Während Bernie Sanders einen politischen Preis dafür bezahlte, etwas Positives über Kubas Alphabetisierungsprogramm zu äußern, hat die aktuelle Pandemie der ganzen Welt die heldenhafte Seite des kubanischen Gesundheitssystems vor Augen geführt.
Ich begegnete diesem Heroismus aus erster Hand, als ich mit kubanischen Ärzten in armen abgelegenen Dörfern in Afrika gearbeitet habe. Es waren die 1970er Jahre, und ich war eine junge Frau, als Ernährungswissenschaftlerin bei der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO angestellt. Meine Kollegen waren gute Menschen, die halfen dabei hungrige Kinder zu ernähren. Außerdem verdienten sie hohe Gehälter und lebten einen wohlhabenden Lebensstil, den sie sich zu Hause nie leisten konnten. Die Kubaner waren anders. Sie lebten einfach, arbeiteten unter härtesten Bedingungen und verdienten so gut wie gar nichts für ihre Dienste. Ihre Motivation lag lediglich darin, Menschen in Not zu helfen.
Sie nannten es Internationalismus und meinten, es sei ihre revolutionäre Pflicht, ihre Schulden an die Gesellschaft zurückzuzahlen. Dabei zitierten sie Che Guevara: „Das Leben eines einzelnen Menschen ist eine Millionen Mal mehr wert, als der gesamte Besitz des reichsten Mannes der Erde.“
Ich wurde inspiriert und zog schließlich nach Kuba. Vier Jahre, eine Ehe und ein Baby später, wurde ich von der kubanischen Regierung dafür beschuldigt, revolutionskritische Artikel zu schreiben, weswegen man mich deportierte. Sicherlich sah und erlebte ich Aspekte des kubanischen Systems, die mir nicht gefallen haben, aber ich verlor nie meine Bewunderung für das öffentliche Gesundheitssystem des Landes und dessen Einsatzbereitschaft zur internationalen Solidarität.
Es ist wirklich inspirierend, dass diese kleine, arme Insel über grundlegende Gesundheitsindikatoren verfügt, die denen der reichsten Länder entsprechen oder diese sogar übertreffen. Dies ist umso bemerkenswerter, nachdem Kuba sechzig Jahre lang mit einer brutalen US-Blockade und Sanktionen konfrontiert war. Kubas Säuglingssterblichkeitsrate ist mit 4 pro 1.000 Lebendgeburten niedriger als in den Vereinigten Staaten – und das laut CIA! Es gibt wenig Essen in den Ladenregalen und Engpässe in den Apotheken, aber, wie die Kubaner sagen: „Wir leben wie arme Leute, aber sterben wie reiche Leute.“ Das hängt damit zusammen, dass ihre Lebenserwartung mit 79 Jahren die gleich ist wie in den Vereinigten Staaten, obwohl Kuba weniger als etwa 800$ pro Person und Jahr für die Gesundheitsversorgung ausgibt, verglichen mit 11.000$ in den Vereinigten Staaten.
Wie der Großteil der Welt kämpft Kube zurzeit mit dem Coronavirus. Bis zum 20. April gab es 1.137 bestätigte Fälle mit 38 Todesfällen. Aber Kubas freies und universelles Gesundheitssystem, einschließlich eines robusten Kaders von Gesundheitsfachkräften, versetzt die Insel in eine bessere Position zur Bewältigung dieser Krise als die meisten Länder. Mit seinem intensiven Fokus auf die Ausbildung von Gesundheitsfachleuten hat Kuba die höchste Ärztedichte der Welt. Das Verhältnis von medizinischen Fachkräften und Patienten ist etwa dreimal so hoch wie in den Vereinigten Staaten.
Kuba bildet jedoch nicht nur seine eigenen Ärzte aus, sondern Ärzte aus aller Welt. Auf der Insel, mit nur elf Millionen Einwohnern, befindet sich die weltweit größte internationale medizinische Fakultät, die Lateinamerikanische Schule für Medizin (ELAM). Seit ihrer Gründung im Jahr 1999, bildete die Fakultät über 35.000 junge Menschen aus 138 Ländern aus, darunter auch die Vereinigten Staaten. Und hier ist der Clou: Es kostet nichts.
Pastors for Peace, die Gruppe, die US-Studenten aus den „ärmlichsten und bedürftigsten“ Gemeinden auswählt, sagt, dass die Stipendien das volle Schulgeld, Wohnheime, drei Mahlzeiten pro Tag, Schulbücher, Schuluniformen und ein kleines monatliches Gehalt umfassen. Während die Absolventen der medizinischen Fakultäten der USA mit sechststelligen Schulden das Studium verlassen, ist die einzige Verschuldung der ELAM-Absolventen die Verpflichtung, Medizin in einkommensschwachen und medizinisch unterversorgten Gemeinden zu praktizieren. Aus diesem Grund findet man ELAM-Absolventen wie Dr. Melissa Barbar heute an der Frontlinie in der Bronx im Kampf gegen das Coronavirus.
