Anlässlich des Weltflüchtlingstages am 20. Juni veröffentlicht die Rosa-Luxemburg-Stiftung am Dienstag, den 18. Juni 2019 ihren aktuellen «Atlas der Migration». Auf 50 Seiten finden sich Beiträge zu 20 Einzelthemen und umfangreiches Grafik- und Kartenmaterial zu Menschen in Bewegung weltweit.
Die Debatte um Migration erhitzt zwar die Gemüter, im globalen Maßstab betrachtet liegt der Anteil internationaler Migrant*innen aber lediglich bei etwa 3 Prozent. Auch der Mythos, dass alle Flüchtenden nach Europa wollen, bedarf einer Korrektur: Schutz wird überwiegend bei den Nachbarn gesucht. 85 Prozent aller Flüchtlinge werden von Ländern des Südens aufgenommen. Nicht die USA oder Deutschland, sondern Türkei, Pakistan und Uganda sind die Länder mit den meisten aufgenommenen Geflüchteten. Während in Deutschland im Jahr 2018 auf je tausend Einwohner*innen 11,6 geflüchtete Menschen kamen, waren es im viel ärmeren Libanon mit 146 Menschen mehr als das Zehnfache.
Der vorliegende Atlas soll den Blick auf Migration sowie ihre Akteure verändern und zu einer Versachlichung der Debatte beitragen. Die aufwändigen Karten und Grafiken zeigen, dass Migration, gleichwohl sie in allen Teilen der Welt stattfindet, weder ein Bedrohungspotenzial für die Gesellschaften der Zielländer noch für jene der Herkunftsländer birgt. Vielmehr ergeben sich Chancen und Vorteile.
Das «Brain Drain»-Argument, nach dem Geflüchtete in ihren Heimaten dringend für den Aufbau vor Ort gebraucht werden, klingt zunächst plausibel. Aber auch hier zeigt ein Blick auf die Zahlen und Fakten: Unter anderem die Rücküberweisungen von Migrant*innen an ihre Familien in den Heimatländern bedeuten eine große Unterstützung für die Menschen und Strukturen in den Herkunftsländern. Der Nutzen der dauerhaften oder zeitlich begrenzten Auswanderung ist damit oftmals höher als die befürchteten Verluste und Nachteile. Je höher der Anteil der Rücküberweisungen an der Wirtschaftsleistung eines Landes, umso mehr helfen sie bei der Bekämpfung der Armut. Steigen in bestimmten Fällen die Rücküberweisungen um nur ein Zehntel an, schrumpft die Armutslücke um 3,5 Prozent.
Migrationsabwehr, Vorverlagerung der Grenzen oder die Einstellung der Seenotrettung verhindern Migration nicht, sondern machen sie nur teurer und viel gefährlicher – sowohl für Migrant*innen, als auch für Flüchtende. Statt höherer Mauern braucht es offene Fluchtwege nach Europa. Dafür engagieren sich nicht nur tausende Aktivist*innen in der Flüchtlingssolidarität, bei #unteilbar oder der Seebrücke. Erst in der vergangenen Woche gründeten Bürgermeister*innen und Stadtregierungen im Berliner Rathaus ein Bündnis «Sicherer Häfen». 60 deutsche Städte haben sich zu diesem Bündnis zusammengeschlossen und treten für eine humanitäre Flüchtlingspolitik und die Aufnahme von aus Seenot Geretteten ein.
Deutschland braucht Einwanderung. Für das Jahr 2030 gibt es einen prognostizierten Arbeitskräftemangel von 435.000 Arbeitnehmer*innen. Das von Rechtspopulist*innen gern bemühte Argument, Migrant*innen würden Arbeitsplätze wegnehmen und Lohndumping vorantreiben, ist falsch. Ein Zusammenhang zwischen hoher Einwanderung und hoher Arbeitslosigkeit oder sinkenden Löhnen ist statistisch nicht bewiesen. Vielmehr trägt Migration in die Sozialsysteme zu deren Erhalt bei: Nicht nur für gesetzliche Krankenkassen ist die Zuwanderung entlastend und stabilisierend. Es kommen vor allem junge Menschen, die tendenziell geringere Gesundheitsausgaben verursachen. Im Regelfall gilt: Ankommende werden zu Beitragszahler*innen.
Der Atlas der Migration steht ab sofort unter https://www.rosalux.de/atlas-der-migration auf Deutsch und unter www.rosalux.de/atlasofmigration auf Englisch kostenlos zum Download zur Verfügung.