Mit kräftigen Profiten hat der Leverkusener Bayer-Konzern trotz der Coronakrise das erste Quartal 2020 absolviert. Das Unternehmen konnte, wie es anlässlich der Hauptversammlung Ende April mitteilte, seinen Gewinn in den ersten drei Monaten des Jahres um 20 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro steigern. Möglich war das dank Hamsterkäufen von Bayer-Medikamenten und -Saatgut. Der Konzern verdiente zudem erneut hohe Summen mit dem Verkauf von Pestiziden, darunter solche, die in der EU verboten sind, aber in Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas satte Profite erzielen.

Dies geht aus einer aktuellen Untersuchung hervor, die mehrere Nichtregierungsorganisationen vergangene Woche publizierten. Pro Jahr sterben zwischen 20.000 und 40.000 Menschen durch Pestizidvergiftung am Arbeitsplatz. Beste Bedingungen findet Bayer in Brasilien unter dem extrem rechten Präsidenten Bolsonaro. Der Konzern ist zudem bemüht, Schadensersatzklagen von Glyphosat-Opfern in den USA definitiv abzuwehren: Die Opfer müssten einsehen, heißt es, dass der Konzern wegen der Coronakrise kaum zahlungsfähig sei.

Hamsterprofite

Trotz der Coronakrise hat der Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer sein Geschäft im ersten Quartal 2020 ausbauen können und teilweise erhebliche Zugewinne erzielt. Wie das Leverkusener Unternehmen anlässlich seiner Hauptversammlung am gestrigen Dienstag mitteilte, hat es seinen Quartalsumsatz um 6,0 Prozent auf gut 12,8 Milliarden Euro steigern können.[1] Gleichzeitig wuchs sein Gewinn um 20,0 Prozent auf knapp 1,5 Milliarden Euro. Das Wachstum basiert allerdings stark darauf, dass diverse Produkte zu Beginn der Coronakrise gehamstert wurden. So nahm der Absatz von Bayer-Schmerzmitteln und -Herzmedikamenten um annähernd ein Fünftel, der Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln sogar um ein Drittel zu. Auch Saatgut, Insektizide sowie Pestizide wurden in deutlich größeren Mengen als sonst nachgefragt. Der US-Wirtschaftskrieg gegen China verursachte Verschiebungen im Absatz, aber keine Einbrüche: Die Tatsache, dass China sein Soja stärker aus Brasilien statt, wie zuvor, aus den USA bezog, führte zwar dazu, dass der Absatz von Sojasaatgut in den Vereinigten Staaten spürbar zurückging; dafür konnte Bayer mehr Sojasaatgut in Lateinamerika verkaufen und US-Farmern, von denen viele auf Mais umzusatteln versuchen, größere Mengen an Maissaatgut anbieten. Wie die Coronakrise das Geschäft in den kommenden Monaten beeinflussen wird, ist ungewiss.

Die Coronakrise als Druckmittel

Dabei sucht die Konzernführung die Krise zu ihren Gunsten zu nutzen – im Abwehrkampf gegen milliardenschwere Klagen in Sachen Glyphosat. Das Pestizid Glyphosat ist von dem US-Konzern Monsanto hergestellt worden, der mittlerweile von Bayer übernommen wurde; es ist mutmaßlich krebserregend. Seit längerer Zeit klagen Monsanto-Kunden, die unter Gesundheitsschäden durch Glyphosat leiden, gegen Bayer auf Schadensersatz; ihre Zahl ist inzwischen auf 52.500 gestiegen. Bayer wurde in Einzelfällen bereits zu Schadensersatzzahlungen in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe verurteilt [2], hofft allerdings auf einen – in den Vereinigten Staaten durchaus üblichen – außergerichtlichen Vergleich; jüngst wurde dabei eine einmalige Zahlung von gut zehn Milliarden US-Dollar diskutiert [3]. Der deutsche Konzern will nun, wenn die Pandemie auch das in Gang befindliche Mediationsverfahren verlangsamt hat, seinen Druck erhöhen. „Das wirtschaftliche Umfeld könnte als Katalysator wirken“, erklärt ein Manager der Fondsgesellschaft Deka, die laut eigenen Angaben rund ein Prozent der Anteile an Bayer hält. Das Unternehmen werde es „zukünftig sicherlich nicht einfacher haben, einem teuren Vergleich zuzustimmen“: „Das sollten auch die Kläger verstehen“.[4] Eine „zeitnahe Einigung“ sei „geboten“. Ob die Kläger auf die Drohung reagieren, ist freilich nicht klar.

