PRO ASYL/RSA erstreitet Erfolg vor Gericht
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ordnet die Überstellung von vulnerablen Schutzsuchenden aus Moria, vertreten durch PRO ASYL /Refugee Support Aegan (RSA) in eine menschenwürdige Unterbringung an. Der Gerichtshof gewährt vorläufige Maßnahmen (Rule 39) im Fall E.I. u.a. gegen Griechenland, um die sofortige Überstellung von insgesamt acht Personen aus Moria in eine angemessene Unterkunft sicherzustellen. Das Gericht fordert, dass eine Unterkunft im Einklang mit Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention zur Verfügung gestellt und dass die medizinische Behandlung den physischen und medizinischen Bedürfnissen der Antragsteller*innen entsprechend sichergestellt wird.
Zu den Schutzsuchenden gehören ein schwerkranker Mann aus Afghanistan mit Familie, ein Folteropfer aus Syrien, sowie ein Kleinkind und dessen Eltern aus Afghanistan. Diese wichtigen rechtlichen Erfolge haben einen hohen Preis. Um einen Menschen aus dem Albtraum Moria zu retten, braucht es mittlerweile einen massiven Personal- und Ressourceneinsatz. Bei allen erfolgreichen Klagen müssen umfassende Schriftsätze bezogen auf die Vulnerabilität und die Erkrankung der Schutzsuchenden verfasst werden und detaillierte medizinische Befunde vorgelegt werden. Insgesamt acht Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan dürfen jetzt durch die angeordneten Maßnahmen aus Straßburg den »Hotspot« Moria verlassen und müssen menschenwürdig untergebracht werden. Weitere Einzelfälle werden folgen.
Eine alleinstehende 65-jährige Frau aus Afghanistan mit Diabetes darf vorerst das Lager nicht verlassen. Unser Team in Lesbos muss nun im Chaos von Moria und in Zeiten der Pandemie weitere medizinischen Gutachten beschaffen, um die Flüchtlingsfrau aus der Schutzlosigkeit zu befreien. Angesichts der katastrophalen Gesundheitsversorgung, dem Mangel an medizinischem Personal und der bestehenden Corona- Bewegungsrestriktionen ist dies nahezu unmöglich.
Karl Kopp, Leiter der Europa-Abteilung von PRO ASYL: »Es ist Ausdruck einer niederträchtigen Asylpolitik, dass in Ungarn unsere Partner*innen vom Hungarian Helsinki Komitee immer wieder gezwungen sind, die Essensversorgung von Schutzsuchenden in den sogenannten Transitzonen vor dem Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg zu erstreiten. Ähnlich nun in Griechenland: Unseren Kolleginnen gelingt es aktuell, lediglich die umfassend dokumentierten kranken Flüchtlinge aus den menschenunwürdigen Verhältnissen aus den Hotspots oder unbegleitete Minderjährige aus der Haft zu klagen. Zynisch zusammengefasst: So sehen heute Erfolge aus.«
Dies zeigt, wie dramatisch sich die flüchtlings- und menschenrechtliche Situation in der EU verschärft hat. Weil in den EU-Hotspots auf den griechischen Inseln nur Elend, Chaos und Willkür vorherrschen, müssen Mindeststandards der Rechtsstaatlichkeit, des Gesundheitsschutzes und der Menschenwürde vor internationalen Gerichten erstritten werden. Das ist die bittere Seite dieser sehr wichtigen Einzelfallerfolge.
Weil aber niemand diesen unmenschlichen Bedingungen auf Lesbos, Samos, Chios etc. ausgesetzt werden darf, sind diese Klagen durch alle Instanzen absolut notwendig.
Die Bedingungen in den EU-Hotspots setzen alle Schutzsuchenden weiterhin einer enormen Gefahr aus. Die Corona-Pandemie macht die vollständige Räumung der Lager zum Gebot des Gesundheitsschutzes und der Menschlichkeit dringend notwendig. Nur die komplette Evakuierung der Lager kann den Verlust von Menschenleben verhindern. Niemand darf im Elend zurückgelassen werden