Der einst von Europa ausgehende Kolonialismus mit seiner egoistischen Arbeitsteilung und Europas Waffenproduktion schlägt mit Flüchtlingswellen zurück. Welch ein rückschrittlicher und tragischer Verlauf. Europa war einst Quelle und Ausgangspunkt humanistischer Aufklärung.
Doch theoretische Erörterungen helfen den Unglücklichen in den Lagern an der Südgrenze Europas im Moment nicht.
Nachdem der türkische Präsident Erdogan Anfang März drohte, im Zusammenhang mit den Kämpfen um das syrische Gebiet Idlib seine Grenzen zu öffnen, war ein neuer Schub von Flüchtlingen zu erwarten. Die Lager in der Türkei sind mit Tausenden von hoffnungslosen Afrikanern bereits überfüllt.
Auf einer GROKO Sitzung in der ersten Märzwoche spürte sich die Bundeskanzlerin in der Pflicht, und sie verkündete sofort einige 100 unbegleitete Kinder in Deutschland aufzunehmen. Auch Berliner Landespolitiker der Linken signalisierten Möglichkeiten und Bereitschaft für humanitäre Hilfe. Unterkünfte stünden sofort bereit.
Die bekanntlich langsamen Mühlen der Bürokratie sollten sich in Gang setzen. Nach gut 3 Wochen berichtete eine kurze dpa Meldung (Berliner Zeitung, Nr.75 vom 28./29.3.2020), dass Innenminister Seehofer, mit Blick auf die EU Kommission, Bewegung in der Sache sieht. Er sähe Fortschritte.
Das bedeutet, dass noch kein Transport mit Flüchtlingen unterwegs ist und notwendige Entscheidungen auf die politische Bürokratie abgeschoben werden. Menschen frieren weiter und hausen in den Lagern weiter. Von humaner Solidarität nichts zu spüren.
Grenzen sind keine Erbmasse der Urgemeinschaft. Die wurden erst mit egoistischen Gesellschaftsordnungen der Mächte und des Geldes, meist nach Kriegen eingeführt. Der Aufklärer und Philosoph J.J. Rousseau beschreibt den Vorgang so:
„Derjenige, der als erster ein Stück Land eingezäunt hatte, und es sich einfallen ließ, zu behaupten, das Land gehört ihm und er Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, ist der eigentliche Gründer herrschaftlicher Ordnungen“.
Als 1989 die Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten geöffnet wurde, bejubelten viele Menschen in Deutschland und der Welt das humane Ereignis als Zeichen einer neuen Epoche. Einige als Sieg des alten Systems. Als Grenzen um Palästina und im Norden Mexikos undurchlässiger wurden, kam kaum Jubel auf, leider auch viel Schweigen.
Hoffnung bringt eine Meldung der Berliner Zeitung vom 28./29. März. Ihr Magazin widmet sich der internationalen Solidarität unter dem Titel „Sterben lassen ist keine Option“, auch nicht in Zeiten der Corona-Pandemie.
Die Zeit ist reif, dass das 21. Jahrhundert eine Epoche wird, in der Ursachen der Kriege, wirtschaftsbedingter Ungleichheiten und der Zerstörung der Natur von humanen Alternativen beseitigt werden.