Geplante Privatisierung ist für die BerlinerInnen gemeinwohlschädigend

Das Land Berlin hat Musterverträge zur Auslagerung des Schulbaus an die Wohnungsbaugesellschaft Howoge vorgelegt. Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) hat Rechtsanwalt Benno Reinhardt gebeten, die Musterverträge aus juristischer Sicht zu bewerten. Das Ergebnis zeigt, dass durch die Verträge eine weitreichende Privatisierung der betroffenen Schulen ermöglicht würde. Rechtsanwalt Benno Reinhardt schreibt in seiner Stellungnahme:

„Die vorliegenden Verträge verdeutlichen, dass alle Risiken beim Land liegen, während die HOWOGE lediglich als Dienstleister für den Bau und als Dienstleister für die Kreditaufnahmen fungiert. […] Vor dem Hintergrund dieses sehr eingeschränkten Nutzens für das Land Berlin, ist es umso unverständlicher und erstaunlich, dass die Vertragspartner im Weiteren Regelungen vorsehen, die es zulassen, dass sämtliche Schulen an Finanzinvestoren veräußert werden.“

Insbesondere fehle eine Regelung, die untersage, dass die Erbbaurechte an den Schulen an Dritte veräußert werden. Zudem sei nicht vorgesehen, dass die Erbbauverträge zu den Schulen im Zuge einer Veräußerung der Howoge an Dritte automatisch an das Land zurückfallen.

Dazu Carl Waßmuth, Sprecher von Gemeingut in BürgerInnenhand:

„Die Verantwortlichen von Rot-Rot-Grün haben von Anfang an geleugnet, dass es im Zuge der Auslagerung des Schulbaus an Howoge und BIM um eine Privatisierung gehe. Die vorgelegten Verträge strafen sie nun der Lüge. Diese Verträge sind so skandalös, wie wir sie von der Wasserprivatisierung kennen. Ihre Unterzeichnung muss unbedingt verhindert werden.“

Gemeingut in BürgerInnenhand klärt seit 2017 zu den Plänen und Vorgängen der Auslagerung und Privatisierung des Schulbaus in Berlin auf. Im Zuge der Volksinitiative „Unsere Schulen“ haben wir dem Abgeordnetenhaus die Privatisierungsgefahren in einer öffentlichen Anhörung und mit einer 100-seitigen Stellungnahme dargestellt. In einer Studie wurden die damit verbundenen Kostensteigerungen dargelegt. GiB kritisiert die geplante Privatisierung als gemeinwohlschädigend.

Hintergrundinformation: Schreiben von Benno Reinhardt an Gemeingut in BürgerInnenhand vom 9.5.2020

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Verkauf der Schulen

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Land Berlin hat nun einen Teil der Musterverträge im Zusammenhang mit der Privatisierung des Schulbaus veröffentlicht. Die Volksinitiative und GiB haben mich gebeten, zu den Verträgen, die bereits jetzt zugänglich sind, Stellung zu nehmen:

  • Erbbaurechtsvertrag zwischen dem Land Berlin und der HOWOGE
  • Mietvertrag zwischen der HOWOGE und den Bezirken.

Das Land Berlin ist Eigentümerin der Grundstücke, die für den Neubau und die Sanierung der Schulen vorgesehen sind. Das Land überträgt alle Grundstücke im Rahmen einzelner Erbbaurechtsverträge auf die HOWOGE.

Die HOWOGE baut und vermietet die Schulen wiederum an das Land, vertreten durch die Bezirke. Deswegen wird der nun auch veröffentlichte Mietvertrag abgeschlossen, für jede Schule einzeln. Über diesen Mietvertrag erhält die HOWOGE – vereinfacht zusammengefasst – sämtliche Kosten vom Land erstattet, vgl. § 4 Mietvertrag:

  • Kapitaldienst für die Darlehen, die die HOWOGE wegen der Investitionen aufnimmt,
  • Zahlung eines Erbbauzinses,
  • eine Managementgebühr,
  • Gebühren für den Unterhalt der Schulen während der Gewährleistungszeit.

Während der Mietdauer muss das Land sämtliche Investitionen und Reparaturen übernehmen. Die HOWOGE haftet lediglich für die tragenden Bauteile und die Statik. Zu Mietminderungen ist das Land auch dann nicht berechtigt, falls die HOWOGE ihre Leistungen nicht erbringt, vgl. § 6 des Mietvertrages. Dies sichert den Zahlungsfluss vom Land Berlin über die HOWOGE an die kreditgebenden Banken (sog. Forfaitierung).

Die vorliegenden Verträge verdeutlichen, dass alle Risiken beim Land liegen, während die HOWOGE lediglich als Dienstleister für den Bau und als Dienstleister für die Kreditaufnahmen fungiert. Die HOWOGE dient den Interessen des Landes. Das Land ist – aus welchen Gründen auch immer – nicht in der Lage, den Schulneubau selbst zu organisieren. Alleine aus dieser Not heraus verlagert es die Aufgabe der Investitionen auf einen Dritten.

Vor dem Hintergrund dieses sehr eingeschränkten Nutzens für das Land Berlin, ist es umso unverständlicher und erstaunlich, dass die Vertragspartner im Weiteren Regelungen vorsehen, die es zulassen, dass sämtliche Schulen an Finanzinvestoren veräußert werden. Hierzu sieht der Vertrag zwei Wege vor:

  1. Risiko Verkauf der Schulen an Dritte durch die HOWOGE:

Das Erbbaurecht ist ein grundstücksgleiches Recht, d.h. der Erbbauberechtigte, die HOWOGE, kann solange das Erbbaurecht dauert, mit dem Grundstück wie ein Eigentümer verfahren, soweit diese Rechte nicht beschnitten werden. Das Erbbaurecht kann daher wie ein Grundstück veräußert, vererbt und belastet werden, beispielsweise mit Grundpfandrechten (Grundschuld und Hypothek).Verfügungen über das Erbbaurecht wie z. B. Veräußerungen, Belastungen und bauliche Erweiterungen bedürfen der Zustimmung des Grundeigentümers, wenn dies im Erbbaurechtsvertrag vereinbart ist. § 5 Absatz 1 Erbbaurechtsgesetz sieht eine solche Beschränkung ausdrücklich vor:

Als Inhalt des Erbbaurechts kann auch vereinbart werden, dass der Erbbauberechtigte zur Veräußerung des Erbbaurechts der Zustimmung des Grundstückseigentümers bedarf.“

Es ist nicht nachvollziehbar, warum das Land Berlin vorn dieser Regelung keinen Gebrauch macht. Ein solcher Zustimmungsvorbehalt würde verhindern, dass die HOWOGE die Schulen im Rahmen eines Asset Deals als Ganzes oder in Teilen an Dritte verkauft. Stattdessen begnügt sich das Land mit einem in der Praxis untauglichen Vorkaufsrecht. Nach § 14 des Erbbaurechtsvertrages muss die HOWOGE den Verkauf der Schulen dem Land lediglich anzeigen. Das Land hat nur die Möglichkeit, innerhalb von drei Monaten ein Vorkaufsrecht auszuüben. Dies birgt zwei nicht akzeptable Risiken.

Die HOWOGE kann zu einem beliebig hohen Preis an jeden beliebigen Investor verkaufen. Finanzinvestoren sind bei den weltweit zur Verfügung stehenden liquiden Mitteln jederzeit bereit, einen hohen bis überhöhten Preis für den Erwerb der Schulen zu bezahlen. Die HOWOGE zeigt diesen Vertrag an. Das Land müsste – wenn es das Vorkaufsrecht ausübt – in diesen Vertrag einsteigen und ggf. den völlig überhöhten Preis für den Rückkauf der Schulen akzeptieren oder es hinnehmen, dass diese Schulen nunmehr Hedgefonds oder großen Kapitalanlagegesellschaften übertragen werden.

Das Land müsste diese Entscheidung innerhalb von drei Monaten treffen. Es müsste innerhalb dieser kurzen Zeitspanne die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen für einen milliardenschweren Rückkauf der Schulen schaffen. Niemand weiß, wie sich die Haushaltslage entwickelt, niemand weiß, wie die Schuldenbremse wirkt, niemand weiß, welche Bedingungen der Bund in den nächsten 25 Jahren an eine Kreditaufnahme zur Finanzierung eines Rückkaufes der Schulen knüpft.

