Frankreichs oft als unorganisiert, verstreut und sogar gewalttätig angesehene Gelbwesten-Bewegung hat mit ihrem Durchhaltevermögenviele überrascht. Ein Jahr nachdem die Bewegung am 17. November 2018 entstanden ist, treffen sich viele der Aktivisten und Aktivistinnen immer noch regelmäßig, organisieren und protestieren, trotz der Herausforderungen, denen sie sich in den letzten zwölf Monaten stellen mussten. Tatsächlich sind die Gelbwesten für viele französische Staatsbürger und -bürgerinnen ein Symbol bürgerschaftlichen Engagements geworden.
„Wenn du die Verkehrskreisel nicht besuchst, nicht zu den Protesten gehst, wenn du keine Leute triffst, dann weißt du einen Scheiß, und du denkst, dass die Gelbwesten am Ende sind, dass sie keine Forderungen haben, dass sie ihren Sinn verloren haben. Aber wir demonstrieren immer noch. Unsere Forderungen haben sich nicht geändert.“ (Stéphanie)
Obwohl heutzutage weniger Menschen an Gelbwesten-Demonstrationen teilnehmen, ist die Bewegung immer noch stark. In meiner ethnographischen Studie über die Bewegung in der Lyon-Region, konnte ich beobachten, dass das Engagement der Bewegung oft über Proteste hinausgeht. Sie besetzen Verkehrskreisel und durchbrechen Mautstationen. Tatsächlich berichten Teilnehmer und Teilnehmerinnen, dass sie dieses Jahr für nichts Anderes Zeit hatten.
Mit der Zeit ist eine gewisse Routine in die Versammlungen eingekehrt. Die Gelbweste Margot, beschreibt diese Routine in unserem Interview diesen Sommer als ein „Aktivisten-Regime“.
An Aktionen teilnehmen, Flugblätter verteilen, Obdachlosen helfen – dies sind die Aktivitäten, die die tägliche Routine des „gelben Aktivismus“ ausmachen. Während eines Treffens zu Beginn des Schuljahres sprach Etienne darüber, wie die Tage des Handelns samstags letztendlich weniger intensiv wurden.
„Ich möchte, dass wir zu einer 9- bis-21-Uhr-Routine zurückkehren. Ein 12-Stunden-Tag, richtig? Wir müssen zeigen, dass wir noch da sind.“
Ein Flugblatt für einen der „Bürgerdialoge“, die von den Lyoner Gelbwesten zwischen Januar und Juni organisiert wurden. Das Ziel dieser Debatten ist es, offen und gemeinsam über ihre Forderungen nachzudenken. Dialoge wurden zu spezifischen Themen organisiert, so wie die Umwelt, die Wirtschaft, Steuern, soziale Gerechtigkeit, Demokratie und staatsbürgerliches Leben. (Bild: E. Lobbedez)
Außerhalb der Operationen am Boden sind die täglichen Leben der Gelbwesten um Diskussionen, Experimente mit direkter Demokratie, wöchentlichen Treffen, Konferenzen und Debatten organisiert. Zwischen Ratschlägen, was man lesen sollte, Entdeckung der Welt des Aktivismus und Tutorials über die Erstellung von Plakaten betonen viele, dass sie nie so viel gelernt haben, wie in der Zeit, seit sie sich der Bewegung angeschlossen haben.
Ein Jahr des Kampfes
„Manche Menschen sind jetzt gegen das Tragen der gelben Westen… Ich sage nicht, dass sie Unrecht haben. Weil, letztendlich werden wir zu sehr stigmatisiert…“ (Julien)
Während dieses Jahres der Anstrengung war das Tragen der gelben Weste nicht immer einfach. Der Rückgang der Beteiligungen beeinträchtigte manchmal den Zusammenhalt und führte zu internen Spannungen. Mehrere Streitgespräche belasteten die Versammlungen, vor allem über das weitere Vorgehen. Sollten Demonstranten und Demonstrantinnen, um eine Demonstrationsgenehmigung bitten? Würde der Zusammenschluss mit anderen Bewegungen helfen, die Aktionen zu stärken? Was würde das in der Praxis mit sich bringen?
Durch die Berichte vieler Medien, die die Gewalttätigkeit der Demonstranten und Demonstrantinnen betonen, haben die Gelbwesten eine andere Art des Symbolismus für Menschen außerhalb der Bewegung angenommen. Dies behindert manchmal die Bemühungen der Bewegung.
In einigen Fällen bedeutet diese Berichterstattung sogar eine Abschreckung für Kollaborationen mit anderen Bewegungen, wie zum Beispiel während der Klimamärsche, besonders Anfang Januar. Einige Gelbwesten-Demonstranten und -Demonstrantinnen fühlten sich nicht willkommen und hatten den Eindruck, dass sie nur dort waren, um die Teilnehmerzahlen zu erhöhen, nicht aus Solidarität ihren Forderungen gegenüber.
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