Nachdem im Hambacher Wald zunächst nicht gerodet werden darf, gerät eine Großdemo zu einem Festival der Umweltschützer. Laut Veranstalter kommen 50.000 Menschen – viel mehr als erwartet.
Weiter hinten wird getrommelt, Klavier gespielt, jongliert oder mit Sektgläsern aus Plastik angestoßen, aber je näher man der großen Bühne kommt, desto konzentrierter hören die Menschen zu. Gerade ruft Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock herunter: „Ab morgen muss ein anderer Wind in der Energiepolitik wehen.“ An diesem sonnigen Oktobersamstag weht ein angenehmer Wind am Rande des Hambacher Forsts bei Köln, wo sich so viele Demonstranten eingefunden haben, dass sie einigen Staub vom Acker aufwirbeln. Angekündigt waren 20.000 Teilnehmer, gekommen waren laut Veranstalter sogar 50.000.
Und das, obwohl die Anreise in das kleine Örtchen Buir, einem Stadtteil von Kerpen für viele Demonstranten zur Geduldsprobe geriet: Statt wie wie üblich 30 Minuten, dauerte es vom naheliegenden Köln schon mal vier Stunden, um zum Wald zu gelangen. Weil ein paar Menschen über die Gleise liefen, musste der S-Bahn-Verkehr zeitweise eingestellt werden, die Shuttlebusse der Veranstalter waren hoffnungslos überfüllt.
Dabei hatte die Großdemonstration „Wald retten, Kohle stoppen“ kurz vorher noch auf der Kippe gestanden: Zwei Tage zuvor untersagte die Polizei aus Sicherheitsgründen die Veranstaltung, per Eilantrag setzten die Veranstalter das Demonstrationsrecht dann doch durch.
Rodungsstopp und Kohlekommission
Noch wichtiger aber war eine andere Gerichtsentscheidung, die ebenfalls am Freitag erging und aus den geplanten Protesten eine Siegesfeier machte: Das Oberverwaltungsgericht Münster untersagte RWE bis zum endgültigen Gerichtsurteil, im Hambacher Wald weiter zu roden. Damit können die Umweltverbände neue Hoffnung schöpfen für den noch gut 200 Hektar großen Rest des einst mehr als 4000 Hektar großen Waldgebiets, das eigentlich dem Braunkohletagebau zum Opfer fallen sollte. RWE rechnet mit einem Urteil Jahr 2020, aber die sogenannte Kohlekommission soll bereits in den kommenden Monaten einen Zeitplan für den Ausstieg aus der Braunkohle verkünden.
Darüber spricht auch Linken-Vorsitzender Bernd Riexinger: „In dieser reichen Bundesrepublik muss es doch möglich sein, den Menschen eine Beschäftigung zu bieten, die nicht die Umwelt zerstört“, sagt er auf der Bühne unter tausendfachem Applaus.
Nach ihm ist Michael Zobel dran, der seit gut vier Jahren Waldspaziergänge durch den Hambacher Forst anbietet und nach und nach zu einem Aktivisten für den Erhalt des 12.000 Jahre alten Waldes wurde. Auch wenn er sich zu seinem nächsten Spaziergang ähnlich viele Besucher wünscht wie bei der Demo, sagt Zobel: „Bitte bleibt auf den Wegen und lasst dem Wald links und rechts seine Ruhe. Die braucht er dringend.“ Dann stimmt er einen lauten „Hambi bleibt“-Sprechchor an.
Vom Reaktor-Protest in den Hambacher Forst
Der Hambacher Forst ist zum Symbol für die gesamte Energiepolitik der Bundesrepublik geworden, die in vielen Punkten hinter den eigenen Klimaversprechen zurückbleibt.