Mit einer fünf Meter langen Lupe stand das Bündnis „Volksentscheid Transparenz” am 2. August vor dem Roten Rathaus und leitete mit einer Auftaktaktion den Start seiner Unterschriftensammlung ein. Ab dem 03.08. sammelt das zivilgesellschaftliche Bündnis Unterschriften für mehr Transparenz in der Berliner Politik und Verwaltung.
„Wir wollen von Anfang an deutlich machen, wie dringend Berlin mehr öffentliche Kontrolle durch mehr Transparenz braucht”, sagt Arne Semsrott Sprecher des Bündnisses, am Rande der Aktion. „Milliardenteure Desaster wie der BER-Flughafen und die Staatsoper zeigen die Notwendigkeit eines Berliner Transparenzgesetzes.”
Marie Jünemann, Vertrauensperson des Volksbegehrens, fügt hinzu: „Unser Ziel ist es, die Aktenschränke der Berliner Behörden zu öffnen, damit die Bürgerinnen und Bürger Einblicke in die Entscheidungen und das Handeln von Politik und Verwaltung bekommen und selbst aktiv werden können. Auf wichtige Fragen, zum Beispiel zum Wohnungsbau oder zur Schulsanierung, müssen Berlinerinnen und Berliner schnelle Antworten erhalten können.”
„Schon im vorigen Jahr hat sich anlässlich der so genannten Schulbauoffensive gezeigt, dass die Auslagerung von Maßnahmen an die Howoge in Höhe von mindestens 1,5 Mrd. € dazu führt, dass die dafür notwendigen Verträge z.B. zwischen den Bezirken und der Howoge nicht mehr einsehbar sind. Zwar handelt es sich um eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft, diese ist jedoch in Form einer GmbH organisiert und kann sich bei Nachfragen auf das Privatrecht berufen.“ gibt Hannelore Weimar, Vertrauensperson der Volksinitiative ‚Unsere Schulen‘ zu bedenken.
Ulrike von Wiesenau Pressesprecherin der Berliner Bürgerinitiative Wassertisch begrüsst die Einführung eines Transparenzgesetzes für Berlin: „Angesichts des neuen Sparhaushaltes in Berlin, der gesetzlichen Festlegung der Schuldenbremse und den gleichzeitigen Bemühungen zu deren Umgehung, ist zu befürchten, dass weitere Projekte der öffentlichen Daseinsvorsorge ins Privatrecht verschoben werden. Zwingend erforderlich ist daher ein Transparenzgesetz, das für die Veröffentlichung der Geheimverträge sorgt. Auch die etwa 200 privatrechtlich organisierten Unternehmen des Landes Berlin, darunter Wohnungsunternehmen, Investmentfirmen, Flughäfen und Krankenhäuser, müssten dann Informationen bereitstellen. Bisher sind sie vom Informationsfreiheitsgesetz des Landes ausgenommen.“
„Gerade auch ehrenamtliche Initiativen sind auf Informationen der Verwaltung angewiesen. Informationen sollten für alle kostenlos zur Verfügung gestellt werden”, meint Rouzbeh Taheri von der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen”, die Teil des Bündnisses für ein Transparenzgesetz ist.
Ragnhild Soerensen, Pressesprecherin des Vereins „changing cities”, welcher 2016 den Volksentscheid Fahrrad initiiert hat: “Beim Berliner Mobilitätsgesetz wussten wir, dass die Verkehrswende nur gelingt, wenn die Verwaltung offen und bürgernah agiert. Heute sehen wir, dass es genau an dieser Stelle hapert: Auf der Straße kommt wenig an, aber wir wissen nicht warum. Deswegen unterstützen wir den Volksentscheid Transparenz.”
Bis Ende Oktober (31.10.) muss das Bündnis mindestens 20.000 gültige Unterschriften gesammelt haben. Ein möglicher Volksentscheid könnte 2021 parallel zu den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und der Bundestagswahl stattfinden.
Hintergrund
Das derzeit geltende Informationsfreiheitsgesetz baut zu hohe Hürden für den Informationszugang der Bürger*innen auf. Deswegen will das Bündnis „Volksentscheid Transparenz” nach dem Vorbild Hamburgs in Berlin ein Transparenzgesetz per Volksbegehren auf den Weg bringen. Dieses würde Politik, Verwaltung und landeseigene Unternehmen zwingen, wichtige Informationen frühzeitig zu veröffentlichen – für alle Menschen zugänglich auf einem zentralen Online-Portal. Darunter fallen Verträge, Gutachten, Senats- und Bezirksentscheidungen, die Vergabe öffentlicher Aufträge, Treffen von Senatsmitgliedern mit Interessenvertreter*innen u.v.m. Landes- und Bezirkspolitik sollen damit transparenter werden. Informationsanfragen sollen kostenlos sein und der Anwendungsbereich ausgeweitet werden, so dass auch Senat, Bezirksämter und landeseigene Unternehmen Informationen herausgeben müssen.