gemeldete Fälle.

Rassismus in der Arbeitswelt

Das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) schützt Personen vor Diskriminierungen in der Arbeitswelt aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, der sexuellen Orientierung oder des Alters. Der Begriff Arbeitswelt umfasst unter anderem Bewerbungen, Beförderungen, das Entgelt sowie die Beendigung von Arbeitsverhältnissen.

Dennoch kommt es nach wie vor immer wieder zu rassistischen Diskriminierungen und Beleidigungen im Arbeitskontext aufgrund der (angenommenen) ethnischen Herkunft. Das ist für Betroffene besonders belastend, weil bei Gegenwehr oftmals mit negativen beruflichen Auswirkungen gerechnet werden muss, insbesondere wenn die Diskriminierung von Vorgesetzten ausgeht.

Der ZARA-Beratungsstelle wurden im Jahr 2019 insgesamt 59 Fälle im Lebensbereich Arbeitswelt gemeldet. Diese beginnen bereits bei Stellenausschreibungen und Bewerbungsgesprächen, umfassen aber auch Fälle von Diskriminierung durch KollegInnen, Vorgesetzte oder KundInnen während der Arbeit sowie das Arbeitsklima und die Arbeitsbedingungen.

Auffallend ist, dass besonders muslimische Frauen bereits bei der Bewerbung oftmals diskriminiert werden, wenn das Kopftuch zur Sprache kommt. So wird die Einladung zu Bewerbungsgesprächen immer wieder an die Bedingung der Abnahme des Kopftuchs geknüpft. Aber auch unabhängig vom Kopftuch reicht manchmal auch schon die Religionszugehörigkeit für eine Ablehnung der Bewerbung aus, wie einer der dokumentierten Fälle zeigt.

Ebenfalls häufig wurde von rassistischen Beschimpfungen am Arbeitsplatz berichtet, die auffallend offen vorgebracht wurden. Insbesondere schwarze Menschen melden häufig Fälle, bei denen der gesetzlichen Verpflichtung des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin, ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld zu schaffen, nicht nachgekommen wird. Oftmals wird dann sogar der Person geglaubt, von der die Beleidigung ausging – die Betroffenen bekommen dann oft zu hören, dies sei doch „nur Spaß“.

Die unterschiedlichen Fälle zeigen, dass Diskriminierung in der Arbeitswelt vielschichtig ist. So ist von einem Lkw-Fahrer zu lesen, der während seiner Arbeit von Kunden angegriffen, rassistisch beschimpft und mit dem Tod bedroht wurde. Ein Lehrling berichtet von rassistischen und antisemitischen Äußerungen durch andere Lehrlinge ihr gegenüber. Ein Hausarbeiter in einer Gesundheitseinrichtung berichtet davon, dass er von einem Kollegen aufgrund seiner Herkunft beschuldigt wurde, ein Handy gestohlen zu haben.

Handlungsmöglichkeiten bei rassistischen Vorfällen

Der Verein ZARA unterstützt Betroffene, aber auch ZeugInnen von Rassismus bei den weiteren von ihnen gewünschten Schritten. Vorrangig werden die Fälle dokumentiert und anschließend je nach Wunsch der Betroffenen rechtliche Schritte ergriffen.

Mittlerweile spielen sich besonders viele Fälle im Internet ab, wo die rechtliche Handhabe leider eingeschränkt ist. Von den im Jahr 2019 gemeldeten Fällen aus dem Bereich Internet waren nur 35 Prozent auch strafrechtlich verfolgbar. Notwendig sind daher Maßnahmen auf gesetzlicher Ebene, um Betroffene von Rassismus und Hass im Netz besser zu schützen und auch effektiven Rechtsschutz gewähren zu können.

Rassismus in der Corona-Krise

Da der „Rassismus-Report“ in diesem Jahr aufgrund der Corona-Krise erst im Mai präsentiert wurde, wurden auch die aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit dieser Ausnahmesituation behandelt.

Die Corona-Krise verstärkt rassistische Ressentiments im Allgemeinen und hat darüber hinaus insbesondere zu Beginn der Krise die rassistischen Vorfälle noch mehr ins Internet verlagert. So wurden während der Ausgangsbeschränkungen 87 Prozent der gemeldeten rassistischen Vorfälle online beobachtet. Soziale und finanzielle Unsicherheiten sind ein idealer Nährboden für rassistische Narrative, und es kann international beobachtet werden, dass von PolitikerInnen an rassistische Stereotype angeknüpft und Angst verbreitet wird.

Allein zwischen 16. März und 30. April – also ab Beginn der Krise – sind insgesamt 93 Meldungen von rassistischer Diskriminierung mit Corona-Bezug bei ZARA eingegangen. Während zu Beginn der Krise besonders Diskriminierungen gegenüber Personen, denen eine chinesische Herkunft zugeschrieben wurde, gemeldet wurden, hat sich dies bald wieder gegen jene Menschen gerichtet, die seit Jahren überdurchschnittlich stark von Rassismus betroffen sind: Fast die Hälfte der gemeldeten Vorfälle betrafen geflüchtete Menschen.

Fazit

Der „Rassismus-Report“ zeigt auf, dass rassistische Diskriminierungen alle Lebensbereiche betreffen und sich leider nach wie vor kein antirassistischer Grundkonsens in der Gesellschaft durchgesetzt hat. Insbesondere in der Arbeitswelt führt das zu massiven negativen Folgen für die Betroffenen, wenn sie um ihren Beruf und damit die Existenzsicherung fürchten müssen.

In den Betrieben können beispielsweise Gleichbehandlungsstellen dazu führen, dass das Bewusstsein für die Problematik unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stärker wird und Betroffenen eine unabhängige Anlaufstelle vor Ort zur Verfügung steht. Eine Konfrontation mit dem Urheber bzw. der Urheberin der Diskriminierung oder ein Gespräch mit den Vorgesetzten ist für viele Betroffene keine Option. Daher wären derartige Maßnahmen sicherlich sinnvoll. ArbeitgeberInnen haben die Pflicht, ein diskriminierungsfreies Umfeld zu schaffen, und müssen dieser Pflicht auch im Sinne des gesamten Arbeitsklimas jedenfalls nachkommen.

Es liegt aber auch an jeder und jedem Einzelnen, aktiv gegen Rassismus aufzutreten und KollegInnen, die davon betroffen sind, zu unterstützen und nicht „wegzuschauen“, wenn wir ZeugInnen von Diskriminierung werden.

Pia Zhang ist seit 2009 Vorstandsmitglied im Verein ZARA.

Der Originalartikel kann hier besucht werden