Der erste Teil des von der rechtskonservativen Regierung vorgelegten Sicherheitspakets wurde ungeachtet heftiger Kritik von Opposition und Zivilgesellschaft mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ vom Innenausschuss des Nationalrats genehmigt. Aber auch der „Lauschangriff“ auf Handys und Messenger Dienste wie WhatsApp wird ermöglicht.
Der österreichischen Polizei wird nun der Zugriff auf einen Großteil der Überwachungskameras im öffentlichen Raum ermöglicht. Auch Aufzeichnungen von Section-Control-Anlagen und modernen Kennzeichenüberwachungssystemen können ausgewertet werden. Den bisher anonym erwerbbaren Wertkartenhandys blüht das Aus mit Anfang kommenden Jahres.
Über den zweiten Teil des Pakets wurde zwar noch im Justizausschuss beraten, er ging dann aber auch durch. Im Mittelpunkt stehen neue Befugnisse der Polizei zur Überwachung internetbasierter Kommunikation (Stichwort: Bundestrojaner), eine anlassbezogene Vorratsdatenspeicherung in Form eines Quick-Freeze-Modells, mit dem Telekommunikationsverkehrsdaten für Zwecke der Strafverfolgung vorübergehend gesichert werden können und die Lockerung des Briefgeheimnisses.
Auch der „Lauschangriff“ auf Handys und Messenger Dienste wie zum Beispiel WhatsApp, Telegram, Signal oder Threema mittels sogenannter IMSI-Catcher wird ermöglicht – mit der Einschränkung vorhergehender richterlicher Genehmigung.
Die Kosten für diese Maßnahmen werden auf rund 20 Millionen Euro geschätzt. Einem Beschluss des Sicherheitspakets im Nationalrat in zwei Wochen steht nichts mehr im Wege.
Massive Kritik aus allen Lagern
Liste Pilz, SPÖ und Neos sowie Rechts-, IT- und Sicherheitsexperten u. a. von Epicenter-Works, kritisierten zuvor in einer Pressekonferenz geschlossen sowohl das geplante „Überwachungspaket“ der Regierung als auch die undemokratischen und intransparenten Methoden von ÖVP und FPÖ, dieses neue Gesetz im Eiltempo durchzuboxen.
Gewarnt wurde vor den massivsten Verschärfungen von Überwachungsbefugnissen in der Zweiten Republik, weil gleich eine ganze Reihe bürgerlicher Grundrechte missachtet würden. Und dies auch noch ohne jeden Nachweis für eine Wirksamkeit der vorgesehenen Mechanismen gegen Terrorismus und Kriminalität.
Es gehe hierbei auch nicht nur um die anlasslose Massenüberwachung und Vorratsdatenspeicherung unter neuen Namen (weil diese gerichtlich untersagt wären), sondern um den Einsatz fragwürdiger Spionagesoftware, die nicht nur Behörden, sondern auch Kriminellen Zugriff auf die gesamte IT-Struktur des Landes ermöglichen würde – ein Sicherheitsrisiko, das die Laien, die diese Vorschläge ausheckten, nicht einmal ansatzweise verstünden.
Die Regierung wolle diese massiven Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte zudem in skandalöser Weise der öffentlichen Diskussion entziehen und wische alle sowohl evaluierenden als auch kontrollierenden Vorschläge in beinahe diktatorischer Manier vom Tisch. Und dies, obwohl schon jetzt davon ausgegangen werden kann, dass nicht alle geplanten Regelungen im Verfassungsgerichtshof „durchgehen“ werden.
Stufenweises Inkrafttreten
In Kraft treten soll die Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz am Tag der Kundmachung. Die Herausgabepflicht von Videoaufzeichnungen soll allerdings erst ab März 2019 gelten. Konkret werden mit der vorliegenden Gesetzesnovelle öffentliche und private Rechtsträger verpflichtet, der Exekutive auf Ersuchen Videomaterial von Überwachungskameras im öffentlichen Raum zur Verfügung zu stellen beziehungsweise Echtzeitstreaming zu ermöglichen.
Das gilt etwa für Verkehrsbetriebe, für die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (ASFINAG), für Bahnhöfe und Flughäfen. Außerdem kann eine Aufbewahrung dieser Videoaufzeichnungen für einen Zeitraum von bis zu vier Wochen angeordnet werden, um im Bedarfsfall Zugriff auf die vorhandenen Daten zu haben. Gleichzeitig wird der Exekutive die Verwendung von freiwillig zur Verfügung gestelltem Videomaterial erleichtert.
Selbst einsetzen will die Polizei künftig moderne Kennzeichenerkennungssysteme. Es sollen zunächst 10 stationäre und 20 mobile Anlagen angeschafft werden. Diese Systeme werden es der Exekutive erlauben, nicht nur die Kennzeichen von Fahrzeugen verdeckt zu ermitteln, sondern dabei auch Informationen über den Fahrzeuglenker sowie die Fahrzeugmarke, die Fahrzeugtype und die Fahrzeugfarbe zu verarbeiten.
Ein Abgleich mit Fahndungsevidenzen soll allerdings nur anhand des Kennzeichens zulässig sein. Die Daten sind, sofern sie nicht für konkrete Ermittlungen benötigt werden, spätestens nach zwei Wochen zu löschen. Na dann, gute Fahrt.
Weiterführende Informationen:
Aussendung der Parlamentsdirektion auf OTS; https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20180405_OTS0210/polizei-erhaelt-zugriff-auf-ueberwachungskameras-im-oeffentlichen-raum [abgerufen: 05.04.2018]
Berichte zur Pressekonferenz der Opposition auf Der Standard; https://derstandard.at/2000077374493/San-wir-wo-angrennt-Experten-warnen-vor-Ueberwachungspaket und https://derstandard.at/2000077376757/Ueberwachungspaket-Ex-OeVP-Justizsprecher-hat-schwere-Bedenken sowie zum Hintergrund unter https://derstandard.at/2000074708694/Regierung-beschliesst-Bundestrojaner-und-Ende-des-Briefgeheimnisses [alle abgerufen: 05.04.2018]
Informationen zum zweiten Teil des sogenannten Sicherheitspakets auf OTS; https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20180405_OTS0219/whatsapp-skype-und-co-staat-kann-kuenftig-ueberwachungssoftware-einsetzen [abgerufen: 05.04.2018]
Über den Autor: Robert Manoutschehri ist Fotograf, Journalist, Texter und Grafikdesigner aus Österreich. Er engagiert sich ehrenamtlich für zahlreiche Bürgerinitiativen und NGO’s. Robert Manoutschehri lebt in Wien.