Unter dem Motto „Erwarte das Unerwartete“ werden vom 12. bis 15. September rund 400 Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus 38 Ländern auf der Next Library Conference an der Zentral- und Landesdesbibliothek Berlin (ZLB) zusammenkommen, um „neue Rollen und Potenziale von Öffentlichen Bibliotheken in der heutigen Gesellschaft zu erkunden“, wie aus einer Presseinformation der ZLB zu entnehmen ist. Die Konferenz wird von „Keynote-Speakern“ wie Nina Simon, Direktorin des Santa Cruz Museum of Art and History, und Stefan Kaduk, geschäftsführender Partner der Musterbrecher Managementberater und Forschungspartner der Universität der Bundeswehr München, geprägt sein.
Der dritte Keynote-Speaker“ ist der wohl einflussreichste: David Lankes, Professor für Bibliothekswissenschaften in den USA. Er vertritt die Auffassung, die Aufgabe der zukünftigen Bibliothekare „sollte nicht sein, alles zu sammeln was unsere Gesellschaft braucht, sondern eine klügere, bewusstere und offenere Gesellschaft in die Welt zu entsenden”. Die Bibliothekare in der Bibliothek der Zukunft seien „engagierte Berater, die der Gesellschaft helfen, klügere Entscheidungen zu treffen”.
Nach Ansicht von GiB wecken Konferenz-Programm <https://www.gemeingut.org/wp-content/uploads/2018/09/Next-library-20180820_nlc_Statusbericht_jp-1.pdf>
und Äußerungen der „Keynote-Speaker“ den Verdacht, die Veranstaltung könnte einem Bibliothekskonzept den Weg ebnen, das den Menschen nicht Teilhabe am Wissen der Welt, unabhängige Meinungsbildung und demokratische Partizipation ermöglicht, sondern unter dem Deckmantel der Offenheit letztlich deren Manipulation und Indoktrination betreibt.
Zumindest aber drängt sich der Eindruck auf, dass es auf der Veranstaltung lediglich darum geht, wie Bibliotheken sich den gegebenen technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungstendenzen optimal anpassen können, jedoch nicht um eine kritische Reflektion dieser Tendenzen, um von da aus zu einer adäquaten Bestimmung der Rolle öffentlicher Bibliothek in der Zukunft zu kommen.
Ulrike von Wiesenau, GiB Kultur, kommentiert die inhaltliche Ausrichtung der Veranstaltung wie folgt:
“Das Programm der Next Library® Conference Berlin 2018 stellt einen abstrusen Gemischtwarenladen des Erwartbaren vor, essentielle Fragestellungen aber, wie die Privatisierung von Aufgaben im Kernbereich der Bibliotheken, das Thema Medienkompetenz und eine digitale Agenda, die Antworten auf die Herausforderungen der Digitalisierung im Sinne des Humanismus gibt, finden keine Erwähnung.“
Karl Goebler, GiB Kultur hebt hervor:
„Die Auswahl und Beschaffung von Büchern an der ZLB liegt seit September letzten Jahres in den Händen eines privaten Wirtschaftskonzerns. Zugleich wird das Angebot an digitalen Publikationen ohnehin schon weitgehend von privaten Konzernen bestimmt. Wie sich angesichts dieser Voraussetzungen und der im Internet gegebenen Möglichkeiten zur Manipulation Informationsfreiheit, Selbstbestimmung und Bildung in den öffentlichen Bibliotheken erlangen oder wiedererlangen lassen, ist eine Frage von eminenter Bedeutung. Doch solche Fragen sollen auf der Next Library®Conference offenbar nicht behandelt werden.“
Ingo Schulze, Schriftsteller, ist der Auffassung:
„Es ist vollkommen unverständlich, wie ein rot-rot-grüner Senat die Privatisierung des Bibliothekswesens vorantreiben kann. Und genauso unverständlich ist es, wie eine Bibliotheksleitung ihre Bibliothekarinnen und Bibliothekare degradiert und an der Selbstabschaffung ihrer eigenen Institution arbeitet, von der Benachteiligung kleinerer Buchhandlungen ganz zu schweigen.”
Dr. Detlev Bimboes, Sprecher des Sozialpolitischen Arbeitskreises (SAK) Die Linke, kommentiert:
„Nach dem Strategiepapier des Berliner Senats “Attraktive Bibliotheken für die Metropole Berlin” von 2016 sollen die Bibliotheken zu „zentralen Knotenpunkten einer ‚Smart City‘“ werden. Es ist für mich nicht ersichtlich, dass das ‚Smart-City‘-Konzept auf der Next Library® Conference besprochen werden soll, obwohl es international eine große Rolle spielt. Eine ‚Smart City‘ ist eine durch Sensoren total überwachte und ferngesteuerte Stadt, in der die Menschen nichts als datenliefernde Konsumenten sind. Rena Tangens, eine prominente Kritikerin des Konzepts, bezeichnet eine ‚Smart City‘ als „die perfekte Verbindung des totalitären Überwachungsstaates aus George Orwells ‚1984‘“ und den normierten, nur scheinbar freien Konsumenten in Aldous Huxleys ‚Brave New World‘.“