Im Boden Lateinamerikas lagern enorme Mengen wertvoller mineralischer Rohstoffe, die für die Länder des Kontinents selbst und für die Weltwirtschaft gebraucht werden. Die Staaten Südamerikas verfügen über riesige Land- und Waldflächen. Einige grenzen an fischreiche Meere. Im Gegensatz zur guten Ausstattung ihrer Natur belegen sie nur das hintere Ende, gemessen am wirtschaftlichen Fortschritt der Welt. In sozialer Sicht wird ihre Bevölkerung als arm eingestuft.
Die von der westlichen Medienwelt verbreitete Auffassung, dass Rohstoffreichtum allgemeinen Wohlstand hervorbringt, verschweigt, dass sich der Nutzen seit langem nur bei westlichen Kreditgebern aus den USA und der EU einstellt. Dorthin wurden die Wertschöpfungsketten verlagert. Die Absicht der Medien ist erkennbar, von den Ursachen der Rückstände abzulenken. Wirtschaftliches Unvermögen der Regierungen und die Korruption trügen an den Miseren Schuld.
Gegenwärtig steht Venezuela im Fokus medialer Aufmerksamkeit, mit Tendenzen des Verschweigens wahrer Zusammenhänge, der Diffamierung. ‚Fakes News‘ fehlen oft nicht
Der ehemalige Direktor der venezolanischen Zentralbank, D. F. Maza Zavala hat in seinem Sachbuch „Die Mechanismen der Abhängigkeiten“ (Verlag Fondo editorial Salvador de la Plaza) die Ursachen der Rückstände als ein Bündel von langfristig wirkenden Mechanismen beschrieben. Er weist mit seinen Analysen der Zahlungsbilanz und der realen Abläufe nach, dass Auslandsbanken, der Internationale Währungsfond (IWF) und transnationale westliche Konzerne (GE, GM, VW, Siemens, Monsanto, Odebrecht, u.v.m.) die Verantwortung tragen. Wurzeln der Abhängigkeiten liegen im kolonialen Erbe. Gegenwärtig sind es die Praktiken des Neoliberalismus, die die Ungleichheiten verfestigen. Die Monroe-Doktrin der USA bestimmt den Rahmen der neuzeitlichen Zusammenarbeit.
Zavalas Analysen über längere Zeitläufe belegen erzwungene Kapitalabflüsse ins Ausland. Am Beispiel Venezuelas durch überhöhte Zinsberechnungen für Bankkredite, ständige Zahlungen hoher Technologiegebühren, monopolisierte Versicherung- und Seetransportleistungen und ähnliches. Die Negativsalden der Zahlungsbilanz schwankten jährlich um 280 bis 300 Millionen US $, die ständigen Geldabflüsse über konzerneigene Mutter/Tochterbeziehungen nicht eingerechnet. Mit hochverzinslichen Neukrediten mussten jährlich die Negativbeträge ausgeglichen werden. Bankenabhängige Ratingagenturen bestimmten die Zinshöhen. Sie lagen über Jahre im C-Bereich, nachweislich bis zu 18% pro Jahr. Die Konsequenzen führen zu einer ständigen Akkumulationsschwäche des Landes. Eine schnellere Industrialisierung des Landes, sowie die Schaffung eigener Quellen der Wertschöpfung werden verhindert. Für das Gesundheitswesen, die Schulbildung und für die Forschung verbleiben wegen der Abflüsse zu wenig finanzielle Mittel übrig.
Zavala listet sieben weitere Mechanismen der Abhängigkeiten auf:
- Juristische Ansprüche und Zugriffe der transnationalen Konzerne auf Rohstoffquellen, Forderungen nach Beteiligung des Landes an Erschließungskosten, sowie Befreiung von Steuern
- Nutzung der ständigen Kreditgesuche zur Einflussnahme auf die Staatshaushalte der Länder (Forderungen zur Reprivatisierung und Umschichtungen des Haushaltes zu Lasten sozialer Aufgaben)
- Staatsverschuldungsstrategien als Geschäftsmodelle westlicher Banken und Investoren
- Kreditmonopole, Monopole für Versicherungsleistungen und des seewärtigen Transportes. Verhinderung der Integration der Volkswirtschaften der lateinamerikanischen Länder untereinander.
- Verflechtungen mit nationalen Kapitalgruppen als Juniorpartner werden genutzt, für Lobbynetze, für Subventionen zugunsten der Konzerne, für Fördermittel, auch für die Formulierung von Gesetzen.
