Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur sogenannten strategischen Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung ist ein Fortschritt bei der Eindämmung der Massenüberwachung und dem Ausbau des internationalen Menschenrechtsschutzes. Das ist die gemeinsame Einschätzung des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und Edward Snowden.
Das ECCHR bewertet die Feststellung als wichtigen Präzedenzfall. Denn auch in der ECCHR-Arbeit gegen den Einsatz bewaffneter Drohnen, in dem US-Militärbasen in Deutschland eine entscheidende Rolle spielen, oder bei den grund- und menschenrechtlichen Standards in den Auslandsaktivitäten deutscher Unternehmen wird dieser Richterspruch zukünftig eine wichtige Rolle spielen. Auch im Fall Hanan gegen Deutschland zum Kundus-Luftangriff, der im Februar 2020 vor der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verhandelt wurde, ging es um die extraterritoriale Anwendung deutscher und europäischer Standards.
Aus Sicht des ECCHR ist es wichtig, dass der Massenüberwachung durch Geheimdienste zumindest teilweise Einhalt geboten wird. Das Gericht selbst unterstreicht die „außerordentliche Streuweite der strategischen Telekommunikationsüberwachung“ und ihre Anlasslosigkeit. Aus diesem Grund wird eine globale und pauschale Überwachung zukünftig nicht verfassungsgemäß sein.
Ausgelöst wurde der Rechtsstreit um die BND-Gesetzesreform durch die detaillierten Informationen von Edward Snowden über die Massenüberwachung durch vornehmlich US-amerikanische und britische Geheimdienste. Als Reaktion zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts sagt Snowden:
„Mit meinen Enthüllungen von 2013 zur globalen Massenüberwachung wollte ich nicht nur die Weltöffentlichkeit darüber aufklären, in welchem Ausmaß unsere Gesetze gebrochen und unsere Rechte verletzt wurden. Ich wollte vielmehr auch eine Beweisgrundlage für Gerichte schaffen, damit sie – angeregt durch die Zivilgesellschaft – der zweifelhaften Verfassungsmäßigkeit dieser lang vertuschten Aktivitäten etwas entgegensetzen.
Das Urteil ist ein Schritt in die richtige Richtung. Massenüberwachung findet statt, auf der grundlegendsten Ebene, wenn große Gruppen Unschuldiger kontinuierlich beobachtet werden. Die Hoffnung dahinter: Dass Agenten – sowohl befreundete als auch befeindete – Brocken nützlicher (oder auch nur eingebildeter) Information in den immer perfekteren Aufzeichnungen über unsere Privatleben finden. Ich hoffe, dass sich andere Staaten am heutigen Gerichtsurteil ein Beispiel nehmen und dass auch internationale Standards entwickelt werden, um den Aufbau solcher Systeme zu verbieten.
Wenn überhaupt, darf geheimdienstliche Überwachung nur stattfinden, wenn sie ein sorgfältig definiertes Ziel hat und in einem förmlichen, gerichtlichen Verfahren genehmigt wurde. Gerade in Zeiten von Angst und Krankheit ist es wichtig, dass Gesellschaften sich ihrer Freiheit bewusst sind, sie verteidigen und nicht gegen die traditionell unzuverlässige Versprechung eintauschen, dass der Weg zu mehr Sicherheit über den Handel mit unserer Freiheit führt.“
Wolfgang Kaleck, ECCHR-Generalsekretär und Anwalt von Edward Snowden, Pressemitteilung vom 19.05.2020.