Ein gestern Abend veröffentlichter Bericht der eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) kritisiert die Bewilligungspraxis des Seco für Kriegsmaterialexporte der Schweiz. Unter anderem wird festgehalten, dass die Auslegung der Kriegsmaterialverordnung in den letzten 20 Jahren „eher wirtschaftsfreundlich“ war.
Gemäss der EFK ist es heutzutage möglich, dass Rüstungsproduzenten Lücken in der Gesetzgebung ausnutzen, um Lieferungen an kritische Länder, bei welchen ein direktes Exportgesuch in der Tendenz abgelehnt worden wäre, via Drittländer zu tätigen. Auf der Seite 23 des Berichts wird ausgeführt, dass im Jahr 2016 über 50% der Exportgesuche, unter den Artikel 18 Abs. 2 des Kriegsmaterialgesetzes fallen. Dieser Artikel regelt, dass Halbfabrikate bis zu einem Anteil von 50% der Herstellkosten des Endprodukts ohne Nichtwiederausfuhrbestätigung an ein Land auf der so genannten „White List“ des Seco geliefert werden können. Dies bedeutet, dass – nachdem die Teile eingebaut wurden – das Kriegsmaterial von diesem Drittland weiterverkauft werden kann in Länder, welche direkt aus der Schweiz aufgrund gesetzlicher Restriktionen nicht beliefert werden könnten. Ganz grundsätzlich schreibt die EFK: „Die Industrie nutzt durch Gesetz, Verordnung und Auslegungspraxis geschaffene alternative Exportmöglichkeiten“. Auch stellt die EFK klar, dass sich Seco und EDA betreffend Güterkategorisierung nicht immer einig sind – was weitreichende Folgen haben kann, da die Kategorisierung nach Kriegsmaterial oder aber nach besonderen militärischen Gütern weitreichende Folgen betreffend möglicher Exportbewilligungen haben kann. Ein weiterer Kritikpunkt der EFK ist, dass das Seco anscheinend die Kontrollmöglichkeit der Firmenaudits, also Kontrollen direkt in den Rüstungsfirmen in der Schweiz, kaum ausschöpft, obwohl dies eine wirksame Kontrollmöglichkeit wäre.
Klare Verurteilung der illegalen Exportpraxis fehlt
Für die GSoA ist der Bericht aber in der Frage, ob die Exporte der letzten Jahre beispielsweise nach Saudi-Arabien illegal waren, zu wenig genau. Rund 70 RechtsprofessorInnen haben sich 2009 in einem offenen Brief an den Bundesrat gewandt und klargestellt, dass Exporte an Länder, welche in einen internen bewaffneten Konflikt verwickelt sind (wie aktuell z.B. Saudi-Arabien in den Jemen-Krieg) im Widerspruch zum geltenden Recht stehen. Der Bericht der EFK greift diesen Punkt zwar auf, analysiert ihn aber nicht, sondern empfiehlt, die gesetzliche Grundlage an die Praxis anzupassen. Gerade die am Sonntag publizierten Berichte über Ruag-Handgranaten beim IS zeigen, dass nicht eine Anpassung der Gesetze an die Praxis, sondern vielmehr eine Anpassung der Praxis an die Gesetze (wie es in einem Rechtsstaat auch Normalität sein sollte) angebracht wäre