Ein Team aus Forschung und Technik der Philipps-Universität Marburg und des Universitätsklinikums Gießen und Marburg (UKGM) hat innerhalb weniger Tage zwei Typen von Beatmungsgeräten entwickelt, die schnell und vergleichsweise preisgünstig hergestellt werden können. Sie sollen in der Corona-Pandemie zum Einsatz kommen können, falls in den Kliniken die Patientenzahlen steigen und die Zahl regulärer Beatmungsplätze nicht ausreicht. Die Wissenschaftsministerin hatte kurzfristig einen Zuschuss von 10.000 Euro für die Entwicklungsphase bereitgestellt.
Einfache wie geniale Idee
„Ich bin sehr beeindruckt von der so einfachen wie genialen Idee, auf Basis von Geräten zur Behandlung von Schlafapnoe sowie von Beatmungsbeuteln zur Erstversorgung Apparate zu entwickeln, die bei starker Belastung der regulären Beatmungsplätze deutliche Entlastung bringen können“, erklärt Wissenschaftsministerin Angela Dorn. „Vor allem lässt mich staunen, dass ein solches Konzept innerhalb von wenigen Tagen einen Stand erreicht hat, der aus Sicht auch von Ärztinnen und Ärzten bereits einsatzreif ist. Jetzt geht es darum, die Geräte schnell in einer ausreichenden Stückzahl zu produzieren, damit sie rechtzeitig in den Krankenhäusern zur Verfügung stehen.“
Von der Schlafapnoe-Behandlung zum Beatmungsgerät
So genannte CPAP-Geräte gibt es in rund zwei Millionen deutschen Haushalten unter anderem zur Behandlung von Schlafapnoe. Das Marburger Team um den Physiker Prof. Dr. Martin Koch hat sie nach einer Idee aus dem Schlafmedizinischen Zentrum in Marburg mit Bauteilen für rund 50 Euro so erweitert, dass sie zur künstlichen Beatmung eingesetzt werden können. Für die Erstversorgung schwerer Covid-19-Fälle mit starker Atemnot sind sie nicht geeignet, wenn aber Patientinnen und Patienten auf dem Weg der Genesung weniger intensiv beatmet werden müssen, könnten sie zum Einsatz kommen und klinische Beatmungsplätze wieder für akute Fälle frei werden. Derzeit sucht das Team nach Produktionsmöglichkeiten. Die Eisengießerei Fritz Winter in Stadtallendorf wird eine erste Kleinserie in ihrer Ausbildungswerkstatt bauen. Koch hofft vor allem auf Betriebe im Werkzeug- und Maschinenbau, die wegen unterbrochener Produktionsketten Leerläufe haben und bereit sind, zum Selbstkostenpreis Teile zu produzieren.
Zweites System aus Beatmungsbeuteln
Das zweite System beruht auf „AmbuBags“, Beatmungsbeuteln, die normalerweise im Bereich der ersten Hilfe zur Beatmung eingesetzt werden. Sie bestehen aus einer Maske, die mit einer Hand auf das Gesicht der Patientinnen oder Patienten gedrückt wird, und einem Ballon, der mit der anderen Hand geknetet wird. Mit einfachen Komponenten aus dem Baumarkt und dem Elektrohandel bauen die Techniker aus Marburg die Geräte so um, dass eine Mechanik das Pumpen übernimmt. Das Team will mit der öffentlich verfügbaren Bauanleitung ermöglichen, dass die Geräte weltweit in größeren Stückzahlen nachgebaut werden und vor allem in Ländern mit schlecht aufgestellter medizinischer Versorgung zum Einsatz kommen können.
Kontakt zum Projekt: Prof Dr. Martin Koch, Tel.: 06421-2822263, breathing.project@physik.uni-marburg.de