Gemeinsame Erklärungen deutscher Demosanitäter*innen zu den Street Medics in Frankreich im Rahmen der Gelbwestenproteste!
In unserem Nachbarland Frankreich halten die heftigen Proteste der Gelbwesten, von Gewerkschaften und vielfältigen sozialen Bewegungen an. Polizeieinheiten gehen mit äußerster Gewalt gegen Demonstrant*innen von. Der ungezügelte Einsatz von Tränengas und Pfefferspray führt massenhaft zu gesundheitlichen Schäden bei allen Beteiligten und auch Unbeteiligten. Die Zahl der schwer Verletzten und lebenslang Verkrüppelten durch Gummigeschosse, Blendgranaten und Kampfstoffe geht in die Hunderte und ist für Europa in den letzten Jahrzehnten beispiellos. Eine unbeteiligte über 80 Jährige wurde von einem “verirrten” Flashball der Polizei getötet.
In diesen Situationen leisten freiwillige Street Medic Gruppen überall in Frankreich vor Ort medizinische Erstversorgung. Seit einem halben Jahr, Woche für Woche, helfen sie Leid und gesundheitliche Folgeschäden abzumildern, retten Leben, sind Zuflucht für Verzweifelte. Selbst sind sie oft Behinderungen, Bedrohungen und Angriffen ausgesetzt.
Seit März begann der französische Staat, gezielt “Jagd” auf Sanitäter*innen, Ärzte*innen und andere Hilfeleistende zu machen. Als vermeintlich “wichtiges Rückgrat der Proteste” sollten sie aus dem “Verkehr gezogen werden”. So wurde am 7. April in Bordeaux und anderen Städten versucht sämtlichen medizinisch Hilfeleistenden schon im Vorfeld der Zutritt zu den Demonstrationen zu verwehren. Ihre Ausrüstungen wurden komplett einschließlich Kleidung beschlagnahmt. Eine größere Zahl von Sanitäter*innen wurde inhaftiert. Zwei von Ihnen mussten nach der polizeilichen “Inobhutnahme” selbst im Krankenhaus behandelt werden.
Dass ein Staat vorrangig medizinische Hilfskräfte attackiert, kommt nicht einmal in den meisten Kriegsgebieten dieser Welt vor und widerspricht allen internationalen Standards, Konventionen und Grundsätzen von Humanität.
Wir schließen uns der Empörung über das Verhalten der französischen Regierung und ihres Staatsapparates an. Wir erklären unseren besonderen Respekt und unsere Anerkennung für die Arbeit der Street Medics in Frankreich. Wir schließen uns der Solidarität mit den Street Medics in der breiten französischen Öffentlichkeit, insbesondere durch die Beschäftigten im Gesundheitswesen an. Gewalt und Menschenrechtsverletzungen des französischen Staates wurden durch die “Liga für Menschenrechte”, die meisten international namhaften Menschenrechtsorganisationen sowie die zuständigen Kommissariate der UN und EU kritisiert oder verurteilt. Wir unterstützen diese Kritik und Verurteilungen!
Bei Übernahme des Vorsitzes im UN Sicherheitsrat erklärte Bundesaußenminister Maas: “Krankenhäuser, Ärzte und Helfer werden immer häufiger zur Zielscheibe. […] Diesen Trend zur völligen Entgrenzung militärischer Konflikte müssen wir stoppen. Sonst droht ein Abgleiten in eine neue Barbarei.” (Zeit.de 01.04.2019)
Wenn ein solches “Abgleiten in eine neue Barbarei” mitten in Europa, in unserem Nachbarland Frankreich stattfindet bzw. sich auch nur anbahnt, dann erwarten wir, dass Politik und Presse in Deutschland vor einem “solchen Trend zu völligen Entgrenzung” nicht völlig die Augen verschließen.
WARNUNG vor ultrarechten Sanitäter*innen aus Deutschland!
Uns ist aufgefallen, dass einzelne Sanitäter*innen aus dem deutschen rechtspopulistischen und ultrarechten Umfeld von AFD, Reichsbürger- und Identitärer Bewegung im Rahmen der Gelbwestenproteste verdeckt und gezielt ihre Hilfe anbieten.
Von einer Zusammenarbeit können wir nur dringend abraten und zur Vorsicht mahnen. Sie teilen essentielle Standards unserer Arbeit nicht, wie die unbedingte Verschwiegenheit gegenüber den Behörden. Sie missbrauchen den guten Ruf der Street Medics zur Einflussnahme rechter Strukturen auf die Solidaritäts- und Protestbewegung in Deutschland. Sie nutzen ihr Engagement, um sich breit in Szene zu setzen und ihre rechte Propaganda und die hinter ihnen stehenden rechtsradikalen Organisationen zu fördern.
Spender*innen raten wir, sich vor ihrer Spende genau zu informieren, wem sie ihr Geld anvertrauen.
Erstunterzeichner*innen:
- Autonome Sanitätsinitiative Dresden (Dresden)
- Demonstrations Sanitäter/innen – Sanitätsgruppe Oberpfalz (Regensburg)
- Demosanitäter – Sanitätsgruppe Süd-West e.V. (Stuttgart)
- Demosanitäter Westfalen (Ahlen)
- K. Freisen – Sanitäter aus Bonn (Bonn)
- Left-Wing Demonstration Medics (Berlin)
- Medizinischer Einsatztrupp – Demosanitäter (Düsseldorf)
- Riot Medics Berlin (Berlin)
- Vienna Street Medics (Wien)
Solidaritaetserklärung auf Deutsch (PDF)
Solidaritaetserklärung auf Französisch (PDF)
Quellenauswahl (PDF)