- Zahlungspflichtige Beratungsleistungen und Gutachten für die Regierungen ziehen Gelder aus der Steuerkasse. Beratungen, die Systemfragen berührten, führten nicht zu Alternativen, um die Wirtschaftslage grundsächlich zu verändern.
- Abwanderung der auf Landeskosten ausgebildeten jungen Generation, mit negativen Folgen. Es fehlen technologie- und organisationserfahrene Schichten zur Entwicklung der Länder und Fachleute für die Wirtschaft und Verwaltung.
Seit den Amtsantritten der Präsidenten Bush (j), Obama und Trump haben die Mechanismen mit Sanktionen, Boykotte neue Verschärfungen erhalten. Das weltweite Bankennetz- und Dollarnetz wird genutzt um berechtigte Geldtransfers nach Venezuela, Kuba zu hindern. Mit der willkürlichen Einstufung von Ländern als Gefahr für die USA wird das Arsenal juristischer Mittel erheblich vergrößert.
Als Drohkulisse stehen traditionelle Militärstützpunkte in Panama, Kolumbien, Brasilien, Guantanamo auf Kuba zur Verfügung. Die IV. Flotte ist mobilisiert. Traditionell wird die Organisation Lateinamerikanischer Staaten (OAS) von den USA bemüht, um die alte Abhängigkeitsordnung aufrecht zu erhalten. Die Brüder im Geist und Handlung aus der EU stehen für die Verteidigung der Abhängigkeitsmechanismen.
Ohne Veränderungen der Mechanismen wird es Lateinamerika schwer gelingen, einen gleichwertigen Platz in der Weltwirtschaft zu erreichen. Noch sind die Chancen extrem schlecht. Venezuela hängt zu etwa 92 % vom Erdölexport ab, Paraguay zu 90 % vom Export landwirtschaftlicher Produkte und Chile zu 63 % vom Export der Bergbauprodukte, wie CEPAL ausweist. Die Termes of Trade verschlechtern sich zu Ungunsten Lateinamerikas.
Mitte des 20. Jahrhunderts versuchten Nikaragua, Guatemala, Kuba, Peru, Chile den Mechanismen der Geldabflüsse und Abhängigkeiten zu entgehen. Mexiko schlug in der gleichen Epoche der UNO eine „Neue Weltwirtschaftsordnung“ NIWO vor. Unterstützung dafür erhielt Mexiko von der zweiten (sozialistischen) und dritten (nichtpaktgebundenen) Welt. Die Länder der ersten Welt (ehemals kolonialistische und aktuell westliche), stoppten die historische mexikanische Alternative in der UNO.
Zu Beginn des 21. Jahrhundert nutzte Hugo Chávez die günstigen Zeitumstände hoher Erdölpreise das Tor für die Werte des Humanismus, wie Selbstbestimmung, Gleichberechtigung, soziale Menschenrechte für alle Schichten Venezuela zu öffnen. Ein äußerst hartgeführter Widerstand der USA und ihrer Verbündeter bremst mit allen Mittel einer Großmacht den Versuch. Die westliche Welt sieht ihr System in Gefahr. Venezuela stützt sich auf gleichgesinnte Kräfte der Länder des FORO SAO PAULO, die sich im Juli desselben Jahres in Caracas trafen. Die Solidarität aus Europa ist begrenzt, Russland und China helfen nicht nur im Weltsicherheitsrat. Weltweite Grundforderung: Keine militärische Intervention von außen, die Weltentwicklung benötigt Alternativen zum Überleben.
Eine Alternative zu den Mechanismen der Abhängigkeiten ist zum Beispiel das 2004 gegründete ALBA Integrationsbündnis, offen für alle Staaten aus Lateinamerika. ALBA verfolgt eine nicht gewinnbringende Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern und auf Formen der solidarischen Ökonomie. Erste Projekte wurden auf dem Weg gebracht. Die Gründung der BANCO SUR und die Einführung der Verrechnungswährung SUCRE entziehen den USA den Zugriff auf den internationalen Geldtransfer und ermöglichen den Mitgliedern einen Handelsaustausch ohne vorab akkumulierte Geldreserven.
Die 2019 abgeschlossene Vereinbarung der EU mit dem südamerikanischen MERCOSUR schränkt die Mechanismen der Abhängigkeiten dagegen kaum ein.