Um dies zu verhindern, muss von der o. g. gesetzlichen Möglichkeit des § 5 Absatz 1 Erbbaurechtsgesetz Gebrauch gemacht werden. Es ist notwendig, dass die Veräußerung des Erbbaurechtes vollumfänglich untersagt wird.

  1. Risiko Verkauf der HOWOGE oder von Anteilen der HOWOGE an Dritte durch das Land:

Das Land Berlin kann jederzeit Anteile an der HOWOGE an Dritte verkaufen. Der Verkauf solcher Anteile steht derzeit nicht auf der politischen Agenda. Dies kann sich jederzeit ändern. Das Land Berlin muss ggf. Vermögen veräußern, weil es ansonsten den Haushalt nicht ausgleichen kann. Dies ist geschehen beim Verkauf der Berliner Wasserbetriebe, dies kann erneut erfolgen, wenn die finanziellen Ressourcen des Landes sich wieder verknappen. Der Verkauf von Anteilen der HOWOGE kann auch aus politischen Gründen aktuell werden, CDU und FDP haben keine ideologischen Bedenken. In dem Erbbaurechtsvertrag ist von der SPD – Grün – Linken – Koalition kein Heimfall für den Fall festgelegt worden, dass Anteile der HOWOGE an Dritte verkauft werden. Dabei ließe es sich für den Fall der Privatisierung der HOWOGE einfach ausschließen, dass die Schulen „mitprivatisiert“ werden. Es ist zu fordern, dass in diesem Fall die Schulen (richtigerweise die Grundstücke) an das Land Berlin „heimfallen“, d. h. wieder übereignet werden müssen.

Im vorliegenden Erbgaurechtsvertrag ist der Heimfall auch grundsätzlich angesprochen, § 13:

Der Erbbauberechtigte (Erg. HOWOGE) hat das Erbbaurecht auf Verlangen des Grundstückseigentümers (Erg. Land Berlin) auf diesen (Heimfall) …… zu übertragen, wenn…

An dieser Stelle folgen acht Gründe für den Heimfall. Unter Ziffer 8 wird genau der hier befürchtete Wechsel und Weiterverkauf der Gesellschaftsanteile beschrieben, also eine Gefahr die auch die Verfasser der Musterverträge gesehen haben. Der Heimfall tritt ein,

wenn in der Zeit bis zur Fertigstellung der baulichen Anlagen das Eigentum an den Gesellschaftsanteilen des Erbbauberechtigen (Erg. HOWOGE) wechselt (Ziffer 8). 

Obwohl das Land Berlin auch diese Gefahr sieht, beschränkt es den Heimfall auf die Bauzeit. Dies ist völlig unakzeptabel. Der Heimfall muss für den gesamten Vertragszeitraum gelten.

Schlussbemerkung: Schulen sind öffentliches Eigentum. Es muss von vorneherein ausgeschlossen werden, dass diese als Ganzes verkauft werden (siehe Ziffer 1) oder als Mitgift einer Privatisierung von Anteilen der HOWOGE an private Dritte übergehen (siehe Ziffer 2). Dies verhindert der vorliegende Vertrag nicht. Es ist kein Problem den Erbbaurechtsvertrag so zu fassen, dass diese Risiken ausgeschlossen werden.

Offensichtlich hat das Land Berlin die bisher von der Volksinitiative und GiB vorgetragene Rechtsauffassung übernommen, der Erbbaurechtsvertrag bedürfe der Zustimmung des Abgeordnetenhauses, vgl. nunmehr § 20 des Erbbaurechtsvertrages. Von daher werden die Parteien aufgefordert, die Verträge so nicht zu beschießen, sondern sie so zu ändern, dass

  • der Verkauf der Schulen an Dritte ausgeschlossen wird und
  • bei einem Verkauf der Anteile der HOWOGE die Schulen automatisch an das Land zurückfallen.

Mit freundlichen Grüßen

Benno Reinhardt
Rechtsanwalt

Originalpressemitteilung

www.gemeingut.org