Zum Auftakt der neuen UZ-Rubrik Nachhaltigkeit: Der Erhalt und Schutz der Biosphäre unseres Planeten muss unserem ureigensten Selbsterhaltungstrieb entspringen. Die vielleicht größte Aufgabe der Menschheit wartet auf uns – allerdings nicht mehr lange.
Von R. Manoutschehri
In Erkenntnis dessen, dass Mensch und Natur auch bei höchstem Technisierungsgrad einer Zivilisation langfristig keine voneinander getrennte, unabhängige Existenz führen können, bzw. Homo sapiens ebenso wie jede andere Spezies eine verträgliche Biosphäre mit funktionierenden Wechselwirkungen und Kreisläufen zum (Über-) Leben braucht, ist der Erhalt und Schutz der Biosphäre unseres Planeten sowie nachhaltiger Umgang mit allen natürlichen Ressourcen gleichbedeutend mit Selbstschutz.
Biosphärenschutz – alles hängt mit allem zusammen
Als Biosphäre wird jener Raum bezeichnet, in dem Leben existiert und der so günstige Umweltbedingungen enthält, dass die zum Leben nötigen Wechselwirkungen von Lebewesen untereinander und mit ihrer unbelebten Umwelt überhaupt erst möglich werden.
Je größer die Vielzahl verschiedener Ökosysteme bzw. unterschiedlicher Lebensräume innerhalb dieser Biosphäre ist, umso größer ist auch die Biodiversität, bzw. Artenvielfalt von Flora und Fauna sowie der miteinander verknüpften und voneinander abhängigen Lebensgemeinschaften. Wie eng die Wechselwirkungen zwischen Spezies und ganzen Ökosystemen tatsächlich sind, fällt leider oft erst auf, wenn etwas „nicht mehr funktioniert“.
Unter dem Namen „Biosphärenschutz“ lässt sich die Gesamtheit aller zu schützenden Teilbereiche zusammenfassen, wozu Klima-, Umwelt-, Natur- und Gewässerschutz ebenso zählen wie auch Arten- und Tierschutz.
Und während das Recht auf gesunde Luft oder trinkbares Wasser bereits in den allgemeinen Menschenrechten inkludiert ist, wäre es wichtig, den Erhalt und Schutz unserer gesamten Biosphäre in die nationalen Verfassungen und Grundrechte mitaufzunehmen und darüber hinaus auch in den Rang völkerrechtlich verbindlicher Rechte und Pflichten zu erheben.
Es geht um den Erhalt unserer Lebensgrundlagen
Die Qualität der Luft, die wir atmen, des Wassers, das wir trinken und der pflanzlich-tierischen Nahrung, die wir essen, sowie eine Reihe anderer Umgebungsfaktoren, wie die eines verträglichen Temperatur-Bereiches, entscheiden über unser subjektives Wohlbefinden, über Gesundheit und Lebensdauer – die jedes einzelnen Individuums, einer Gesellschaft und sogar der gesamten Weltbevölkerung.
Ein Hochhalten der Verfügbarkeit und Qualität dieser Lebensgrundlagen bedeutet also auch eine hohe Lebensqualität für jeden von uns.
Darüberhinaus boten und bieten die guten klimatischen Umweltbedingungen der Gegenwart sowie (derzeit noch) reichlich vorhandene Nahrungsmittel auch die Möglichkeit der Weiterentwicklung einer Zivilisation, die es größtenteils geschafft hat, sich über den täglichen Überlebenskampf in der Natur zu erheben und dadurch mehr Zeit in den Erwerb und Zuwachs von Erkenntnissen und Fähigkeiten zu investieren.
Der eigene Selbsterhaltungstrieb ruft nach intakter Biosphäre
Doch während die Notwendigkeit des Selbstschutzes für das eigene Leben und den eigenen Körper sich schon sehr früh in der Evolution ausprägte und sich etwa in Form des Selbsterhaltungstriebs bei allen höheren Lebewesen einprägte, erfordert es einen höheren Erkenntnisstand, zu begreifen, dass sich dieser Schutz mit sogar annähernd gleicher Wichtigkeit auch auf alles erstrecken muss, mit dem man als Individuum oder als (Lebens-) Gemeinschaft notwendigerweise interagiert, um (über-) lebensfähig zu bleiben.
Und je weiter sich der durch Wissenschaft und Forschung zunehmende Erkenntnisstand über die Vielfalt und Komplexität der in der Natur herrschenden und für unsere eigene Existenz wichtigen Wechselwirkungen entwickelt, umso deutlicher wird einerseits die Erkenntnis unserer Einflussnahme darauf und andererseits jene der Notwendigkeit, in eigenem Interesse nicht nur sein nächstes Umfeld sondern im weiteren auch die Biosphäre unseres gesamten Planeten über alle Ländergrenzen hinweg bestmöglich zu schützen und zu erhalten.
Der Erhalt des bestmöglichen Zustandes unserer Umwelt begründet sich also weder durch eine spezielle Philosophie oder Weltanschauung noch durch eine (Partei-) politische Haltung, er stellt auch keine „einseitige Betrachtungsweise“ irgendwelcher Interessensgruppen dar, wie es fälschlicherweise oftmals zu hören ist. Im Gegenteil, Biosphärenschutz entspringt lediglich ganzheitlicher Betrachtungsweise, denn er ist eine existenziell (über-) lebenswichtige Notwendigkeit für alle und dient dem Grundbedürfnis nach Erhalt und der Sicherung der eigenen Lebensqualität.
Entwicklungen, Bedrohungen und resultierende Aufgaben für uns
Warum Biosphärenschutz heute zu den wichtigsten Themen überhaupt zählen muss, zeigt die inzwischen wissenschaftlich gut dokumentierte Entwicklung des Lebens auf unserem Planeten. Die vormenschliche und menschliche Zivilisation breitete sich in mehreren Anläufen seit rund 2 Millionen Jahren immer weiter aus, beansprucht und verbraucht dabei laufend Land und Ressourcen. Zumeist ohne diesen Verbrauch wieder wett zu machen.
Mit dem Beginn des Industriezeitalters im 19 Jahrhundert und dem parallel einsetzenden beschleunigten Bevölkerungswachstum potenzierte sich dieser Prozess allerdings in nie zuvor gekannter Weise und erzeugt nun einen so hohen Zerstörungsgrad in der Umwelt, dass die Natur diesen nicht mehr von allein auszugleichen vermag.
Der enorme Flächenverbrauch, sowohl durch die Versiegelung von Böden als auch für die industrielle Landwirtschaft, entzieht allen nichtmenschlichen Lebensgemeinschaften sukzessive den zu ihrem Erhalt nötigen Lebensraum – ebenso, wie er natürliche Ausgleichsflächen gegen schädliche Umwelteinflüsse in übergroßem Ausmaß dezimiert.
Darüberhinaus erreicht die überbordende Umwelt- und Luftverschmutzung inzwischen jeden noch so abgelegen Winkel und durchdringt jede Ökosphäre unseres Planeten, bzw. beeinflusst bereits nahezu sämtliche Wechselwirkungen und Kreisläufe innerhalb unserer Biosphäre.
Auch der globale Klimawandel und die Erderwärmung mit immer ausufernderen Wetterextremen ist eine Folge davon und mindert Lebensraum und Artenvielfalt auf dramatische Weise und viel schneller als es selbst die Wissenschaften noch im letzten Jahrhundert prognostizierten. Viele verschiedene Prozesse überlagen und verstärken sich gegenseitig und es steht zu befürchten, dass Kipppunkte in mehreren Systemen schon sehr bald unumkehrbar überschritten sein werden und selbst für unsere hochtechnisierte Gesellschaft unkontrollierbar eskalieren.
Massensterben bereits im Gange
Die menschliche Zivilisation hat damit einen Prozess begonnen, der die gesamte Erde auf viele Jahrtausende verändern wird. Unser blauer Planet, eine einzigartige Insel biodiversen Lebens, wie es keine zweite im Universum geben dürfte, droht unter einem erdgeschichtlich dramatisch raschen Wandel von Klima-, Umwelt- und Lebensbedingungen zu einem lebensfeindlichen Ort zu werden. Fauna und Flora geraten unter Dauerstress beim Versuch, sich dem rapiden Temperaturanstieg in diesem Jahrhundert anzupassen.
Und anstatt hilfreich einzugreifen, befeuern wir das Artensterben zusätzlich durch Entzug und Defragmentierung von Lebensraum, sowie durch noch direkteres Vergiften und Töten vieler Spezies.
Forscher sprechen bereits davon, dass wir gerade Zeugen eines großen Massensterbens auf unserem Planeten werden. In den vergangenen 500 Millionen Jahren gab es auf der Erde bereits fünf „Massenauslöschungsperioden“, als Tierarten tausend mal schneller dezimiert wurden, als es unter normalen Bedingungen passieren könnte. Geschehnisse in der Größenordnung von Asteroideneinschlägen oder dem Ausbruch von Supervulkanen. Jetzt erlebt der Planet sein sechstes Massensterben – und diesmal ist alleine die Einwirkung des Menschen dafür verantwortlich.
Allein die Folgen eines ungebremsten Klimawandels werden bis zum Ende des Jahrhunderts dazu führen, dass ein Fünftel der gesamten Weltbevölkerung ihren Heimatboden verliert und in ressourcenreichere Regionen abwandern bzw. flüchten muss. Trinkwasser wird weltweit zunehmend zum „Luxusgut“, Ernteausfälle (wechselweise durch Dürren und Überschwemmungen) sowie der zusätzliche Verlust von Meeresfrüchten durch immer größere Todeszonen in den Ozeanen werden zu globalen Hungersnöten und Kriegen um diese immer geringer werdenden Ressourcen führen … Und in weniger als 200 Jahren wird es u.U. keine Zivilisation mehr geben, wie wir sie heute kennen …
Die Zeit zu handeln – ist jetzt
Hier wartet also die größte Herausforderung dieses Jahrtausends auf die Menschheit. Und nur wenn wir beim einzelnen Individuum beginnend bishin zur gesamten Weltgemeinschaft lernen, zusammen und gezielt gegen diesen alles zerstörenden, gemeinsamen „Feind“ vorzugehen, wird unsere Zivilisation eine Überlebenschance haben.
Es gilt jetzt – tatsächlich und wortwörtlich – unsere Welt zu retten. Nicht aus „sozialromantischem Gutmenschentum“, wie die Bemühungen dazu noch vielerorts eingestuft werden, sondern schlicht und einfach aus Selbsterhaltungstrieb.
Was ist zu tun, wie ist der jeweils aktuellste Stand?
Darüber wollen wir in der Rubrik „Nachhaltigkeit“ nun laufend informieren. Und jeder ist eingeladen, an der wohl wichtigsten Aufgabe unserer Zeit mitzuarbeiten.