In Berlin hat heute ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis zum siebten Mal ein deutliches Signal für das Recht auf sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung gesetzt.
“Unseren heutigen Aktionstag, § 219a ist erst der Anfang! – Leben schützen heißt Schwangerschaftsabbruch legalisieren!, werten wir als vollen Erfolg und klares Signal an die Politik, dass das Thema Schwangerschaftsabbruch nichts im Strafgesetzbuch verloren hat”, erklärt Ines Scheibe, Koordinatorin im Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung und selbst in der Schwangerenberatung tätig. Scheibe weiter: “Wir sehen mit Erleichterung, dass die Fassade der vermeintlich lebensbejahenden Veranstaltung Marsch für das Leben bröckelt, und dass diese Bewegung durch die jährlichen Gegenproteste und eine kritische öffentliche Auseinandersetzung nachhaltig geschwächt wurde.“
Mit 1500 Teilnehmer*innen und vielseitigen Redner*innen des Aktionstages wurde heute ein buntes, starkes und internationales Zeichen gesetzt. “Wer den Schwangerschaftsabbruch verbieten will, nimmt den Tod von Menschen durch unsauber durchgeführte Abbrüche in Kauf“, sagt Scheibe. Andere heutige Aktionen gegen den March für das Leben mobilisierten nach aktuellen Schätzungen zwischen 500 und 1000 Menschen. Auch die Demonstration von What the fuck, an dem sich das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung ebenfalls beteiligte, umfasste gestern Abend weitere 1000 Teilnehmer*innen. Während die Zahlen der sogenannten Lebensschützer*innen bei knappen 2500 Personen stagnieren, brachten der Aktionstag und das Vernetzungstreffen des Bündnisses einen bundesweiten und sogar internationalen Zuwachs und eine stärkere Vernetzung. Die Aktion des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung war bunt, kreativ und friedlich.
Beim Aktionstag des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung sprach sich die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack in einer mitreißenden Rede für die Streichung des Paragrafen 219a StGB aus. Die nach Paragraf 219a angezeigte, Berliner Frauenärztin Dr. Bettina Gaber beschrieb den nicht hinnehmbaren Zustand für Ärzt*innen durch den Straftatbestand und eine Frau sprach über ihre persönliche Erfahrungen und Schwierigkeiten in Deutschland mit der existierenden Gesetzeslage und der Tabuisierung des Themas, eine ungewollte Schwangerschaft zu beenden.
Mit Blick auf das aktuelle EuGH Urteil, das radikalen Abtreibungsgegner*innen verbietet, Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, namentlich als Mörder*innen zu bezeichnen, schlussfolgert Scheibe: ”Wir beobachten seit Jahren ein Radikalisieren der Methoden der Abtreibungsgegner. Es ist gut, dass dem gerichtlich ein Riegel vorgeschoben wurde. Ebenso müssen die sogenannten Gehsteigberatungen bundesweit verboten werden. Es kann nicht angehen, dass Schwangere vor Beratungsstellen oder Arztpraxen aufgelauert wird und sie unter Druck gesetzt werden, die Schwangerschaft nicht abzubrechen. Unserer Auffassung nach arbeiten die Gruppen radikaler Lebensschützer Seite an Seite mit Teilen der Union und der AfD daran, das Recht auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung und damit die Vielfalt an Lebensentwürfen, sexuellen Orientierungen und Geschlechtsidentitäten in Deutschland einzuschränken. Wir werden dies nicht zulassen und auch weiterhin dagegenhalten!”
28. September: Internationaler Aktionstag für die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs
Gemeinsam mit vielen weiteren Organisationen und Initiativen rufen wir dazu auf, den 28. September auch in Deutschland als den „Internationalen Aktionstag für die Entkriminalisierung des Schwangerschaftabbruchs“ zu etablieren. Hierzu veranstaltet das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung Hamburg eine Demonstration ab 16:30 Uhr. Gemeinsam fordern wir die Streichung des Paragrafen 219a StGB.
Das „Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung“ wurde 2012 gegründet und organisiert seither Proteste gegen den jährlich stattfindenden, bundesweiten sogenannten „Marsch für das Leben“. Das Bündnis ist ein breiter Zusammenschluss aus Beratungsstellen, Verbänden, politischen Gruppierungen und Parteien. Eine der Kernforderungen ist der uneingeschränkte Zugang zu einem legalen Schwangerschaftsabbruch und die Streichung des Paragraphen 218 aus dem Strafgesetzbuch. Weiterhin fordert das Bündnis eine geschlechter- und kultursensible Sexualaufklärung für alle und angemessene Unterstützung für alle, die sich für ein Kind entscheiden, damit sie ihre eigene Lebensplanung aufrechterhalten können.