Wenn dich das nicht emotional macht, dann sieh dir die Ärztebrigade an, die zu internationalen Missionen in das am stärksten von Covid-19 betroffene Gebiet Italiens, die Lombardei, aufbricht. „Wir sind keine Helden“, sagte der Intensivmediziner Leonardo Fernandez gegenüber Reuters, als die erste Brigade Havanna verließ. „Wir sind revolutionäre Ärzte.“ Am 1. April hatte Kuba 800 medizinische Fachkräfte zum Kampf gegen Covid-19 in 16 Länder, von Angola bis Andorra, entsandt, und weitere sind auf dem Weg.
Medizinische Versorgung war für Kuba ein Markenzeichen der Revolution: Hilfe für Erdbebenopfer in Chile 1963; Nicaraguaner und Honduraner die 1998 vom Hurrikan Mitch verwüstet wurden; Tsunami-Opfer in Indonesien 2004; Haitianer nach dem katastrophalen Erdbeben von 2010 und dem anschließenden Cholera-Ausbruch. Außerdem wurden Teams nach Liberia, Guinea und Sierra Leone entsandt, um 2014 gegen Ebola zu kämpfen.
Nach und nach reagierte die „Armee der Weißkittel“ wie Fidel Castro sie nannte, nicht nur auf Notfälle in Übersee, sondern begann auch, als Hausärzte in armen Gemeinden auf der ganzen Welt zu dienen. Dabei zahlen ärmere Länder lediglich die Ausgaben der Mediziner-Teams oder sie bemühen sich um internationale Unterstützung, um Kuba zu entschädigen; wohlhabendere Länder zahlen mehr.
Aber das Trump-Kabinett stellt eine bedeutende Herausforderung für die kubanischen Sozialprogramme dar. Als er an die Macht kam, startete seine Regierung einen Generalangriff auf die kubanische Wirtschaft: Sie verhängte neue Beschränkungen für Reisen der USA auf die Insel, verringerte die Zahl der Überweisungen, die kubanische Amerikaner nach Hause schicken konnten, behinderte den Transport venezolanischen Öls auf die Insel und versuchte, die medizinische Kooperationen Kubas zu sabotieren.
Anti-Kuba-Eiferer in dem Trump-Kabinett haben kubanische Ärzte, die im Ausland arbeiten, zum Überlaufen verleitet, Journalisten dafür bezahlt, negative Geschichten zu schreiben, Kubanern, die für das Programm verantwortlich sind, Sanktionen auferlegt und Länder unter Druck gesetzt, um kubanische Ärzte auszuweisen.
Der Kern des Angriffs bestand darin, das Programm als eine Form der modernen Sklaverei darzustellen, da die Ärzte nur etwa ein Viertel des Geldes erhalten, das die Länder für ihre Dienste bezahlen. Jedoch stellen sich die kubanischen Gesundheitsfachkräfte freiwillig für diese Einsätze zur Verfügung – sie wollen die Erfahrung machen, sie verdienen viel mehr als sie es zu Hause tun würden, und wissen dass der Rest des Geldes zur Unterstützung des nationalen Gesundheitssystems Kubas verwendet wird.
Dem Trump-Kabinett ist es gelungen, die rechte Regierungen, die seit 2018 in Bolivien, Brasilien und Ecuador an die Macht kamen, davon zu überzeugen, etwa 9.000 Kubaner zu entlassen. In einer tragischen Wendung werden nun dieselben Länder mit dem Coronavirus überhäuft und beklagen den Verlust von erfahrenen Fachleuten.
Während wir uns durch diese Krise bewegen, sehen wir das Trauerspiel der reichen Supermächte mit ihren privatisierten, dysfunktionalen Gesundheitssystem, das seine Bevölkerung im Stich lässt, während ihr verarmter Nachbar – unter ständigem Angriff der Supermacht – der ganzen Welt hilft. Wir sehen Trump, wie er verzweifelt von seiner katastrophalen Verpfuschung dieser Pandemie ablenkt, wozu auch gehört, dass er die WHO nicht mehr finanziell unterstützt, was wie ein angesehener medizinischer Redakteur es nannte, ein „entsetzlicher Verrat an globaler Solidarität“ ist, während Kubas Armee der Weißkittel zur Verkörperung der globalen Solidarität geworden ist.
Aber wenn du ein Amerikaner mit politischen Ambitionen bist, solltest du es dir vielleicht zweimal überlegen, bevor du etwas Gutes über das kubanische Gesundheitssystem sagst.
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Maria Kaschner vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!
Medea Benjamin ist Mitbegründerin von CODEPINK for Peace und Autorin mehrerer Bücher, darunter Inside Iran: Die wahre Geschichte und Politik der Islamischen Republik Iran.