Das Robert Koch-Institut veröffentlichte am Dienstag, 16. Juni 2020, die Corona-Warn-App zur Kontaktnachverfolgung (Contact Tracing). ArbeitgeberInnen, HändlerInnen oder auch VeranstalterInnen könnten die App zur Zugangs- oder Teilnahmebedingung machen, warnen die Digitale Gesellschaft (DigiGes) und das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF). Damit drohen Personen erhebliche Nachteile, wenn sie die App nicht nutzen können oder wollen – oder wenn ihnen nach dem Vorzeigen der App durch einen „hohen Risikostatus“ der Zugang zu Orten oder Leistungen verwehrt wird.
Auf das Risiko hatten die DigiGes und das FIfF bereits zu Beginn der Debatte über Corona-Apps hingewiesen. „Die Bundesregierung hatte bei der Corona-App dazugelernt. So speichert die App Begegnungen von Personen auf den Geräten und nicht auf einem zentralen Server, wie ursprünglich geplant. Doch die reale Gefahr der Freiheitsbeschränkungen bei Nicht-Nutzung der App bleibt auch beim dezentralen Ansatz – und dies nimmt die Bundesregierung sehenden Auges in Kauf.“, sagt Elke Steven, Geschäftsführerin der DigiGes.
Inwiefern Dritte die Corona-Warn-App rechtmäßig als Zugangsbarriere einsetzen könnten, ist derzeit noch nicht abschließend geklärt. Jedoch hilft Personen, denen der Zugang verwehrt wird, auch eine spätere Klärung der Rechtslage zu ihren Gunsten nicht. Im Moment der Zugangsverweigerung sind sie bereits benachteiligt. In einigen Fällen, wie beim Arbeitgeber, sind die Personen zudem besonders abhängig und würden auch unrechtmäßige App-Kontrollen in Kauf nehmen. „Gerade gegenüber KollegInnen möchte niemand als unsolidarisch gelten. Schon aus diesem Grund ist der Druck hoch, mitzumachen und eigene Bedenken hinten an zu stellen. Und die Machtverhältnisse gegenüber dem Arbeitgeber sind auch eindeutig: Wer will in der derzeitigen Rezession dem Arbeitgeber schon widersprechen und damit den eigenen Arbeitsplatz riskieren?“, so Měto R. Ost vom FIfF.
Nur ein Begleitgesetz zur Corona-Warn-App kann das Risiko wirksam reduzieren, dass Dritte die App zur Zugangsbedingung zum gesellschaftlichen Leben, zu Gütern – auch denen des täglichen Bedarfs – und Leistungen machen. „Gerade ältere Menschen, die häufiger kein Smartphone haben, könnten hier systematisch benachteiligt werden. Um solche und andere Diskriminierungen gar nicht erst entstehen zu lassen, braucht es eine gesetzliche Regelung.“, sagt Benjamin Bergemann, Vorstandsmitglied der Digitalen Gesellschaft.
Mit diesem hohen Risiko für die Grundrechte kann die Corona-Warn-App solange nicht DSGVO-konform eingesetzt werden, wie es kein entsprechendes Begleitgesetz gibt, das die Nutzung abschließend regelt. Das für die App verantwortliche Robert Koch-Institut kann das Risiko nicht selbst abstellen. Nur die Gesetzgeberin kann die Rahmenbedingungen festlegen, die das Risiko für die Betroffenen abfedern. „Wenn die Gesetzgeberin nicht dafür sorgt, dass die App diskriminierungsfrei genutzt werden kann, dann werden die NutzerInnen Umgehungsmöglichkeiten finden. Sie können ihr Smartphone einfach in allen riskanten Situationen in eine Schutzhülle stecken, und die App wird einfach nie eine Infektion aufzeichnen können. Dann erfüllt die App ihren Zweck nicht, und der ganze Bohei war sinnlos.“, wird Jörg Pohle vom FIfF deutlich.
Vorschläge für Gesetzentwürfe, die Freiheitsbeschränkungen bei der Nutzung ebenso wie bei der Nicht-Nutzung der App verhindern würden, liegen bereits auf dem Tisch: aus der Zivilgesellschaft, mit Ergänzungen des FIfF, und aus den Parteien. „Die Zivilgesellschaft hat alle dicken Bretter doch schon gebohrt und dem Gesetzgeber die Lösungen auf dem Silbertablett präsentiert. Wenn er Interesse am Erfolg der App hat, muss der Gesetzgeber eigentlich nur noch zugreifen.“, schließt Kirsten Bock vom FIfF.
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Rainer Rehak: E-Mail: rainer [punkt] rehak [ät] fiff.de
Betreff: „PM CoronaApp vom 15.06.2020“
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