Die Zahl der weltweit registrierten Hinrichtungen fiel im vergangenen Jahr um fast einen Drittel auf den tiefsten Stand seit mindestens einem Jahrzehnt, schreibt Amnesty International im kürzlich veröffentlichten Jahresbericht zum Stand der Todesstrafe. Am meisten Menschen wurden 2018 weiterhin in China hingerichtet. Amnesty geht von Tausenden Todesurteilen und Exekutionen aus. Da Peking die Todesstrafe als Staatsgeheimnis einstuft, fehlen allerdings genaue Zahlen für das Land.
Nach einer Änderung der Anti-Drogengesetze sanken die Hinrichtungen im Iran – in dem die Todesstrafe weit verbreitet ist – um die Hälfte. Auch im Irak, Pakistan und Somalia wurden deutlich weniger Menschen hingerichtet. Infolgedessen sank die Zahl der weltweit registrierten Exekutionen von mindestens 993 im Jahr 2017 auf mindestens 690 im Jahr 2018.
«Der starke globale Rückgang der Hinrichtungen zeigt, dass selbst Staaten, von denen man es nicht erwarten würde, ihre Haltung ändern und erkennen, dass die Todesstrafe keine Lösung ist», sagte Kumi Naidoo, Generalsekretär von Amnesty International. «Trotz Rückschritten in einigen Ländern ist die Zahl der Hinrichtungen gerade bei einigen der schlimmsten Vollstrecker deutlich zurückgegangen. Das ist ein hoffnungsvolles Zeichen dafür, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis diese grausame Strafe der Vergangenheit angehört».
Entgegen dem globalen Trend stellte Amnesty International in einer Handvoll Staaten eine Zunahme der Exekutionen fest und zwar in Weissrussland, Japan, Singapur, Südsudan und den USA. Thailand vollstreckte erstmals seit 2009 wieder ein Todesurteil. Sri Lankas Präsident Maithripala Sirisena erklärte, er werde die Hinrichtungen nach mehr als 40 Jahren wiederaufnehmen. Hierzu liess er Februar 2019 eine Stellenanzeige auf der Suche nach Henkern veröffentlichen.
China führt Exekutions-Liste an
China blieb der weltweit führende Vollstrecker der Todesstrafe – aber das wahre Ausmass ist unbekannt, da Zahlen dazu als Staatsgeheimnis gelten. Amnesty International geht davon aus, dass jedes Jahr Tausende von Menschen in China zum Tode verurteilt und hingerichtet werden.
Erstmals wurden Zahlen zur Todesstrafe von den Behörden in Vietnam öffentlich zugänglich gemacht. Demnach fanden 2018 mindestens 85 Hinrichtungen statt. Damit gehört Vietnam zu den fünf Ländern mit den meisten Hinrichtungen weltweit: Die unrühmliche Liste wird angeführt von China (Tausende), gefolgt von Iran (mindestens 253), Saudi-Arabien (149), Vietnam (mindestens 85) und Irak (mindestens 52).
Trotz eines deutlichen Rückgangs finden im Iran noch immer mehr als ein Drittel der weltweit registrierten Hinrichtungen statt.
Massen-Todesurteile im Irak und Ägypten
Amnesty International ist auch besorgt über einen starken Anstieg der Todesurteile, die im Laufe des Jahres in einigen Ländern verhängt wurden. Im Irak vervierfachte sich die Zahl von mindestens 65 im Jahr 2017 auf mindestens 271 im Jahr 2018. In Ägypten stieg die Zahl der verhängten Todesurteile um mehr als 75 Prozent, von mindestens 402 im Jahr 2017 auf mindestens 717 im Jahr 2018.
Dieser Anstieg ist auf die erschreckende Bilanz der ägyptischen Behörden bei der Verhängung von Massen-Todesurteilen nach unfairen Prozessen zurückzuführen. Die Urteile beruhten oft auf «Geständnissen», die unter Folter erzwungen wurden, und auf fehlerhaften Untersuchungen der Polizei.
Weltweiter Trend zur Abschaffung der Todesstrafe
Insgesamt zeigen die Zahlen für 2018 jedoch, dass die Todesstrafe eindeutig rückläufig ist und dass weltweit wirksame Schritte unternommen werden, um die Anwendung dieser grausamen und unmenschlichen Bestrafung zu beenden. So hat Burkina Faso beispielsweise im Juni 2018 ein neues Strafgesetzbuch verabschiedet, das die Todesstrafe abschafft. Im Februar bzw. Juli erklärten Gambia und Malaysia ein offizielles Moratorium für Hinrichtungen. Im US-Bundesstaat Washington wurde die Todesstrafe im Oktober für verfassungswidrig erklärt.
An der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Dezember stimmten 121 Länder – eine beispiellos hohe Zahl – für ein weltweites Moratorium für die Todesstrafe. Nur 35 Staaten stimmten dagegen.
«Langsam, aber stetig wächst ein globaler Konsens, die Anwendung der Todesstrafe zu beenden. Amnesty kämpft seit mehr als 40 Jahren für einen Stopp der Hinrichtungen. Solange aber noch 19 000 Menschen weltweit in der Todeszelle sitzen, ist der Kampf lange nicht vorbei», sagte Kumi Naidoo.
Ende 2018 hatten 106 Länder die Todesstrafe für alle Verbrechen abgeschafft. Insgesamt 142 Länder hatten die Todesstrafe per Gesetz abgeschafft oder wendeten sie nicht mehr an.
Amnesty International stellt sich in allen Fällen ausnahmslos gegen die Todesstrafe, unabhängig von der beschuldigten Person, des Verbrechens, der Schuld oder Unschuld des Verurteilten oder der gewählten Hinrichtungsmethode.