Öffentliche Bibliotheken sind Kulturgut, Ort der geistigen Anregung und Auseinandersetzung. Doch die Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB), größte öffentliche Bibliothek in Deutschland, soll nach den Plänen ihrer Führungsspitze neu ausgerichtet werden. Die Bibliothekare mit ihrer Kernkompetenz, der Beschaffung und Auswahl von Medien, sollen verstärkt sogenannte „Zukunftsaufgaben“ im Besucherservice oder bei der Durchführung von Events übernehmen. Man strebe ein „Höchstmaß an wirtschaftlichem Einsatz von Fremddienstleistungen“ an, so die Bibliotheksleitung.
Passend zu diesen Plänen hatte der Vorstand der ZLB im September 2017 dem Großbuchhändler Hugendubel den Zuschlag erteilt, den Großteil der Medienbeschaffung für die Bibliothek zu übernehmen. Der Vertrag wurde bis zum 31. Dezember 2020 geschlossen, mit der Option zweimaliger Verlängerung um jeweils ein Jahr. Das Berliner Institut für soziale Gegenwartsfragen (IfsG) kritisiert die Privatisierung der Medienauswahl und -beschaffung an der ZLB und fordert, den Vertrag mit dem Konzern Hugendubel, der zum Jahresende ausläuft, nicht zu verlängern und den Kernbereich der Bibliothek in die Kompetenz der ZLB-Lektoren zurückzuführen.
Ulrike von Wiesenau, im Vorstand des Instituts für soziale Gegenwartsfragen, kommentiert:
„Für die Hauptstadt besteht mit dem Auslaufen des Vertrags jetzt die einzigartige Möglichkeit, die Zusammenarbeit mit dem Buchhandels-Konzern elegant zu beenden, die Medienauswahl und -beschaffung an die Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) zurückzuführen und den Medieneinkauf wieder an den lokalen Buchhandel zu vergeben. Denn es ist naheliegend, dass die Angestellten eines gewinnorientierten Konzerns, der zudem ohne bildungs- und kulturpolitischen Auftrag seinen Partikularinteressen folgt, die Auswahl und Beschaffung der Medien nicht in vergleichbar hoher Qualität leisten kann, wie die von der Privatwirtschaft unabhängigen, auf das Gemeinwohl verpflichteten Bibliothekare und Fachlektoren der ZLB. Die Privatisierung der Medienauswahl und -beschaffung, also des Kernbereichs einer Bibliothek, darf nicht zum Exportmodell für andere Stadt-Bibliotheken werden.“
Dass ausgerechnet der Bestandsaufbau, eine der Kernaufgaben der Bibliotheksarbeit, an ein privatwirtschaftliches Unternehmen ausgelagert wurde kritisiert auch Peter Delin, langjähriger Fachlektor an der ZLB und Mitglied der Bürgerinitiative Berliner Stadtbibliotheken:
„Das Outsourcing nahezu der gesamten Buchauswahl der Bibliothek wurde von den Fachleuten der Belegschaft von Anfang an abgelehnt. Mehr als zwei Drittel der verantwortlichen Fachlektoren haben dem Staatssekretär der Berliner Kulturverwaltung und Stiftungsratsvorsitzenden, Herrn Torsten Wöhlert (Die Linke), ihre Ablehnung schriftlich mitgeteilt. Auf einer Personalversammlung votierten 83% der Anwesenden in einer geheimen Abstimmung gegen das Outsourcing der Buchauswahl, wie die Fachzeitschrift BuB Forum Bibliothek und Information schrieb. Seitdem regieren Weisungsbefugnis und Dienstrecht in der Bibliothek.“
Dass es Alternativen gibt, zeigt die Berliner Stadtbibliothek Steglitz- Zehlendorf, die den Ankauf ihrer Medien weiter selbst bestellt. Ihre Lektoren wählen die Medien “handverlesen” aus und stärken dabei die lokalen Buchhandlungen: „Wir sind stolz darauf, dass etwa 87% der Neuerwerbungen von Buchhandlungen in der Nähe und einigen online-Händlern kommen.“ heisst es auf der Website der Bibliothek.
Im Wahlprogramm zur Abgeordnetenhaus-Wahl 2016 hatte die Berliner LINKE das Wahlversprechen gegeben, sich dafür einzusetzen, dass die Zentral- und Landesbibliothek wieder durch eigene Fachlektoren mit Büchern versorgt wird.
Aber auch der Beschluss des Berliner Landesparteitags der SPD vom November 2018 fordert Senat und Abgeordnetenhaus auf, das Outsourcing der Buch- und Medienauswahl an der ZLB abzulehnen, wieder in die ZLB zu integrieren und die Zusammenarbeit zwischen den Fachlektoren und Fachbuchhändlern auszubauen.
Klare Positionierungen gegen eine Privatisierung der Medienbeschaffung an Berlins öffentlichen Bibliotheken, die nun zügig umgesetzt werden müssen.