Die Kinder in den Käfigen sind kein Fehler Trumps – sie sind sein Test für Barbarei.
Um zu erfassen, was in der Welt gerade passiert, müssen wir über zwei Dinge nachdenken. Eine davon ist, dass wir uns in einer Testphase befinden. Der andere ist, dass das, was gerade erprobt wird, der Faschismus ist – ein Wort, das vorsichtig verwendet werden sollte, aber vor dem man sich nicht vor ihm drücken sollte, wenn es so klar am Horizont zu erkennen ist
Vergiss „postfaschistisch“ – womit wir leben ist der „Präfaschismus“.
Es ist leicht, Donald Trump Ignoranz vorzuwerfen, nicht zuletzt, weil er es ist. Aber er versteht eines genau: Test-Marketing. Er hat sich selbst in den Klatschseiten der New Yorker Boulevardpresse erschaffen, wo Prominente produziert werden, indem man unerhörte Geschichten pflanzt, die man später bestätigen oder leugnen kann, je nachdem, wie sie ausgehen. Und er hat sich selbst im Reality-TV neu erschaffen, wo die Handlungsstränge entsprechend den Bewertungen angepasst werden können.
Wirf was in den Raum, zieh es zurück, stell dich zurecht, geh wieder.
Der Faschismus entsteht nicht plötzlich in einer bestehenden Demokratie. Es ist nicht leicht, Menschen dazu zu bringen, ihre Vorstellungen von Freiheit und Höflichkeit aufzugeben. Sie müssen Testläufe machen, die, wenn sie gut gemacht werden, zwei Zwecken dienen: Sie bringen die Menschen zu etwas, von dem sie am Anfang zurückschrecken könnten; und sie ermöglichen es ihnen, sie zu verfeinern und zu kalibrieren. Dies ist, was jetzt passiert, und wir wären Narren, würden wir es nicht sehen.
Eines der grundlegenden Werkzeuge des Faschismus ist die Manipulation von Wahlen – das haben wir bei der Wahl von Trump, beim Brexit-Referendum und (weniger erfolgreich) bei den französischen Präsidentschaftswahlen erlebt. Ein anderes ist die Erzeugung von Stammesidentitäten, die Teilung der Gesellschaft in sich gegenseitig ausschließende Polaritäten. Faschismus braucht keine Mehrheit – er kommt normalerweise mit etwa 40 Prozent Unterstützung an die Macht und benutzt dann Kontrolle und Einschüchterung, um diese Macht zu konsolidieren. Es ist also egal, ob die meisten Leute dich hassen, solange deine 40 Prozent dich fanatisch unterstützen. Das wurde auch getestet. Und der Faschismus braucht natürlich eine Propagandamaschine, die so effektiv ist, dass sie für ihre Anhänger ein Universum „alternativer Fakten“ schafft, das für unerwünschte Realitäten undurchdringlich ist. Auch hier ist das Testen sehr weit fortgeschritten.
Moralische Grenzen untergraben
Aber wenn Sie all dies getan haben, gibt es einen entscheidenden nächsten Schritt, in der Regel der Schwierigste von allen. Sie müssen moralische Grenzen untergraben, Menschen dazu verleiten, extreme Grausamkeiten zu akzeptieren. Wie Hunde müssen Menschen Blut geleckt haben. Sie müssen den Geschmack für Wildheit erhalten. Der Faschismus tut dies, indem er das Gefühl der Bedrohung durch eine verachtete Außengruppe aufbaut. Dadurch können die Mitglieder dieser Gruppe entmenschlicht werden. Sobald dies erreicht ist, können Sie Schritt für Schritt die Schranken durchbrechen, vom Fensterbruch bis zur Vernichtung.
Den Menschen muss der Geschmack für die Wildheit gegeben werden. Der Faschismus tut dies, indem er das Gefühl der Bedrohung durch eine verachtete Außengruppe aufbaut
Es ist dieser nächste Schritt, der jetzt getestet wird. Es wird in Italien von dem rechtsextremen Führer und Innenminister Matteo Salvini gemacht . Wie würde es ausgehen, wenn wir Bootsladungen von Flüchtlingen abweisen würden? Machen wir eine Grobversion der Registrierung aller Roma und sehen, welche Knöpfe das Publikum drücken wird. Und es wurde von Trump getestet: Mal sehen, wie sich meine Fans darüber freuen, Babys in Käfigen weinen zu sehen. Ich frage mich, wie es mit Rupert Murdoch ausgehen wird .
Es warzu sehen, wie es in den meisten Kommentare gelesen werden konnte, dass die vorsätzliche Traumatisierung von Migrantenkindern als „Fehler“ von Trump durch seine Naivität gesehen wird. Es ist ein Testlauf – und der Versuch war ein großer Erfolg. Trumps Behauptung letzte Woche, dass Einwanderer die USA „befallen“, es ist ein Test-Marketing, ob seine Fans bereit sind für die nächste Intensivierung der Sprache, die natürlich „Ungeziefer“ ist. Und die Erzeugung von Bildern von Kleinkindern, die von ihren Eltern geschleppt werden, ist ein Test, ob diese Worte in Töne und Bilder umgewandelt werden können. Es war immer ein Experiment – es endete (aber nur teilweise), weil die Ergebnisse da waren.
„Hinterhältige“ Kinder
Und die Ergebnisse sind recht zufriedenstellend. Es gibt gute Nachrichten an zwei Fronten. Zunächst ist Rupert Murdoch damit zufrieden – seine Fox News-Sprecher übertrafen sich in barbarischer Grobheit: Tiergeräusche bei der Erwähnung eines Down-Syndrom-Kindes zu machen und schreiende Kinder als Schauspieler zu beschreiben. Sie trieben es auf die Spitze: selbst die braunen Babys sind Lügner. Diese Schluchzer sind typisch für das manipulative Verhalten der Fremden, die uns befallen – sollten wir keine Angst vor einer Rasse haben, deren Kinder so hinterhältig sein können?
Zweitens, die Hardcore-Fans waren begeistert: 58 Prozent der Republikaner befürworten diese Brutalität. Trumps allgemeine Zustimmungswerte liegen bei bis zu 42,5 Prozent.
Fox News-Sprecher übertrafen sich in barbarischer Grobheit: Tiergeräusche bei der Erwähnung eines Down-Syndrom-Kindes zu machen, schreiende Kinder als Schauspieler zu beschreiben
Dies ist sehr ermutigend für die vorfaschistische Agenda. Der Ausblutung in der demokratischen Welt hat begonnen. Die Muskeln, die die Propagandamaschinen brauchen, um das Unentschuldbare zu verteidigen, werden gestärkt. Millionen und Abermillionen Europäer und Amerikaner lernen, das Undenkbare zu denken. Was ist, wenn diese Schwarzen im Meer ertrinken? Was ist, wenn diese braunen Kleinkinder für das Leben traumatisiert sind? Sie haben bereits in ihren Gedanken die Grenzen der Moral überschritten. Sie sind, wie Macbeth, „noch jung in Tat“. Aber die Tests werden verfeinert, die Ergebnisse analysiert, die Methoden perfektioniert, die Botschaften geschärft. Und dann können die Taten folgen.
Übersetztung eines Artikels von Fintan O’Toole der Irish Times veröffentlicht auf Fisch+Fleisch