Aufzuräumen mit Korruption und Kriminalität, das versprach Jair Bolsonaro vor Amtsantritt. Stattdessen hat er Minderheiten das Leben schwer gemacht, den Schutz des Regenwaldes reduziert und in der Corona-Krise versagt. Nun gibt es nicht nur diverse Ermittlungen gegen Bolsonaro und seine Söhne, sondern auch die Befürchtung, Brasilien könne wieder in eine Militärdiktatur hineinrutschen.
Bereits die Kabinettsauswahl Bolsonaros ließ Schlimmes erahnen, gingen die Posten doch an Militär, Lobby und Evangelikale. Nach weniger als anderthalb Jahren ist die Lage im Amazonasgebiet katastrophal. Während 2019 bereits als Rekordjahr für Abholzung und Zerstörung galt, toppt 2020 diesen traurigen Rekord noch. Mit etwa dreimal so vielen Regenwaldbränden wie im Vorjahr. Bolsonaro wird dabei vorgeworfen, ein Klima geschaffen zu haben, welches Farmer ermutigt, Wald für den Anbau von Soja als Viehfutter oder für Rinderweiden abzubrennen.
Hinzu kommt, dass der Präsident die brasilianische Umweltschutzbehörde Instituto Brasileiro do Meio Ambiente e dos Recursos Naturais Renováveis (Brasilianisches Institut für Umwelt und nachwachsende naturliche Ressourcen), kurz IBAMA seit Amtsantritt absichtlich geschwächt haben soll. So entließ er Beamte, die sich erfolgreich gegen die Zerstörungen durch Goldsuchende eingesetzt, illegale Gruben geschlossen und Maschinen zerstört hatten.
Neben der Natur leidet auch die indigene Bevölkerung unter dem Wunsch Bolsonaros, die eigentlichen Schutzgebiete für den Bergbau öffnen zu wollen. Nicht verwunderlich also, dass Bolsonaro neben der Umweltschutzbehörde auch jene zum Schutz indigener Gruppen, Fundação Nacional do Índio (Nationale Stiftung des Indio), kurz Funai, geschwächt hat.
Nachdem die Zerstörung und Gewalt so überhand genommen hat, dass mit Zezico Guajajara der fünfte Regenwaldschützer in sechs Monaten ermordet wurde, musste Bolsonaro handeln. Seit dem 11. Mai nun hat Bolsonaro das Militär in die Amazonasregion entsendet, um die Zerstörungen einzudämmen. Von Seiten des Umweltschutzes wird gemahnt, dass kurzzeitige Eingriffe des Militärs die Arbeit der Umweltschutzbehörde nicht ersetzen können.
Mit über 11.000 verstorbenen Menschen und knapp 170.000 infizierten Menschen, Weigerungen sich selbst an Corona-Schutzmaßnahmen zu halten, der Teilnahme an einer Demonstration gegen Eindämmungsmaßnahmen und der Entlassung seines besonnenen Gesundheitsministers hat Präsident Bolsonaro sich auch in der Corona-Krise nicht mit Ruhm bekleckert. Friedhöfe sind überlastet und Gesundheitssysteme drohen unter der hohen Zahl der schwer erkrankten Menschen zusammenzubrechen. In der im Nordwesten Brasiliens gelegenen Manaus ist es sogar bereits so weit. Alle Intensivbetten sind belegt, Verstorbene werden, ähnlich wie in New York, bereits in Kühlcontainern untergebracht. Obwohl es auch in Manaus Ausgangs- und Kontaktsperren gibt, können sich nicht alle daran halten. Das drei Milliarden Euro umfassende Hilfspaket der Regierung umfasst nicht alle Berufsgruppen, so dass Menschen noch immer gezwungen sind, das Haus zu verlassen und Geld zu verdienen.
Als wäre das nicht genug, laufen Ermittlungen gegen Bolsonaro und seine Söhne. Gegen Bolsonaro wird unter anderem in Bezug auf Verwaltungsrecht, wegen Behinderung der Justiz, wegen passiver Bestechung, Verleumdung und weiterem Fehlverhalten ermittelt. Ausgeschlossen ist nicht, dass Untersuchungen weitere Punkte zu Tage fördern. Nach Gerangel um die Entlassung des Bundespolizeichefs Maurício Valeixo, Vertrauter des ehemaligen Justizministers Sergio Moros, und erwünschtem Austausch gegen Alexandre Ramegem, Freund der Familie Bolsonaros, war es zum Rücktritt Moros gekommen. Nun ohne Amt, belastet Moro mit seinen Aussagen Bolsonaro. So soll der Präsident, um seine Söhne vor Untersuchungen durch die Polizei unter Valeixo zu schützen, Einfluss auf die Bundespolizei genommen haben, indem er Einsicht in geheime Berichte forderte und den Personalwechsel einforderte. Nachdem der Oberste Gerichtshof die Einsetzung Ramegems untersagt hatte, ging der Posten an Rolando de Souza, eine Person, die Ramegem nahesteht.
Bolsonaros Sohn Flávio wird mit der Ermordung der linken Stadträtin in Rio de Janeiro Marielle Franco in Zusammenhang gebracht. Zudem scheinen sein Bruder Carlos, der Chef eines Fake-News-Ringes gewesen sein soll und auch er mit Milizen und der Abzweigung öffentlicher Gelder in Verbindung zu stehen.
In Anbetracht der Lage und des Wunsches zahlreicher Bolsonaro-Fans nach militärischem Eingreifen in der Corona-Krise, ist fraglich, ob Brasilien nicht Gefahr läuft, wieder in eine Militärdiktatur zurückzufallen. Entziehen Evangelikale und Militärs Bolsonaro ihre Unterstützung, könnte dies das Ende der Demokratie in Brasilien sein.