Zur geplanten Kampfdrohnen-Beschaffung für die Bundeswehr und die dafür vorgesehene gesellschaftliche Debatte
Warum Kampfdrohnen für die Bundeswehr? In der Bundestagsdebatte am 20.12.2019 formulierte es der CDU-Abgeordnete Henning Otte so: Wenn Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz auf Patrouille fahren, sollen zu deren Schutz von Drohnenpiloten aus der Ferne Heckenschützen erkannt und sofort getötet werden. Doch so banal sind Kampfdrohnen keineswegs, was man als Bilanz des langjährigen US-Drohnenkrieges festhalten muss. Dieser bedeutet nämlich in den Einsatzgebieten Terror gegen die Zivilbevölkerung, die hauptsächlich bei sogenannten „gezielten Tötungen“ als „Kollateralschaden“ davon betroffen ist. Im März 2019 hat das Oberverwaltungsgericht Münster auf eine Klage von Angehörigen solcher Drohnenopfer im Jemen festgestellt, dass die Bundesregierung ihre Schutzpflicht gegenüber dem Grundrecht auf Leben nicht erfüllt, wenn sie sich nicht vergewissert, ob eine hierbei erfolgende Nutzung der Air Base Ramstein im Einklang mit dem Völkerrecht steht. Doch die Bundesregierung hat darauf nur damit reagiert, Revision gegen dieses Urteil einzulegen.
Als völlig harmlos wurde auch bereits in den Anfangsjahren der Bundeswehr eine damals geplante Beschaffungsmaßnahme dargestellt. 1957 erklärte Bundeskanzler Adenauer, taktischen Atomwaffen seien nichts weiter als „eine Weiterentwicklung der Artillerie“. Daraus entwickelte sich eine breite gesellschaftliche Debatte, angestoßen durch renommierte Kernphysiker mit der „Göttinger Erklärung“ und Signalwirkung für eine mehrjährige Kampagne „Kampf dem Atomtod“.
Eine breite gesellschaftliche Debatte ist auch gemäß dem Koalitionsvertrag von 2018 darüber vorgesehen, inwieweit eine Beschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr mit ethischen, verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Fragen vereinbar ist. Derzeit deutet einiges darauf hin, dass dieses mit Alibi-Podiumsdiskussionen des BMVg in kleinerer Runde abgearbeitet werden soll, um damit den Zeitplan für eine Beschlussfassung durch den Bundestag noch Mitte des Jahres nicht zu gefährden. Im Windschatten der Corona-Krise könnte dieses durchaus gelingen. Nicht verhindern lässt sich allerdings, dass nach der Corona-Krise eine breite gesellschaftliche Debatte über notwendige neue Prämissen im Bundeshaushalt erfolgt. Dieses betrifft nicht nur das Gesundheitssystem hierzulande, sondern auch in Entwicklungsländern.
Der größte Auslandseinsatz der Bundeswehr ist derzeit und künftig Westafrika mit Schwerpunkt Mali. Nach offizieller Lesart soll dort islamistischer Terror bekämpft werden. Doch um was geht es in Westafrika wirklich? Für die Durchsetzung geopolitischer Interessen besonders von Frankreich und Deutschland werden ethnische Konflikte und Terrorismus in Westafrika als äußere Anlässe vorgeschoben. Die Probleme dort sind jedoch völlig anders gelagert. Zum einen spielt dort der Klimawandel immer mehr als Konfliktursache eine Rolle, zum anderen ist es das prekäre Gesundheitssystem, das bereits im Normalfall völlig unzureichend auf die zunehmenden Grundprobleme durch mangelnde Hygiene, Hunger und Unterernährung reagieren kann und durch den dort häufiger auftretenden Ebola-Virus völlig überfordert ist. Bereits 2014 bis 2016 stand Westafrika durch eine Ebola-Epidemie am Rande einer Pandemie. Seit 2018 werden neue Ebola-Fälle aus dem Kongo gemeldet, aktuell kaum beachtet im Schatten der Corona-Pandemie. Hilfreich wären hier entwicklungspolitische Hilfestellungen durch die deutsche Politik, die weniger finanzielle Ressourcen beanspruchen würden als z.B. die Beschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr. Angesichts der aktuellen innenpolitischen Debatte in Deutschland zur ethischen Verpflichtung, im Kampf gegen den Corona-Virus alles zu tun, um Menschenleben zu retten, stellt sich die Frage nach doppelten Standards bei diesen Grundsätzen.
Geht es in Afrika darum, „unsere Soldaten“ bei Militärmissionen zu schützen, deren Sinnhaftigkeit bzw. tatsächliche Zielsetzung öffentlich bisher kaum debattiert wird oder (auch) um die dort lebenden Menschen und tödliche Gefahren wie z.B. den Ebola-Virus?
Die Ramstein-Kampagne hat in den letzten fünf Jahren rund um die Air Base Ramstein gegen deren Nutzung für den US-Drohnenkrieg protestiert, um eine breite öffentliche Debatte über dessen ethische, völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Aspekte anzustoßen. In diesem Jahr wird dieser Protest Ende September in Berlin stattfinden, d.h. an dem Ort, wohin nach der Corona-Pandemie eine breite gesellschaftliche Debatte über viele Grundsatzfragen künftiger Prioritäten und politischer Veränderungen adressiert werden muss. Die geplante Beschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr muss Teil dieser Debatte werden.
Artikel von Karl-Heinz Peil