Ist die Angst vor der Freiheit zerstört, zerfallen die Götter der Macht und ihre Hilfsfetische. Die Jugend füllt die Arterien ganz Chiles, mit so vielen Motiven wie es strahlende Sterne gibt.
Es ist nicht mehr nur Santiago, noch das Metroticket, noch die Student*innen. Entlang des zwischen Meer und Gebirge verengten Landes sind auch Hafenarbeiter und Bergleute von La Escondida dazugekommen. Am Dienstag, den 22. Oktober, wurde der nationale Streik von den Mitarbeitern des Gesundheitswesens ausgerufen, einem Gebiet, das durch den Mangel an Budget völlig zerstört wurde und das tragischerweise für die tausenden von Patienten bekannt ist, die gestorben sind, während sie auf ihre Behandlung gewartet haben.
Es ist nicht möglich, über alle Momente des Widerstands und des Kampfes zu berichten, die am 21. Oktober stattfanden und noch immer stattfinden. Historisch sind die Anzahl der Gefangenen (allein am 21. Oktober wurden offiziell mehr als 1500 Personen gezählt), der Verwundeten, die von der Polizei Gefolterten, der Verwandten, die nach verschwundenen Demonstranten suchen, und der Ermordeten.
Sebastián Piñera und die zentrale Verwaltung des oligarchischen, politischen und militarisierten Staats Chiles, stehen selbst den dominierenden Klassen im Weg – die Börse ist um 4 Prozent gefallen. Die Wahrheit ist, dass der Status des Landes von der Schwerkraft in die Tiefe gezogen wird und für kapitalistische Investitionen in ein schlechtes Licht gerückt ist.
Die Institutionalisierung verfehlt immer wieder das Ziel. Am Montag kamen die Präsidenten der Oppositionsparteien (von den Christdemokraten über Frente Amplio (Wahlbündnis Breite Front) bis hin zur Kommunistischen Partei) am Hauptsitz der Zentralunion der Arbeitnehmer (CUT) in der Hauptstadt zusammen, um einen Vorschlag für eine gemeinsame politische Lösung zu finden, jedoch ohne Erfolg. Aus diesem Grund trafen sie sich am 22. Oktober erneut. Am selben Hauptsitz fand eine Vollversammlung der Gewerkschaften und Gilden statt.
Währenddessen beginnt Piñera, die Einsamkeit und Feindseligkeit seiner ehemaligen Anhänger zu spüren. In nationalen Fernsehsendern sprach er von einem Krieg gegen eine Entelechie, welche übernatürliche Pläne, Organisationen und Kräfte haben würde, wobei er nicht erklärte, was sie genau ist. Ihm wurde die alte, terroristische Rhetorik des inneren halluzinatorischen Feindes nicht einmal vom Chef der nationalen Sicherheit, General Iturriaga del Campo, geglaubt, der von Piñera selbst in die Sonderposition ernannt wurde, welche für solche Fälle wie Notstände und Ausgangssperren zuständig ist. Der Soldat, ein Spezialist für die Kriegslehre, sagte am nächsten Morgen: “Ich bin glücklich und habe keine Feinde“. Stunden zuvor hatte sich bereits eine “liberalere” Fraktion der Rechten, mit der Stimme von Carlos Peña, im Fernsehen vom obskurantistischen Diskurs distanziert. Einer nach dem anderen äußerten sich die Führer verschiedener Sektoren über politische Risse und Piñera kommt zunehmend in Bedrängnis.
Internationale Solidarität, die Geschwisterlichkeit der Völker und die Hand, die den unverwüstlichen Geist der Bevölkerung im Kampf nährt, vervielfachten sich weltweit, wie das Brot, das verteilt wurde. Und auch der Mapuche Widerstand streckte seine Hand aus. Diplomatie der Völker, wird es genannt.
Wenn die Realität nur Flüchtigkeit, Unsicherheit und friedlicher Kampf für die Eroberung der Sozial- und Menschenrechte ist, dann prallen, so wie am 21. Oktober dieses Jahres, im Zentrum von Santiago die reale Bewegung, der subjektive Faktor und die sozialen Kräfte in ihrem Protest gegen das Interesse der unbedeutenden Minderheit, welche sich an der Macht befindet, zusammen. Diese Menschheit besteht vor allem aus der Jugend mit ihrer liberalen Einstellung. Antimilitarist*innen stellen sich dem Militär entgegen, damit es in die Kaserne zurückkehrt, denn dies ist keine militärische Angelegenheit. Antifaschist*innen, die Argumente vorbringen und soziale Absicherung fordern.
Die Hoffnung brüllt im Taumel der Freiheit, in der Demokratie der gemeinschaftlichen Entscheidungen, im neuen und sozial geschaffenen Leben. Kein Objekt mehr, keine Ware mehr, sondern ein Subjekt des Protagonismus, mit Respekt vor der Natur und feministisch.
Dieser historische Wendepunkt ist in vollem Gange.
Artikel von Andrés Figueroa Cornejo, Foto von Claudia Aranda und Übersetzung aus dem Spanischen von Valerie Schwane Torres aus dem ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam.