Am 26. Mai 2020 wurde in Costa Rica die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt. Costa Rica ist damit das 29. Land weltweit und das erste in Zentralamerika, dass Ja gesagt hat zur Ehe für alle. Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (CIDH) erklärte das Verbot der Ehe für alle schon 2018 für verfassungswidrig und sprach eine Empfehlung an alle zentralamerikanischen Staaten aus, dies innerhalb der nächsten 18 Monate zu ändern. Ana Helena Chacón war die Abgeordnete, die maßgeblich die Gesetzesänderung durch das Verfassungsgericht vorangetrieben hat.
Zehn Paare ließen sich gleich am 26. Mai trauen. Covid-19 ließ zwar keine großen Festivitäten zu, aber trotzdem war die Stimmung ausgelassen und Eheschließungen konnten zumindest im kleinen Kreise zelebriert werden. „Viele von ihnen haben gar nicht mehr damit gerechnet, dass es überhaupt einmal soweit kommt“, freute sich Amanda Aroyo, eine Aktivistin der sexuellen Diversität in Costa Rica: „Wir sind am 26. Mai in einem gerechteren Land aufgewacht“.
„Ein gerechteres Land“
Die Social Media-Kanäle waren voll von Glückwünschen und Freudentaumel, auch der staatliche Fernsehkanal Canal 13 übertrug die erste gleichgeschlechtliche Ehe zwischen zwei Frauen; eine kleine Sensation in dem konservativen Land. Über zwanzig Jahre hätten Aktivist*innen sich dafür eingesetzt, dass dieser Tag Realität werde, so Amanda. Es sei ihrer Meinung nach deshalb auch kein Privileg für eine kleine Gruppe, sondern viel mehr ein Recht aller Menschen, dass nun endlich Realität geworden sei.
Traurig sei es um die Menschen, die diesen Tag nicht mehr erleben konnten, ergänzte der non-binäre Aktivist Jota Vargas von der Front für gleichberechtigte Gesetze (Frente por los derechos igualitarios). Die Organisation hatte die erste Kampagne 2003 zur Änderung der Gesetzgebung angestoßen.
Doch nicht alle Costa-Ricaner*innen sind begeistert von der neuen Gesetzgebung. Vor allem religiös-konservative Stimmen äußerten sich ablehnend bis feindlich in den Sozialen Medien, betitelten die Ehe als Institution, die von Gott geschaffen worden sei, um die Bindung von Mann und Frau zu zelebrieren. Trotz allem waren diese Stimmen in der Unterzahl.
Strukturelle Gewalt existiert weiter
Doch auch Aktivist*innen der sexuellen Dissidenz äußerten sich kritisch. Sie sehen die Gesetzgebung zwar als kleinen Gewinn für die LGBTQ-Community an, stehen aber der Institution Ehe kritisch gegenüber. „Es ist auf jeden Fall ein kleiner Fortschritt für die Bewegung und eine Anerkennung für die Kämpfe, die gleichen Rechte zu bekommen“, erklärte Jorge. „Trotzdem stellt sich die Frage: wie geht es jetzt weiter?“. Es dürfe nicht vergessen werden, wie viele Menschen noch aufgrund ihrer sexuellen Identität und Orientierung diskriminiert würden.
Auch die queere Künstlerin und Aktivistin Anónima verwies darauf, dass die strukturelle Gewalt weiter existiere. Weiblich gelesene Personen seien immer noch täglicher Gewalt ausgesetzt und auch Transpersonen und andere marginalisierte Gruppen würden immer noch diskriminiert. Die Einführung der Ehe für alle diene aber zumindest dazu, die LGBTQ Bevölkerung im Land und ihre Belange sichtbarer zu machen.
Trotz aller Kritik war es ein Tag der Freude und zumindest ein Schritt in Richtung einer offeneren, plurikulturellen und gleichberechtigten Gesellschaft.
Von Jule Giessler