Verbotene Wirkstoffe

Jenseits der US-Prozesse sind in der vergangenen Woche neue gravierende Vorwürfe gegen Bayer laut geworden. Dabei geht es um Pestizide, die der Konzern im globalen Süden vertreibt. Wie es in einer aktuellen Untersuchung heißt, die mehrere Nichtregierungsorganisationen, darunter das entwicklungspolitische Netzwerk Inkota sowie das katholische Hilfswerk Misereor, vergangene Woche gemeinsam veröffentlicht haben, setzen Bayer und der Chemiekonzern BASF insbesondere in Ländern Afrikas und Lateinamerikas Pestizide mit gefährlichen Wirkstoffen ab, für die es in der EU keine Genehmigung gibt. Auf zwei wichtigen, in der Untersuchung detailliert analysierten Absatzmärkten, in Südafrika und in Brasilien, verkauft Bayer Produkte mit 15 Wirkstoffen, auf die dies zutrifft; für fünf davon wurde wurde die Genehmigung in der EU entweder explizit verweigert oder nach vorangegangener Erteilung widerrufen.[5] Acht von Bayer in Südafrika und in Brasilien vertriebene Wirkstoffe werden vom Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN), einem Zusammenschluss von knapp 30 einschlägig erfahrenen Nichtregierungsorganisationen, als hochgefährlich eingestuft. Bayer beruft sich regelmäßig darauf, dass die Anwendung der Pestizide problemlos möglich sei, wenn man entsprechende Schutzmaßnahmen ergreife. Allerdings ist allgemein bekannt – das belegt die aktuelle Untersuchung erneut -, dass dies in Ländern wie Südafrika oder Brasilien regelmäßig nicht möglich ist oder von Agrarfirmen verweigert wird. So erhalten Arbeiter, die auf Plantagen Pestizide anwenden, keine Schutzkleidung; im Amazonasgebiet werden indigene Dörfer mit Pestiziden besprüht.

Vergiftung am Arbeitsplatz

Dabei handelt es sich nicht um Einzelfälle. Wie es in der Untersuchung heißt, erleiden jedes Jahr rund 25 Millionen Menschen Pestizidvergiftungen; drei weitere Millionen müssen aufgrund akuter Pestizidvergiftungen behandelt werden. Zwischen 20.000 und 40.000 Menschen sterben jährlich durch Pestizidvergiftung am Arbeitsplatz, 99 Prozent von ihnen in Afrika, Asien und Lateinamerika – in Ländern also, in die Bayer und BASF hochgefährliche Pestizide exportieren, für die in der EU aus gutem Grund keine Genehmigung vorliegt.[6] Dass sich die Ausfuhr solcher Pestizide leicht verhindern ließe, zeigt das Beispiel Frankreich. Dort ist, berichten die Autoren der Untersuchung, „im Oktober 2018 ein Gesetz verabschiedet“ worden, das „die Herstellung, Lagerung und die (globale) Vermarktung von Pestizidprodukten verbietet“, wenn sie Wirkstoffe enthalten, die in der EU nicht genehmigt sind. Das Gesetz soll 2022 in Kraft treten. In Deutschland gibt es kein solches Gesetz. Dafür trägt der Pestizidverkauf in Afrika, Asien und Lateinamerika zur wirtschaftlichen Macht von Bayer und BASF bei. Bayer Crop Science ist das zweitgrößte Agrarchemieunternehmen der Welt, BASF das drittgrößte. Deutschland ist – mit Ausfuhren im Wert von 4,3 Milliarden US-Dollar – zweitgrößter Pestizidexporteur überhaupt.

Ein Pestizidparadies

Besonders geschäftsfreundliche Verhältnisse findet Bayer dabei in Brasilien vor, wo der Konzern seinen Umsatz im ersten Quartal 2020 überdurchschnittlich steigern konnte. In dem Land hat sich mit der Schaffung riesiger Agrarflächen durch Abholzen tropischer Wälder der Pestizidverbrauch von 2000 bis 2018 mehr als verdreifacht; 2018 belief sich der Umsatz der Pestizidhersteller in Brasilien auf gut 10,8 Milliarden US-Dollar – 20 Prozent mehr als im Vorjahr.[7] Allein im ersten Amtsjahr des extrem rechten Präsidenten Jair Messias Bolsonaro wurden in Brasilien 474 neue Pestizidprodukte zugelassen, darunter 42 in der EU nicht erlaubte Chemikalien. Bayer erzielte im vergangenen Jahr in Brasilien einen Umsatz von mehr als 3,5 Milliarden Euro – mehr als in der Bundesrepublik sowie mehr als acht Prozent seines Gesamtumsatzes von 43,5 Milliarden Euro.[8]


[1] Bayer: Guter Jahresauftakt – COVID-19 prägt Aktivitäten. investor.bayer.de 27.04.2020.
[2] S. dazu Bayer in der Bredouille.
[3] Bayer profitiert von Vorratskäufen in Corona-Krise. Frankfurter Allgemeine Zeitung 28.04.2020.
[4] Patricia Weiss, Ludwig Burger: Bayer legt in Corona-Krise härtere Gangart bei Glyphosat-Vergleichsverhandlungen ein. de.reuters.com 27.04.2020.
[5], [6], [7] Campanha Permanente Contra os Agrotóxicos e Pela Vida, Khanyisa, Rosa-Luxemburg-Stiftung Südliches Afrika, Inkota-Netzwerk e.V., Misereor: Gefährliche Pestizide von Bayer und BASF – ein globales Geschäft mit Doppelstandards. Aachen/Berlin/Johannesburg/Port Elizabeth/Rio de Janeiro, April 2020.
[8] Bayer AG: Annual Report 2019.

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