Internationale Wissenschaftler mahnen in neuer Studie zur Vorsicht im Umgang mit der gentechnischen Methode zur beschleunigten Genvererbung.
Gene Drives müssen mit grösster Vorsicht behandelt werden. Zu diesem Schluss kommen internationale Wissenschaftler in einer neuen und umfassenden Studie, die am 24. Mai in Bern auf dem Gene Drive Symposium von drei unabhängigen Wissenschaftsorganisationen, den Critical Scientists Switzerland (CSS), dem Europäisches Netzwerk von Wissenschaftlern für soziale und ökologische Verantwortung (ENSSER) und der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW), veröffentlicht und erstmals vorgestellt wird. Die Studie zeigt, dass derzeit erhebliche Wissenslücken und wissenschaftliche Unsicherheiten bestehen und viele Erwartungen bezüglich Gene Drives unrealistisch sind. Daher ist die Technologie noch nicht einsatzfähig.
Mit der Entwicklung der „Genschere“ CRISPR/Cas ist es möglich geworden, die Idee einer sogenannten „genetischen Kettenreaktion“ zu verwirklichen. Hierbei sollen Gene Drive Organismen (GDOs) gentechnisch veränderte Gene schnell in Wildpopulationen ausbreiten, indem sie die klassische Vererbungsregeln außer Kraft setzen. Die Wirkung von GDOs auf Ökosysteme ist allerdings noch völlig unbekannt und ihre Effekte potenziell irreversibel. Zudem überschreiten sie mit hoher Wahrscheinlichkeit nationale Grenzen. „Die bestehenden Biosicherheitsregeln sind unzureichend und nicht darauf ausgelegt, den weitreichenden Risiken von Gene Drives gerecht zu werden“, sagt Lim Li Ching, Expertin für internationale Regulierung und eine der Autorinnen der Studie. Solange es keine wirksame, rechtsverbindliche internationale Regelung und keine aufrichtige Einbindung der Öffentlichkeit gebe, sollten keine Gene Drive Organismen freigesetzt werden, empfiehlt die Studie.
Derzeitige Aussagen, dass Gene Drives Probleme wie die Bekämpfung von (landwirtschaftlichen) Schädlingen oder die Ausbreitung von Infektionskrankheiten wie Malaria lösen könnten, seien verfrüht. „Obwohl die Technologie bislang nur im Labor existiert, werden in den Medien und in wissenschaftlichen Publikationen bereits große Versprechungen gemacht, was Gene Drives erreichen könnten. Dadurch werden sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei den Geldgebern zu hohe Erwartungen geweckt“, sagt Tamara Lebrecht, Projektkoordinatorin und ebenfalls Autorin der Studie. Die Studie empfiehlt, dass alternative Lösungsansätze in die Überlegungen zur Lösung der genannten Probleme miteinbezogen werden. Die Öffentlichkeit soll von Anfang an eingebunden werden, wenn Lösungsansätze und Forschungsprioritäten gesetzt werden, ohne dass Gene Drives bereits im Vorfeld als Lösung favorisiert werden. Laut der Studie sollte das öffentliche Interesse – nicht private Interessen – für die Entwicklung von Gene Drives entscheidend sein. Insbesondere die mögliche Verwendung von Gene Drives für militärische Zwecke erfordert dringend eine öffentliche Auseinandersetzung.
Die Studie ist unter https://genedrives.ch/report verfügbar.
Die Anmeldung für das Symposium ist noch möglich, Informationen hierzu: https://genedrives.ch/symposium/.