Zusammenfassung

  • Neuer Bericht von Amnesty International dokumentiert Repressalien gegen Beschäftigte im Gesundheitswesen, unsichere Arbeitsbedingungen sowie ungerechte Bezahlung
  • Mehr als 3.000 Gesundheitsarbeiter*innen starben nach COVID-19-Infektion – tatsächliche Zahl der Toten könnte jedoch viel höher liegen
  • Regierungen müssen sicherstellen, dass Gesundheitsarbeiter*innen und ihre Rechte geschützt werden, dazu zählt u. a. die ausreichende Versorgung mit angemessenen Schutzausrüstungen

Regierungen auf der ganzen Welt haben versagt, Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens während der COVID-19-Pandemie angemessen zu schützen: In einem neuen Bericht dokumentiert Amnesty International alarmierende Fälle von Gesundheitsarbeiter*innen, die mangelnde Schutzmaßnahmen gegen COVID-19 kritisiert hatten und daraufhin mit Repressalien konfrontiert waren – von Drohungen, Kündigungen bis hin zu Festnahmen.

Für den Bericht hat Amnesty International außerdem eine große Bandbreite verfügbarer Daten zusammengeführt und analysiert. Ausgehend von diesen Daten sind bisher in insgesamt 79 Ländern mehr als 3.000 Gesundheitsarbeiter*innen nach einer COVID-19-Infektion gestorben. Diese Zahl liegt allerdings sehr wahrscheinlich noch um einiges unter dem tatsächlichen Wert.

Staaten, denen der schlimmste Teil der Pandemie noch bevorsteht, dürfen nicht die Fehler jener Regierungen wiederholen, deren Versagen beim Schutz der Rechte dieser besonders gefährdeten Berufsgruppen desaströse Folgen nach sich zog.

Sanhita Ambast, Amnesty-Expertin für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

„Angesichts einer Situation, in der sich die COVID-19-Pandemie auf der ganzen Welt weiterhin rasant ausbreitet, fordern wir von den Regierungen, das Leben und Wohlergehen von Beschäftigten im Gesundheitswesen und anderer systemrelevanter Berufsgruppen endlich ernst zu nehmen. Staaten, denen der schlimmste Teil der Pandemie noch bevorsteht, dürfen nicht die Fehler jener Regierungen wiederholen, deren Versagen beim Schutz der Rechte dieser besonders gefährdeten Berufsgruppen desaströse Folgen nach sich zog“, sagt Sanhita Ambast, Amnesty-Expertin für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, und sagt weiter:

„Besonders verstörend sind Fälle, in denen Regierungen diejenigen bestrafen, die lebensbedrohliche Arbeitsbedingungen kritisieren. Gesundheitsarbeiter*innen sind an vorderster Front tätig und merken sofort, wenn Regierungsmaßnahmen ins Leere laufen. Versuchen die Behörden, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen, verwandelt sich ihr Anspruch, alles für die öffentliche Gesundheit zu tun, schnell in eine Farce.“

Regierungen müssen Rechenschaft für die zahlreichen Toten unter den Beschäftigten im Gesundheitswesen und anderer systemrelevanter Berufsgruppen ablegen, die sich nicht angemessen vor den Gefahren der Pandemie schützen konnten, fordert Amnesty International.

Mangel an überlebenswichtiger Schutzausrüstung

In fast allen der 63 Staaten und Territorien, die Amnesty International für den Bericht untersucht hat, berichteten Gesundheitsarbeiter*innen vom kritischen Mangel an persönlicher Schutzausrüstung (PSA).

Das schließt auch Länder wie Indien, Brasilien und diverse Staaten in Afrika ein, denen der Höhepunkt der Pandemie noch bevorsteht. Ein Arzt aus Mexiko-Stadt berichtete Amnesty International, dass er und seine Kolleg*innen rund 12 Prozent ihres Monatseinkommens für die Beschaffung privater Schutzausrüstung ausgeben.

Auch in Österreich gab es Berichte aus den Medien sowie Auskünfte von Betroffenen direkt an Amnesty International, die belegen, dass es zu wenige geeignete Mund-Nase-Schutzmasken für das Gesundheitspersonal gab. 24h-Pflegebetreuer*innen wurden erst sehr spät geeignete Schutzausrüstung zur Verfügung gestellt oder mussten diese selbst besorgen, kritisierte Amnesty International in einer kürzlich veröffentlichten Analyse über soziale Menschenrechte in Österreich. In der Analyse wurde die Einhaltung von sicheren und gesunden Arbeitsbedingungen, unter anderem für prekär und a-typsich beschäftigte Menschen, näher untersucht.

Neben einer weltweiten Knappheit dieser Produkte haben Handelsbeschränkungen den Mangel möglicherweise zusätzlich verschärft.

Im Juni 2020 ordneten 56 Staaten und zwei Handelsgemeinschaften (die Europäische Union und die Eurasische Wirtschaftsunion) Maßnahmen zum Verbot bzw. zur Beschränkung des Exports einiger oder aller Arten von Schutzausrüstung und deren Einzelbestandteilen an.

„Jede Regierung muss sicherstellen, dass ihre Gesundheitsarbeiter*innen ausreichend mit angemessenen Schutzausrüstungen versorgt sind. Für importabhängige Länder jedoch verstärkten die Handelsbeschränkungen den ohnehin bestehenden Mangel zusätzlich“, sagt Sanhita Ambast

„Die COVID-19-Pandemie ist ein globales Problem, das globale Zusammenarbeit erfordert.“

Sanhita Ambast, Amnesty-Expertin für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte