Erstmals erklärte der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen (das UN Human Rights Committee), dass Länder keine Personen ausweisen dürfen, die aufgrund von Auswirkungen des Klimawandels aus ihrer Heimat flüchten und im Ausland um Asyl ansuchen.
Das Recht auf Leben in Würde
Der Ausschuss gelangte zu dem Schluss, dass durch den Klimawandel verursachte Schäden sowohl durch plötzliche Ereignisse (wie starke Stürme und Überschwemmungen) als auch durch langsame Prozesse (wie Anstieg des Meeresspiegels, Versalzung und Landverschlechterung) verursacht werden können und sowohl plötzliche Ereignisse als auch langsame Prozesse Menschen dazu veranlassen können, Grenzen zu überschreiten, um Schutz vor Schäden im Zusammenhang mit dem Klimawandel zu suchen.
Wer deshalb einen Asylstatus beantragt, für den entfällt darüberhinaus auch die Pflicht, einen Nachweis zu erbringen, in seinem Heimatland unmittelbar geschädigt oder bedroht zu sein.
Der Menschenrechtsausschuss (MRR) stellte fest, dass die Auswirkungen des Klimawandels eine „Nichtzurückweisungsverpflichtung der Empfangsstaaten auslösen können“; etwa angesichts der Gefahr, dass ein ganzes Land unter Wasser gerät. Die Lebensbedingungen in einem solchen Land können mit dem Recht auf ein Leben in Würde unvereinbar werden, sogar bevor das Risiko erkannt wird.
In its first ruling on a complaint by an individual seeking asylum from the effects of climate change, the UN Human Rights Committee has stated that countries may not deport individuals who face climate change-induced conditions that violate the right to life. United Nations; 21. Januar 2020
Die internationale Gemeinschaft und die 172 Staaten, welche den „Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte“ mitunterzeichnet haben, müssen bei der Unterstützung der vom Klimawandel betroffenen Länder eine verantwortungsbewusste Rolle spielen.
Versinkende Inseln als Asylgrund
Hintergrund des Beschlusses war die an den MRR verwiesene Beschwerdeklage von Ioane Teitiota und seiner Familie aus dem von steigendem Meeresspiegel bedrohten Inselstaat Kiribati [1]. Dessen Asylantrag wurde 2015 in Neuseeland abgelehnt.
Teitiota argumentierte in seiner Beschwerde, dass die Auswirkungen des Klimawandels Kiribati für alle seine Bewohner unbewohnbar gemacht hätten, woraufhin es zu gewaltsamen Landstreitigkeiten kam, weil das bewohnbare Land immer knapper wurde. Außerdem sei die Süßwasserversorgung durch die Verseuchung mit Salzwasser praktisch nicht mehr gegeben.
Der Ausschuss stellte zwar fest, dass die neuseeländischen Gerichte in diesem speziellen Fall richtig entschieden hätten, da in Kiribati ausreichende Schutzmaßnahmen getroffen worden seien. „Dennoch“, sagte Komitee-Experte Yuval Shany, „setzt dieses Urteil neue Maßstäbe, die den Erfolg künftiger Asylanträge im Zusammenhang mit dem Klimawandel erleichtern könnten“.
Dieses Urteil markiere die erste Entscheidung eines Menschenrechtsgremiums der Vereinten Nationen, dass das Ansuchen um Asyl vor den Auswirkungen des Klimawandels prinzipiell gerechtfertigt ist.
Kurswechsel in der Klima- und Asylpolitik
Klimawandelfolgen gehören weltweit zu den häufigsten Fluchtursachen oder sind zumindest mitverantwortlich für Armut, Hunger und kriegerische Konflikte. Jedes Jahr fliehen fast doppelt so viele Menschen vor Umweltkatastrophen wie vor Krieg. Denn es sind nicht nur die direkten Auswirkungen des Klimawandels wie Dürren, Überflutungen und unfruchtbarer Boden, die viele Menschen zu Abwanderung und Migration zwingen.
Durch Desertifikation gehen jährlich bis zu 120.000 Quadratkilometer fruchtbaren Bodens verloren. Dem steigenden Meeresspiegel in Kombination mit verheerenden Sturmfluten fielen erst jüngst die ersten Gebiete zum Opfer.
Als wäre dies nicht schrecklich genug, wird dort, wo lebenswichtige Ressourcen knapp werden, nutzbares Land oftmals auch noch in großem Stil von Konzernen aufgekauft und der Allgemeinnutzung entzogen. So wird der Klimawandel zum Vorläufer für soziale Konflikte. Wenn Wasser und fruchtbares Land immer knapper werden, eskalieren diese auch zu kriegerischen Auseinandersetzungen.
2015 mussten deshalb rund 20 Millionen Menschen ihre Heimat verlassen. Bis zum Jahr 2050 könnten es bereits 200 Millionen Menschen sein. Werden die Pariser Klimaziele von der Weltgemeinschaft verfehlt, wird sich bis zum Ende des Jahrhunderts bereits rund ein Viertel der gesamten Menschheit auf der Suche nach einer neuen, noch bewohnbaren Heimat befinden, so die Prognosen.
Eine Kategorisierung als „Umwelt-Flüchtling“ gab es bislang aber nicht einmal in der Genfer Flüchtlingskonvention. Wenigstes dies könnte sich nun ändern.
Robert Manoutschehri ist Fotograf, Journalist, Texter und Grafikdesigner aus Österreich. Er engagiert sich ehrenamtlich für zahlreiche Bürgerinitiativen und NGO’s und berichtet regelmäßig über die Entwicklungen auf dem afrikanischen Kontinent und die weltweiten Auswirkungen des Klimawandels. Er lebt in Wien.