Kürzlich hat eine deutsche Parlamentspartei ihr Militärprogramm verabschiedet. Es ist kein Geheimprogramm. Die Wähler, die am 1. September in zwei deutschen Ländern an die Urnen gingen, konnten es kennen. Sie haben sich mit bis zu 28 Prozent für diese Programmpartei entschieden. Sie will Deutschland weiter militarisieren.
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Die 28-Prozent-Partei fordert eine radikale „Restauration der Bundeswehr“. Die Wehrpflicht soll wieder eingeführt werden, die Truppengröße „auf 230.000 Soldaten anwachsen“ – im „ersten Schritt“. Zusätzlich werde ein Reservekorps gebraucht: mit 50.000 Soldaten. Das deutsche Militär, heisst es wörtlich „wird zum Einsatz im Inneren autorisiert.“
„Aufgaben im Ausland“ soll das deutsche Militär „an jedem Ort der Erde“ wahrnehmen. In Europa hab es „Anspruch auf eine militärische Führungsrolle“ – wegen „Deutschlands geographische(r) Lage und wirtschaftliche(m) Gewicht „. Oberste Führungsebene wird ein deutscher „Generalstab“.
Auch in der europäischen NATO soll Deutschland kommandieren.
Und schließlich: Als Kommandonation müsse Deutschland „Teilhabe“ an den „nuklearen Fähigkeiten“ der NATO verlangen. Anders ausgedrückt: Berlin soll an den Auslöser der französischen, eventuell auch der US-amerikanischen Atomwaffen, um NATO-Kriege auch nuklear führen zu können.
Der radikale Kern dieser Pläne ist durch die deutsche Verfassung nicht gedeckt. Die Neuauflage eines deutschen „Generalstabs“ wurde 1945 verboten. Das ist aber nicht das Entscheidende.
Entscheidend ist, daß es sich um die Ausgestaltung von Maßnahmen handelt, die in Berlin längst Praxis sind oder ernsthaft erwogen werden.
Ein konservatives deutschen Wochenblatt schreibt: „Viele“ sind in Berlin „geradezu besessen“ „von der Idee einer deutschen Führungsrolle – in der Europäischen Union, in Europa, ja sogar in der Welt“.
Das deutsche Militär und die „heimische“ Wehrindustrie dominieren die kontinentale Militärpolitik. Kein Staat mit Ausnahme Frankreichs ist heute im EU-Europa fähig, sein Territorium gegen militärische Übergriffe zu verteidigen, ohne daß ihm die deutsche Militärpolitik zu Hilfe kommt – den Fall beiseite gelassen, daß Deutschland selbst der Angreifer wäre, was in dem zitierten Militärprogramm bereits angedacht wird:
Denn die „Aufgaben im Ausland“ nimmt die Bundeswehr nicht nur „an jedem Ort der Erde“ wahr; sie greift aktiv über fremde Grenzen – auch „gegen den Willen anderer Staaten“, heißt es wörtlich.
Nicht wahr, das scheinen wilde Fantasien zu sein, und es ist richtig, sie besser nicht auszumalen.
Aber ein Staat wie der heutige deutsche, der angeblich nur von Freunden umgeben ist und an keiner Landesgrenze bedroht wird, warum militarisiert dieser Staat seine Außenpolitik in einem so radikalen Ausmaß? Radikal? Ja. Es ist kein Spaß, daß die heutige deutsche Verteidigungsministerin gemeinsam mit der deutschen Kanzlerin die Anschaffung eines eigenen Flugzeugträgers favorisiert – natürlich gemeinsam mit Frankreich… Als Vorhut gegen die Ängste vor dem deutschen Militarismus ist Frankreich immer gut.
Was soll eine deutsche „Schutzmission“ im Iranischen Meer (gemeinsam „mit Frankreich“)? Was hat die deutsche Marine vor der chinesischen Küste zu suchen („eventuell „mit Frankreich“)? Weswegen trifft die Bundeswehr Vorbereitungen für den „Winterkampf“ in der Arktis (auch ohne Frankreich)?
Die deutsche Militärpolitik möchte großmächtig sein. Das ist ernst gemeint. Dafür gibt es in Berlin eine parlamentarische Mehrheit. Das zitierte Militärprogramm will diesen Gleichklang fokussieren und überbietet ihn. Es begleitet die Militarisierung der deutschen Außenpolitik mit einem forschen Orchester, etwas zu laut, etwas zu schrill, aber es ist dasselbe Notenblatt.
Noch 1990 stemmten sich die westlichen Weltkriegssieger gegen den Alptraum eines vereinigten Deutschland, das seine Wirtschaftsmacht erneut ins Soldatische wenden könnte. Aber zu diesem Zeitpunkt war es bereits zu spät. Die Bundesrepublik, der Rammbock gegen den Osten, stand vor freiem Gelände, als die Mauer fiel. Die Einkaufsralley quer durch Europa, erst im Osten, dann auch im Westen, glich einem Rausch. Deutsche Soldaten stehen heute überall dort, wo die „Wertschöpfungskette“ intakt bleiben muss – wenn nötig, auch „gegen den Willen anderer Staaten“, wie es in dem zitierten Militärprogramm heißt.
Beim Kampf um Natur und deren letzte Ressourcen steigt die viertgrößte Wirtschaftsmacht auf die nächst höhere Stufe militärischer Deckung. Je höher sie steigt, desto tiefer der Fall.