Wie bereits letzten Sommer in Catania mit dem Schiff Diciotti geschehen, versammelten sich Hunderte von Menschen – Verbände, ehrenamtliche Helfer, Gewerkschafter, Familien – nun auch in Syrakus in Sizilien am Strand, um ihre Solidarität mit den seit über 10 Tagen an Bord der Sea Watch 3 festsitzenden Migranten zu bekunden, die immer noch auf einen sicheren Hafen warten, den der italienische Innenminister Salvini ihnen aber weiterhin verweht. „Holt sie an Land“ und „Willkommen“ riefen die Leute in Richtung des Schiffes, das in der Ferne sichtbar vor der Küste liegt. Diese Botschaften waren auch auch auf selbst gemachten Bannern zu lesen, die auf zahlreichen Balkonen der Stadt aufgehängt wurden.
Der Bürgermeister von Syrakus Francesco Italia erklärte, die Stadt sei bereit, die Migranten aufzunehmen. „Zu Syrakus, einer Stadt am Meer und seit jeher ein offener Hafen, gehört die Gastfreundschaft dazu und davon wollen wir auch nicht abweichen“, schrieb er. „Wenn es Hilfegesuche von Menschen in Unsicherheit und Angst gibt, nicht zuletzt wegen der schwierigen Wetter- und Seeverhältnisse, dann kann man nicht antworten, wie es Minister Di Maio getan hat, indem man sie einfach nach Marseille verweist: So werden nur die in den internationalen Regeln und der Schifffahrt verankerten Rechte verweigert. Anstatt politisch über das Schicksal von 47 Menschen zu spekulieren und Spannungen mit Frankreich zu schüren, soll die Regierung das Anlegen der Sea Watch 3 in Syrakus genehmigen. Wir, die Kurie und alle Freiwilligenverbände, die sich sofort bereit erklärt haben, Hilfe zu leisten, wie wir es immer getan haben, und wie es Sizilien und Italien immer getan haben, werden uns um den ganzen Rest kümmern.“
Laut dem Erzbischof von Syrakus Salvatore Pappalardo „muss jeder von uns angesichts von Menschen, die ihr Leben riskieren, Maßnahmen ergreifen, um den Schutz des Lebens zu gewährleisten“. Und die Gemeinschaft Papst Johannes XXIII. von Rimini hat sich bereit erklärt, die Minderjährigen an Bord der Sea Watch 3 aufzunehmen.
Die Solidaritätsbekunden gehen noch weiter: Nach dem Facebook Video von Fanpage „Non vi lasciamo soli“ („Wir lassen Euch nicht alleine“), in dem sich Bürger von Neapel solidarisch erklären und das bereits über 20.000 Likes hat, sowie nach 12.000 Hilfsangeboten und 5.000 Solidaritätsschreiben fordern nun die Neapolitaner und ihr Bürgermeister Luigi de Magistris erneut, die Häfen zu öffnen. „Wir sind bereit, eine Unterschriftensammlung für eine neapolitanischen Flotte zu starten – bekräftigte de Magistris -, wenn die Regierung weiterhin an dieser unmenschliche Politik festhält, der Menschen, die auf dem Meer ihr Leben verlieren, einfach gleichgültig sind“.
In Genua nahmen über 10.000 Menschen an einer Veranstaltung teil, die von 130 zivilgesellschaftlichen Vereinen organisiert worden war und die sich gegen Salvinis Sicherheitsdekret und die Einwanderungspolitik der Regierung richtete.
In Castelnuovo di Porto haben die Einwohner Flüchtlingsfamilien mit Kindern aufgenommen, nachdem das dortige Aufnahmezentrum CARA gemäß Regierungsdekret geschlossen worden war. Nur so können die Kinder weiterhin zur Schule gehen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte gestern eine Grundrechtsverletzung im Fall der Sea Watch 3 festgestellt und die italienische Regierung dazu auffordert, „so bald wie möglich alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um allen Antragstellern eine angemessene medizinische Versorgung, Nahrung, Wasser und Grundversorgung zu gewährleisten.“
Weitere Infos dazu gibt es auch im Update der Petition Seenotrettung ist nicht verhandelbar – Öffnet die Häfen für die Sea-Watch 3, die den Beschluss wie folgt kommentiert: „Der EGMR verlangt Brot und Wasser. Wir verlangen das Ende dieser politischen Geiselnahme.“
Der zivilgesellschaftliche Druck in Italien scheint gewirkt zu haben. Aktuellsten Medienberichten zufolge hat sich die italienische Regierung heute mit 6 weiteren EU-Ländern (Luxemburg, Deutschland, Frankreich, Portugal, Malta und Rumänien) geeinigt und die 47 Menschen an Bord der Sea Watch 3 dürfen nun in den kommenden Stunden an Land gehen. Sea Watch Sprecher Ruben Neugebauer sagte dazu: „Wir freuen uns, wenn die europäische Geiselhaft beendet wird. Trotzdem ist es ein bitterer Tag für Europa, weil erneut die Menschenrechte von EU-Verhandlungen abhängig gemacht worden sind“.