Zur Rheinmetall-Hauptversammlung am 8. Mai 2018 in Berlin musste sich Deutschlands größter Rüstungskonzern vehementer Kritik stellen. Mehrere Protestaktionen und Stellungsnahmen der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre brachten den Einsatz von Rheinmetall-Bomben im Jemen-Krieg und den Panzerdeal mit der Türkei auf die Tagesordnung.
Dass der Rheinmetall-Vorstand gute Nachrichten zu Umsatz und Gewinnen berichten konnte, auf die der Aktienkurs des Konzerns positiv reagierte, konnte nicht darüber hinwegtäuschen: Rheinmetall hat ein Imageproblem. Presse und Nichtregierungsorganisationen haben die internationalen Geschäfte des Konzerns in die breite Öffentlichkeit getragen und fordern unter anderem einen Stopp der geplanten Panzerproduktion mit Rheinmetall-Beteiligung in der Türkei.
Klage gegen Rheinmetall in Italien
So kamen auch rund 200 Menschen zum Ort der Hauptversammlung nach Berlin, um unter dem Motto „Rheinmetall entrüsten! Waffenexporte stoppen“ zu protestieren. Die Redner Francesco Vignaro vom italienischen Netzwerk für Abrüstung und Mauro Meggiolaro von der „Fondazione Finanza Etica“ berichteten von der Strafanzeige des ECCHR und mehrerer italienischer Organisationen gegen Rheinmetall und den italienischen Staat.
Das italienische Tochterunternehmen RMW Italia ist eine der internationalen Beteiligungen, über die Rheinmetall-Bomben, Munition und ganze Munitionsfabriken ausgeliefert werden. Diese Exporte zeigten, „dass der Rheinmetall-Konzern bereit ist, einen hohen Preis für seine Geschäfte zu zahlen“, sagte Charlotte Kehne von Ohne Rüstung Leben in ihrer Rede. Den eigentlichen Preis dafür zahlten jedoch die Menschen im Jemen mit unvorstellbarem Leid.
Bombenfunde mitten in der humanitären Katastrophe
„Weil Millionen hungern und Krankheiten wie die Cholera grassieren, sprechen die Vereinten Nationen von der größten humanitären Krise der Welt. Und in dieser humanitären Katastrophe, meine Damen und Herren, wurden Teile von Bomben des Typs MK 83 gefunden, die sich zuordnen lassen. Produziert von der italienischen Rheinmetall Tochter RWM Italia. Von Sardinien nach Saudi-Arabien exportiert. Und dann im Jemen-Krieg eingesetzt.“
Direkt auf der Hauptversammlung berichtete später die jemenitische Menschenrechtsaktivistin Bonyan Gamal über den Krieg in ihrem Land und brachte die Vorstände in Erklärungsnot. In mehreren Wortmeldungen forderten Vertreterinnen der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ und von Ohne Rüstung Leben: Stoppen Sie umgehend die Munitionsexporte aller Rheinmetall-Unternehmen an kriegführende und menschenrechtsverletzende Staaten!
„Black Planet Award“ für Vertreter der Rheinmetall AG
Weil Deutschlands größter Rüstungskonzern „in schockierender Weise menschliche Ethik im Spannungsfeld Ethik und Ökonomie mit Füßen“ trete, verleiht die Stiftung „ethecon“ Vertretern der Rheinmetall AG ihren diesjährigen „Black Planet Award“. Charlotte Kehne von Ohne Rüstung Leben schildert in ihrem Grußwort zur Preisverleihung, wie Rheinmetall von Kriegen und Krisen profitiert.
Papperger zeigt sich über diese Entwicklung sehr erfreut und sieht seine Firma „auf gutem Kurs“. Das Ziel hat er ebenfalls fest im Blick: Laut dem Geschäftsbericht 2016 liegt ein besonderes Potenzial in „außereuropäischen Märkten, z. B. in der Region Mittlerer Osten/Nordafrika (MENA)“. Im Klartext: Rheinmetall soll noch mehr Rüstungsgüter in die instabile, von Krisen gebeutelte Region zwischen dem Maghreb und dem Nahen Osten exportieren.
Wenn die Bundesregierung zögert, solche Exporte zu genehmigen, kann der Konzern von der „erfolgreichen Internationalisierung“ seiner Rüstungssparte profitieren und über ausländische Töchter oder Joint Ventures liefern. So dokumentierte „Human Rights Watch“ nach einem von Saudi-Arabien angeführten Luftangriff auf den Jemen im Jahr 2015, dass mindestens eine Bombenhülle von RWM Italia stammte, einer Tochter des Rheinmetall-Konzerns.
Beste Kontakte nach Saudi-Arabien
Wie offen die Rheinmetall-Führungsebene auch gegenüber menschenrechtsverletzenden Staaten ist, zeigt sich aktuell an einer pikanten Personalie: Medienberichten zufolge soll Andreas Schwer die Leitung des neuen staatlichen saudi-arabischen Rüstungskonzerns „Saudi Arabian Military Industries“ übernehmen. Schwer ist derzeit als Vorstand der Rheinmetall-Rüstungssparte für die Organisation von Waffengeschäften im Ausland zuständig.
In Riad soll das Know-How des Deutschen helfen, eine eigene Rüstungsindustrie aufzubauen. „Saudi Arabian Military Industries“ will mitten im Spannungsgebiet zwischen Katar und dem Jemen einer der größten Anbieter von todbringenden Produkten wie Militärflugzeugen und -fahrzeugen, Drohnen und Raketen werden und bald fast 40.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen.
Dank des neuen Leiters hat die Rheinmetall AG schon jetzt beste Kontakte zu diesem zukünftigen Rüstungsriesen. Freuen können sich darüber nur die Aktionäre und das Management von Rheinmetall.
Fotoreportage von Reto Thumiger