Sahra Wagenknecht hat die von ihr ins Leben gerufene Bewegung „Aufstehen“ vorgestellt. Sie konstatiert eine „handfeste Krise der Demokratie“ im Land und nennt als mittelfristiges Ziel die Bildung linker Mehrheiten. Es gibt viel Kritik – und viele Unterstützer.
Zum Start der linken Sammlungsbewegung „Aufstehen“ hat die Initiatorin Sahra Wagenknecht die künftige Erzielung linker Mehrheiten mit Einfluss auf die Regierungspolitik in Deutschland als Ziel ausgerufen. Seit Anfang August hätten sich 101.741 Unterstützer online bei der Bewegung angemeldet, sagte Wagenknecht am Dienstag bei der Vorstellung in Berlin. Damit seien die Erwartungen übertroffen worden, betonte die Fraktionschefin der Linken im Bundestag. „Ich bin wirklich beeindruckt, wie viele Menschen sich gemeldet haben.“
Wagenknecht nannte „eine handfeste Krise der Demokratie“ in Deutschland als Hauptgrund für die Gründung dieser Bewegung. Werde nicht gegengesteuert, „dann wird dieses Land in fünf oder zehn Jahren nicht wiederzuerkennen sein“, so Wagenknecht. „Spätestens die Ereignisse in Chemnitz haben deutlich gezeigt, dass es so nicht weitergehen kann und dass wir dringend einen neuen politischen Aufbruch brauchen.“ Gegen Nazis müsse der Rechtsstaat vorgehen. Sie wolle aber jene Menschen zurückgewinnen, die sich abgehängt fühlen.
Wagenknecht stellte die Sammlungsbewegung mit vier anderen bekannten Persönlichkeiten vor, unter anderen dem früheren Grünen-Chef Ludger Volmer und der Flensburger SPD-Oberbürgermeisterin Simone Lange, die unlängst als Kandidatin für den SPD-Parteivorsitz gegen Andrea Nahles angetreten war.
Wagenknecht sagte, neben enttäuschten Wählern sollten möglichst auch viele Mitglieder der Linken, SPD und Grünen in der Bewegung mitmachen. „Der Sinn ist natürlich, die Parteien zu verändern.“ Das Kernanliegen sei eine neue Regierungspolitik für Deutschland.
Lange rief dazu auf, über die Grenzen der drei Parteien hinweg das Verbindende zu suchen. Es schmerze sie, dass der klassische Meinungsstreit zwischen Opposition und Regierungsmehrheit infolge der AfD als Oppositionsführerin seit der Bundestagswahl verlorengegangen sei.
Grünen-Mitbegründer Volmer warf seiner Partei „Verlust an programmatischer Substanz“ vor. Nach 13 Jahren ohne eigene politische Ämter sei es für ihn höchste Zeit, auf der Seite der Gründungsideen der Grünen eine „Gegenmacht“ mit aufzubauen. Denn der politische Mainstream von CDU, SPD und Grünen werde von AfD und CSU auf der Rechten attackiert, die Linke stehe mit internen Konflikten daneben. Nun müssten SPD, Linke und Grüne gestärkt werden. Dabei sollten sie zusammengehen.
Der frühere Linken-Vorsitzende Oskar Lafontaine sagte der dpa in Saarbrücken, Ziel sei es, linken Wählern, die sich in den bisherigen Parteien nicht wiederfänden, eine Plattform zu bieten. Die Bewegung wolle auch „die Wanderung zur AfD stoppen und vielleicht umkehren“, sagte der Ehemann Wagenknechts.
Die Spitzen von Linken, SPD und Grünen sehen „Aufstehen“ skeptisch. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: „Was Wagenknecht und Lafontaine da machen, ist keine Bewegung, sondern ein Machtkampf innerhalb der Linkspartei.“ Thüringens linker Ministerpräsident Bodo Ramelow hält die Initiative für einen Fehler. „Eine Bewegung muss von unten heraus entstehen und nicht in einer Partei“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Franziska Brantner, sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung: „Die Aufstehen-Bewegung ist keine Versuchung für uns Grüne. Dafür sind die meisten Grünen null empfänglich.“ Johannes Kahrs, Sprecher des Seeheimer Kreises in der SPD, nannte die Bewegung im Sender Phoenix „peinlich“.
Die Bewegung „Aufstehen“ ist seit ihrer Bekanntgabe Anfang August auf das heftigste medial und politisch angegriffen worden. Dass sie unter diesen Umständen in nur einem Monat über 100.000 Unterstützer gewonnen hat, kann als Anfangserfolg gelten. Als Vorbilder für „Aufstehen“ gelten die französische Sammlungsbewegung La France Insoumise von Jean-Luc Mélenchon und die britische Momentum Kampagne des Labour-Chefs Jeremy Corbyn.