Als die USA 1996 das Helms-Burton-Gesetz einführten, erließ die Europäische Union die Verordnung 2271/96. Darin ist klar definiert, dass die exterritoriale Wirkung der mit dem Helms-Burton-Gesetz verbundenen Sanktionen von der EU nicht anerkannt wird. Gemäß Artikel 1 der Verordnung gilt dieses Dekret in allen EU-Mitgliedsstaaten, ohne dass die einzelnen Länder noch nationale Gesetze zur Ausführung erlassen müssen.
Mit der Verordnung will die EU Firmen und Einzelpersonen, deren Interessen von den USA beeinträchtigt werden, in die Lage versetzen, sich durch Entschädigung schadlos zu halten.
Laut Artikel 2 sind alle Betroffenen verpflichtet, innerhalb von 30 Tage nach Bekanntwerden einer Beeinträchtigung ihrer Geschäftsbeziehungen die EU-Kommission darüber zu informieren.
Artikel 4 legt fest, dass Entscheidungen von außergemeinschaftlichen Gerichten oder Verwaltungsbehörden, – d.h. auch solchen aus den USA – nicht anerkannt werden und nicht vollstreckbar sind.
Der Artikel 5 verbietet es in der EU ansässigen Personen und Unternehmen, Anweisungen oder Forderungen von US-Stellen, die auf den illegalen Blockadegesetzen beruhen, nachzukommen. Geschieht das trotzdem, können die Geschädigten es der EU melden, da sie eventuell Anspruch auf Entschädigung haben.
Der Schadensersatz kann nach Artikel 6 auch durch »Beschlagnahme und den Verkauf von Vermögenswerten … einschließlich der Aktien« des Schädigers durchgesetzt werden.
Artikel 9 verpflichtet jeden Mitgliedsstaat der EU, für den Fall einer Zuwiderhandlung gegen Vorschriften der Verordnung Sanktionen festzulegen. Diese Sanktionen »müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein«.
Die Rechtslage ist also klar.
Doch welche Konsequenzen hat das? Diese Verordnung hilft in der Praxis wenig, denn in den internationalen Handelsbeziehungen geht Macht vor Recht. Die US-Gesetze gelten zwar bei uns nicht, aber sie wirken. Es ist die Angst vor dem Zerstörungspotential der militärischen, industriellen, finanziellen, technologischen, medialen und geheimdienstlichen Supermacht USA und deren arroganter Politik, die unter Trump einen neuen Höhepunkt erreicht hat.
Die aggressive völkerrechtswidrige USA-Politik und die Unterordnung seitens der EU führt zu unglaublichen Konsequenzen, die in den marktbeherrschenden und kapitalabhängigen Medien nicht oder kaum erwähnt werden. Deshalb ist es angebracht, einige Beispiele anzuführen.
Wegen Verletzung der Finanzblockade Kubas durch die USA, die darauf abzielt, Kuba den Zugang zu konvertierbaren Währungen zu verwehren, um das Land wirtschaftlich zu erdrosseln, wurden von USA-Behörden Strafzahlungen verhängt und einkassiert, obwohl – wie dargelegt – laut EU-Verordnung diese Beschlüsse in der EU nicht anerkannt werden und nicht vollstreckbar sind:
- 2014 PNB Paris 8,9 Milliarden Dollar
- 2015 Credit Agricole 787 Millionen Dollar
- 2015 Commerzbank 1,71 Milliarden Dollar, wobei pikant ist, dass die BRD zu 15% Eigentümer der Commerzbank ist.
- 2018 Societé Generale 1,34 Milliarden
- 2019 die Uni Credit Group 1,3 Milliarden Dollar
Erst kürzlich stellte die Schweizer Bank Postfinance den Zahlungsverkehr mit Kuba aus Angst vor USA-Repressalien ein, so dass die Schweizer Solidaritätsgruppe MediCuba-Schweiz kein Geld mehr für ihre Entwicklungsprojekte in Kuba überweisen kann. Auch die Postbank weigerte sich, das Abo-Geld für die Granma Internacional nach Kuba zu überweisen. Darüber hinaus gibt es weitere Beispiele, ganz zu schweigen von den Unternehmen und Personen, die es aus Angst vor solchen Sanktionen unterlassen, Beziehungen zu Kuba, egal welcher Art, aufzunehmen oder auszubauen.
Es gibt auch Beispiele, die ans Lächerliche grenzen. Lange Zeit bestellte eine deutsche Angestellte der kubanischen Botschaft in Berlin Sachen bei Amazon mit Lieferadresse der kubanischen Botschaft in der Stavanger Straße. Dann kam die Mitteilung von Amazon, dass nicht mehr an diese Adresse eines kubanischen Empfängers geliefert wird. Daraufhin bestellte die Angestellte die Sachen an ihre Privatadresse, aber es dauerte nicht lange, da wurden ihr Amazon-Konto und das ihres Mannes gesperrt.
Ob nun Banken, Amazon oder Bundesregierung, sie alle kuschen vor der Macht der USA, statt das Recht durchzusetzen. Und es ist durchaus möglich zu widerstehen.
Als die österreichische Bank Bawag nach Übernahme durch einen US-Fonds die Konten und Depots von rund 200 kubanischen Kunden kündigte, bezeichnete die österreichische Regierung das als ungesetzlich und leitete ein Verfahren gegen die Bawag ein. Daraufhin nahm die Bank ihre Entscheidung zurück. Die EU-Verordnung lässt sich also durchaus durchsetzen, wenn der politische Wille dafür vorhanden ist. Dieser fehlt offensichtlich bei der gegenwärtigen Bundesregierung und hat auch bei allen vorangegangenen Bundesregierungen mit unterschiedlicher Parteienzusammensetzung gefehlt.
Es ist höchste Zeit, diese Unterwürfigkeit gegenüber völkerrechtswidrigen USA-Sanktionen anzuprangern (zur Sprache zu bringen – mildere Ausdrucksform). Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung gegenüber den USA als wahrhaft unabhängiger und souveräner Staat auftritt, indem sie die in ihrem Lande geltenden Bestimmungen nicht missachtet, sondern diese durchsetzt.
Die Bundesregierung ist aufgerufen, ihrer Stimme gegen die US-Blockade in der UNO konkrete Taten in Ausführung der EU-Verordnung folgen zu lassen. Wenn der normale Bürger gegen Verordnungen und Gesetze verstößt, wird er prompt zur Verantwortung und Rechenschaft gezogen und bestraft. Wir dürfen es nicht zulassen, dass die Bundesregierung ungestraft gegen ihre eigenen Gesetze verstößt. Das ist eines Rechtsstaates unwürdig. Wir müssen verlangen, dass Recht und Gesetz auch beim Umgang mit völkerrechtswidrigen USA-Maßnahmen durchgesetzt werden.
Es liegt an uns, Druck – außerparlamentarisch und im Bundestag – auf die Bundesregierung auszuüben, endlich auch dann Gesetz und Recht durchzusetzen, wenn es um Kuba und die völkerrechtswidrige Handels-, Wirtschafts- und Finanzblockade der USA gegen dieses Land geht, das als unabhängiges und souveränes Land einen eigenen, von den USA unabhängigen Entwicklungsweg beschreiten will.
Beitrag von Gerhard Mertschenk