Drei Jahre ist es her, dass der Betrug des VW-Konzerns an Dieselfahrzeugen aufflog. Heute können die vergangenen Jahre nur als Totalversagen der Bundesregierung gewertet werden.
Die Bundesregierung ist längst zum Handlanger der Autoindustrie verkommen. Wie sonst ist zu erklären, dass sich die Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und zuvor Alexander Dobrindt seit drei Jahren untätig zeigen, wenn es darum geht, den Betrug der Autobauer zu ahnden? Nach Bundesrecht wären zwingend 5.000 Euro Bußgeld pro Diesel-Pkw mit Abschalteinrichtung zu verhängen. Doch während die deutschen Autokonzerne im vergangenen Jahr Rekordgewinne von 35 Milliarden Euro erzielten, bleiben elf Millionen Diesel-Besitzer ohne funktionierende Abgasanlage im Dieseldunst stehen.
Wie kann das sein, Herr Scheuer?
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch bringt es auf den Punkt: „Wer in Berlin drei Mal binnen zwei Jahren ohne korrekt abgestempeltes Nahverkehrsticket kontrolliert wird, dem droht eine Gefängnisstrafe. Wer aber elf Millionen Käufer von Diesel-Pkw über Jahre hinweg, von einem selbst eingestandenen kriminellen Kartell gesteuert, vorsätzlich betrügt und arglistig täuscht, muss keine Strafe fürchten.“
Angelehnt an den Kinofilm „Three Billboards Outside Ebbing Missouri“ setzte die Deutsche Umwelthilfe deshalb Mitte Juli ein Zeichen vor dem Bundesverkehrsministerium in Berlin. Auf drei Plakatwänden war zu lesen, dass der größte Industrieskandal der Nachkriegszeit wesentlich zu jährlich 12.860 vorzeitigen Todesfällen beigetragen, 800.000 Menschen krank gemacht und elf Millionen Diesel-Besitzer mit ihren Betrugsautos allein gelassen hat. Wie kann das sein, Herr Scheuer? Während sich der Verkehrsminister ansonsten gerne als Kumpan der Autoindustrie geriert und nicht handelt, war die Beseitigung der Plakate schnell organisiert und auch die Strafanzeige gegen die Deutsche Umwelthilfe und ihren Geschäftsführer Jürgen Resch persönlich ließ nicht lange auf sich warten.
Angemessene Strafzahlungen gegen die Hersteller bleiben hingegen weiterhin aus. Dass diese in solchen Fällen nicht nur möglich, sondern laut EU-Recht geboten sind, hat Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in zahlreichen Verfahren vertritt, in einem Gutachten dargelegt, das am Tag der Plakat-Aktion der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Derweil hat auch die EU-Kommission erkannt, dass die Bundesregierung hier gegen geltendes Recht verstößt und ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet. Zur Erinnerung: Das Vertragsverletzungsverfahren wegen anhaltender Überschreitung des Luftqualitätsgrenzwertes für Stickstoffdioxid NO2 liegt aktuell beim Europäischen Gerichtshof.
Behörden halten still
Hohe Schadstoffemissionen aus Diesel-Pkw sind wesentliche Ursache für die Überschreitung der Luftqualitätsgrenzwerte in vielen deutschen Städten. Die Deutsche Umwelthilfe verfolgt neben zahlreichen Verfahren zur Aufdeckung des Dieselskandals daher auch juristische Verfahren für Saubere Luft in derzeit 34 Städten. Klagegegner sind jeweils die Behörden, die für die Luftreinhalteplanung verantwortlich sind. Einige Verfahren sind bereits weit fortgeschritten. So liegt für München ein rechtsverbindliches Urteil aus dem Jahr 2014 vor, das die Behörden zu einer entsprechenden Überarbeitung der Luftreinhalteplanung verpflichtet. Die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Düsseldorf und Stuttgart, dass Fahrverbote für Dieselfahrzeuge als Hauptverursacher der Belastung bereits heute möglich und verhältnismäßig sind, sofern keine anderen Maßnahmen die schnellstmögliche Einhaltung der Grenzwerte sicherstellen, wurden im Februar dieses Jahres höchstrichterlich vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt. Doch die verantwortlichen Behörden und Landesregierungen ignorieren die Urteile bis heute in allen genannten Fällen.
Dazu Remo Klinger: „In einem Rechtsstaat und einer Demokratie ist es nicht hinnehmbar, wenn sich Vertreter von Behörden oder gewählte Repräsentanten rechtskräftigen Gerichtsurteilen verweigern und meinen, für sie gelten andere Regeln als für jeden anderen im Lande. Genauso bedenklich ist es, wenn Behörden die rechtlich verankerte Auskunftspflicht aushebeln, um einseitig die Interessen von Unternehmen zu schützen. Mit dieser Haltung legen die Verantwortlichen eine Lunte an die Grundfesten unseres Staatssystems. Das ist mehr als unverantwortlich.“
Das jüngste Urteil in den Verfahren um Saubere Luft erging Anfang September in Wiesbaden . Das Verwaltungsgericht verhandelte über die Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen das Land Hessen für Saubere Luft in Frankfurt am Main und entschied, dass zonale Diesel-Fahrverbote in Frankfurt umgesetzt werden müssen. Nach dem Urteil ist das Land Hessen verpflichtet, den Luftreinhalteplan für Frankfurt bis zum 1. Februar 2019 fortzuschreiben. Es bleibt abzuwarten, inwiefern die Behörden in Hessen sich an Recht und Gesetz halten werden.
Im Würgegriff der Industrie
Wann endlich wird sich die Bundeskanzlerin aus dem Würgegriff der Dieselkonzerne befreien? Während Andreas Scheuer mit täglichen Äußerungen gegen eine Hardware-Nachrüstung kämpft, sehen Gerichte in Bayern und Baden-Württemberg nunmehr eine Beugehaft gegen Regierungspolitiker, die sich weigern rechtskräftige Urteile umzusetzen, als unausweichlich an. Die Deutsche Umwelthilfe fordert Kanzlerin Merkel auf, endlich den Titel Autokanzlerin abzulegen und die Dieselkonzerne entweder zum Rückkauf oder zur Hardware-Nachrüstung aller elf Millionen Betrugs-Diesel zu verpflichten.