Im Konflikt mit dem Iran brechen die USA rücksichtslos Völkerrecht. Die Bundesregierung muss handeln.
Zunächst kündigten die USA einseitig das Iran-Atom-Abkommen von 2015, das durch die Resolution des Sicherheitsrates 2231 vom 20.7.2015 für alle Staaten völkerrechtlich verbindlich geworden ist. Das Abkommen – ausgelegt für 10 Jahre – kennt keine Kündigung durch einen der Vertragsstaaten. Es enthält einen Mechanismus für Streitigkeiten, wenn eine Partei meint, der Iran halte den vereinbarten Aktionsplan nicht ein: es wird dann eine Gemeinsame Kommission einberufen, falls die nicht einig wird, kommen die Außenminister zusammen, usw. Schließlich wird die Frage dem Sicherheitsrat unterbreitet, wenn ein Staat meint, die Frage stelle eine erhebliche Nichterfüllung dar (Ziff. 36 und 37 des Abkommens). Nur der Sicherheitsrat kann dann gegebenenfalls die Sanktionen, die vor dem Abkommen vom Sicherheitsrat und zusätzlich von den USA und der EU verhängt waren, wieder in Kraft setzen.
Der Iran hat das Abkommen – bestätigt durch die mit der Kontrolle beauftragte Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) – wie vereinbart umgesetzt und keinerlei Anlass gegeben, eine Vertragsverletzung auch nur zu prüfen. Die USA haben den Vertrag mutwillig unter Bruch des Völkerrechts verlassen und dabei auch den vereinbarten Mechanismus für Streitigkeiten grob missachtet.
Danach haben die USA die früheren scharfen US-Sanktionen wieder in Kraft gesetzt, was nur dem Sicherheitsrat zustand. Darüber hinaus haben sie mit zusätzlichen Sanktionen einen totalen Wirtschaftsboykott installiert, um einen Zusammenbruch der Versorgung der Bevölkerung und der öffentlichen Ordnung im Iran hervorzurufen, letztlich mit dem Ziel, einen Regime-Change herbeizuführen und eine ihnen willfährige Regierung zu erreichen. Auch diese Sanktionen, bei denen die Bevölkerung in Geiselhaft genommen wird, sind völkerrechtlich nicht zulässig. Sie verstoßen gegen das völkerrechtliche Selbstbestimmungsrecht und das Gebot der Achtung der Menschenrechte. Hinzu kommt, dass sie bereits wegen der Verletzung des Atompakts rechtswidrig sind.
Ergänzend maßen sich die USA an, alle anderen Staaten und Völker der Welt über Sekundärsanktionen in ihre völkerrechtswidrige Erpressung des Iran einzubinden, was selbstverständlich ebenfalls rechtswidrig und zudem eine verbotene Einmischung in die inneren Angelegenheiten dieser Staaten ist.
Der Iran hat in Reaktion auf diese völkerrechtswidrige Maßnahmen der USA den Internationalen Gerichtshof angerufen, der am 03.10.2018 einstimmig eine einstweilige Anordnung gegen die USA erlassen hat. Darin werden den USA einige der besonders inhumanen Sanktionen, wie den Boykott der Lieferung von Arzneimitteln, verboten.
Über die weitere Aufforderung des IGH an die USA und den Iran, von konfliktverschärfenden Maßnahmen bis zur Entscheidung in der Hauptsache abzusehen („Both parties shall refrain from any action which might aggravate or extend the dispute before the Court or make it more difficult to resolve“), setzen sich die USA hinweg. Inzwischen drohen sie offen mit der Anwendung militärischer Gewalt und treffen entsprechende Kriegsvorbereitungen (Verlegung von Flottenverbänden und einem Flugzeugträger vor die iranische Küste, dazu den Einsatz atomwaffentragender B52-Bomber).
Die Androhung von Gewalt und der möglicherweise bevorstehende Angriff auf den Iran sind Verstöße gegen Art. 2 Abs. 4 der UN-Charta.
Die Bundesregierung darf dem nicht untätig zusehen. Sie ist ebenso wie die Europäische Union durch Art. 3 Abs. 5 des EU-Vertrags verpflichtet, die USA „zur strikten Einhaltung des Völkerrechts, insbesondere zur Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen“ anzuhalten. Das bedeutet zunächst, sich klar gegen die USA zu positionieren und die Rücknahme der erneut in Kraft gesetzten und der zusätzlich verhängten Sanktionen gegen den Iran zu verlangen und weiter alles zu tun, um das Atomabkommen mit dem Iran fortzuführen.
Die Bundesregierung muss deutlich erklären, dass sie sich an einem Angriff auf den Iran weder beteiligen noch diesen in irgendeiner Weise unterstützen noch dulden wird, dass deutsches Staatsgebiet dafür genutzt wird.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss die Bundesregierung den Einflug in das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik untersagen, „wenn der Verdacht besteht, dass der Verkehr (…) geeignet ist, Handlungen zu dienen, die verfassungswidrig i.S. d. Art. 26 Abs.1 GG sind. Luftfahrzeugen, die an einem gegen das völkergewohnheitsrechtliche Gewaltverbot verstoßenden militärischen Einsatz bestimmend mitwirken, darf die Benutzung des deutschen Luftraumes nicht gestattet werden“ (BVerwG – / C 39/07 v. 31.1.2007). Mit Sorge beobachten wir, dass die USA gestützt auf das Truppenstationierungsabkommen seit Monaten in und um Ramstein ihre Waffen- und Munitionslager in einem bisher nicht gekannten Ausmaß aufgefüllt haben.
Deutschland hat gegenwärtig zusammen mit Frankreich den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat inne. Die Bundesregierung steht damit in der Verantwortung den Sicherheitsrat einzuberufen, da ein Mitglied der Staatengemeinschaft den Weltfrieden gefährdet. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit eine Sondersitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen einzuberufen, um sich im Sinne des „Uniting for Peace“ mit dem Konflikt zu befassen.