Die Einteilung von Menschen in Rassen wird von der modernen Genetik widerlegt. Gegen falsche biologistische Vorstellungen aus unrühmlichen Zeiten der Wissenschaft haben sich deshalb nun explizit deutsche Wissenschaftler in der „Jenaer Erklärung“ ausgesprochen.
„Das Konzept der Rasse ist das Ergebnis von Rassismus und nicht dessen Voraussetzung“. So lautet die Überschrift der sogenannten „Jenaer Erklärung„, die vergangene Woche anlässlich der 112. Jahrestagung der Deutschen Zoologischen Gesellschaft in Jena von Zoologen, Evolutionsforschern und Genetikern vorgestellt wurde.
„Die Idee der Existenz von Menschenrassen war von Anfang an mit einer Bewertung dieser vermeintlichen Rassen verknüpft, ja die Vorstellung der unterschiedlichen Wertigkeit von Menschengruppen ging der vermeintlich wissenschaftlichen Beschäftigung voraus“, heißt es in der Erklärung. „Die vorrangig biologische Begründung von Menschengruppen als Rassen – etwa aufgrund der Hautfarbe, Augen- oder Schädelform – hat zur Verfolgung, Versklavung und Ermordung von Abermillionen von Menschen geführt. Auch heute noch wird der Begriff Rasse im Zusammenhang mit menschlichen Gruppen vielfach verwendet. Es gibt hierfür aber keine biologische Begründung und tatsächlich hat es diese auch nie gegeben.“
Den Anstoß für die Jenaer Erklärung bildete der Jahrestag des Todes des Jenaer Forschers Ernst Haeckel, der sich in diesem Jahr zum einhundertsten Mal jährte. Haeckel hatte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts „durch seine vermeintlich wissenschaftliche Anordnung von Menschen’rassen‘ in einem ‚Stammbaum‘ in fataler Weise zu einem angeblich wissenschaftlich begründeten Rassismus beigetragen“.
Umso wichtiger ist es den Wissenschaftlern, die die Jenaer Erklärung abgaben, festzuhalten, dass insbesondere die moderne Forschung das Vorhandensein unterschiedlicher biologischer Menschenrassen nicht bestätigt. Zwar gebe es äußere Unterschiede zwischen Menschenpopulationen unterschiedlicher geographischer Regionen, doch seien sie sich genetisch insgesamt zu ähnlich, als dass es gerechtfertigt wäre, von unterschiedlichen Rassen zu sprechen. „Festzulegen, welche taxonomische Unterschiedlichkeit bzw. genetische Differenzierung ausreichend wäre, um Rassen bzw. Unterarten zu unterscheiden, ist (…) rein willkürlich und macht damit auch das Konzept von Rassen/Unterarten in der Biologie zu einem reinen Konstrukt des menschlichen Geistes. Das heißt nicht, dass es keine genetische Differenzierung entlang eines geographischen Gradienten geben kann, doch ist die taxonomische Bewertung dieser Differenzierung (als Rasse oder Unterart oder eben nicht) willkürlich“, heißt es dazu in der Erklärung.
Insbesondere beim Menschen seien die größten genetischen Unterschiede innerhalb einer Population zu finden und nicht zwischen den Populationen. „Die höchste genetische Vielfalt findet sich auch heute noch bei Menschen auf dem afrikanischen Kontinent“, heißt es in der Jenaer Erklärung. „Dort liegen die Wurzeln und die meisten Verzweigungen im menschlichen Stammbaum. Auf einem dieser Äste fallen die Menschen Ostafrikas und alle Nicht-Afrikaner zusammen. Menschen außerhalb Afrikas sind somit näher verwandt mit Menschen aus Ostafrika, wie den Hadza, als diese mit Menschen aus Südafrika, z.B. mit den Khoisan. Aus stammesgeschichtlicher Sicht sind somit alle Menschen Afrikaner. Es ist deshalb geradezu paradox von ‚dem Afrikaner‘ zu sprechen oder aus welchem Grund auch immer von ‚Schwarzafrikaner‘. Hier handelt es sich um ein Relikt kolonialer Sprache und Denkens und es gilt wieder: Rassismus macht Rassen.“
Aus genetischer Sicht gebe es im Genom des Menschen „keinen einzigen fixierten Unterschied, der zum Beispiel Afrikaner von Nicht-Afrikanern trennt. Es gibt – um es explizit zu sagen – somit nicht nur kein einziges Gen, welches ‚rassische‘ Unterschiede begründet, sondern noch nicht mal ein einziges Basenpaar“. Äußere Merkmale, an denen Rassisten ihre Abwertung von bestimmten Menschengruppen festmachen, seien oberflächliche und biologisch leicht wandelbare Anpassungen an geographische Gegebenheiten. Bis vor 8000 Jahren seien die Menschen in Europa noch „stark pigmentiert“ gewesen. Erst durch die Einwanderung von Menschen mit hellerer Hautfarbe aus Anatolien und dem damit einsetzenden Beginn der Landwirtschaft habe sich dies geändert, da es sich bei einer stark pflanzenbasierten Kost im dunklen Winter Europas als evolutionärer Vorteil erwies, hellere Haut zu haben und damit genügend Vitamin D produzieren zu können.
„Die helle Hautfarbe der Menschen im nördlichen Europa ist jünger als 5000 Jahre“, hält die Jenaer Erklärung fest. „Die Verknüpfung von Merkmalen wie der Hautfarbe mit Eigenschaften oder gar angeblich genetisch fixierten Persönlichkeitsmerkmalen und Verhaltensweisen, wie sie in der Blütezeit des anthropologischen Rassismus verwendet wurden, ist inzwischen eindeutig widerlegt. Diese Argumentation heute noch als angeblich wissenschaftlich zu verwenden, ist falsch und niederträchtig. Es gibt auch keinen wissenschaftlich nachgewiesenen Zusammenhang zwischen Intelligenz und geographischer Herkunft, aber einen deutlichen mit sozialer Herkunft.“
„Eine bloße Streichung des Wortes ‚Rasse‘ aus unserem Sprachgebrauch wird Intoleranz und Rassismus nicht verhindern“, erklären die Wissenschaftler. Umso wichtiger sei es jedoch, immer wieder darauf hinzuweisen, dass es Menschenrassen im biologischen Sinne nicht gebe und dass es sich dabei um eine anthropologische Konstruktion auf der Grundlage willkürlich gewählter Eigenschaften wie Haar- und Hautfarbe handelt, die dazu diente und dient, offenen und latenten Rassismus mit angeblichen natürlichen Gegebenheiten zu begründen. Die Jenaer Erklärung endet daher mit einem Appell:
„Sorgen wir also dafür, dass nie wieder mit scheinbar biologischen Begründungen Menschen diskriminiert werden und erinnern wir uns und andere daran, dass es der Rassismus ist, der Rassen geschaffen hat und die Zoologie/Anthropologie sich unrühmlich an vermeintlich biologischen Begründungen beteiligt hat. Der Nichtgebrauch des Begriffes Rasse sollte heute und zukünftig zur wissenschaftlichen Redlichkeit gehören.“