Dass Donald Trump die US-Präsidentenwahl auch dank der Hilfe von Datenanalysten gewann, war bereits bekannt. Zwar geht Facebook jetzt gegen das Unternehmen vor, das ihm dabei geholfen haben soll. Doch so unschuldig ist Facebook nicht, wie es tut.
Der ehemalige NSA-Mitarbeiter und Whistleblower Edward Snowden kritisiert Facebook scharf. In einem Tweet am Samstag schreibt Snowden:
Unternehmen, die durch das Sammeln und Verkaufen von detaillierten Aufzeichnungen über das Privatleben Geld verdienen, wurden früher einfach als ‚Überwachungsunternehmen‘ bezeichnet. Ihr Rebranding als ‚Social Media‘ ist die erfolgreichste Täuschung, seit das Kriegsministerium zum Verteidigungsministerium wurde.
Businesses that make money by collecting and selling detailed records of private lives were once plainly described as „surveillance companies.“ Their rebranding as „social media“ is the most successful deception since the Department of War became the Department of Defense.
— Edward Snowden (@Snowden) 17. März 2018
Hintergrund der Snowden-Schelte ist die Affäre um das britische Unternehmen Cambridge Analytica. Facebook hatte die Datenanalyse-Firma, der eine wichtige Rolle beim Wahlsieg von Donald Trump nachgesagt wird, ausgesperrt. Cambridge Analytica und ihre Dachgesellschaft SCL hätten entgegen früheren Zusicherungen bis 2015 gesammelte Informationen über Facebook-Nutzer nicht gelöscht, erklärte das Online-Netzwerk am Wochenende zur Begründung.
Cambridge Analytica soll der Trump-Kampagne entscheidend dabei geholfen haben, mit als Werbung geschalteten gezielten Botschaften bei Facebook dessen Anhänger zu mobilisieren und zugleich potenzielle Wähler der Gegenkandidatin Hillary Clinton vom Urnengang abzubringen.
Umfragen-App als Datensauger
Über das Ausmaß des Datenzugriffs gibt es jedoch unterschiedliche Angaben. Die New York Times berichtete am Wochenende unter Berufung auf frühere Mitarbeiter von Cambridge Analytica, die Firma habe Zugriff auf Daten von mehr als 50 Millionen Facebook-Mitgliedern ohne deren Zustimmung erhalten. Aus den Erklärungen von Facebook geht allerdings hervor, dass beim absoluten Großteil dieser Nutzer nur Grund-Informationen zum Profil zugänglich gewesen seien.
Vertieftes Wissen erhielt Cambridge Analytica laut Facebook aber über Menschen, die eine die 270.000 Mal herungeladene Umfragen-App ausfüllten. Die scheinbar harmlose Umfrage mit dem Namen „thisisyoudigitallife“ versprach Nutzern einen Persönlichkeitstest. Ihr Initiator, Professor Alexandr Kogan von der Cambridge-Universität, habe dafür von den Nutzern die Erlaubnis zum Zugriff auf ihre Informationen erhalten.
Die Umfrage war als wissenschaftliche Forschung deklariert. In weiterer Folge habe aber Kogan „uns belogen“ und Daten an Cambridge Analytica und SCL sowie den Datenanalytiker Christopher Wylie weitergegeben, erklärte Facebook. „Es war ein Betrug“, sagte Facebook-Manager Paul Grewal der New York Times.
Zusätzlich zu den Informationen der Nutzer, die direkt an der Umfrage teilnahmen, bekam die App eingeschränkten Zugang zu Profildaten ihrer Facebook-Freunde, die entsprechend lockere Datenschutz-Einstellungen haben, erklärte das Online-Netzwerk. Das ist in solchen Fällen bei Online-Plattformen oft üblich und könnte die Zahl von Millionen in Mitleidenschaft gezogener Mitglieder erklären.
Einordnung in psychologische und politische Kategorien
Es wären aber deutlich weniger wertvolle Informationen. Dem Guardian zufolge öffnete jeder, der die Umfrage ausfüllte, Zugang zu solchen Daten von im Schnitt 160 weiteren Nutzern. Facebook machte seinerseits keine Angaben zur Gesamtzahl der betroffenen Mitglieder. Die über die Umfrage gesammelten Daten halfen dabei, Nutzer in verschiedene psychologische und politische Kategorien einzuordnen und die Zielgruppen entsprechend zu adressieren.
Der heute 28-jährige Christopher Wylie tritt mittlerweile als Whistleblower auf und legte Informationen zur Zusammenarbeit mit Cambridge Analytica unter anderem der New York Times und der britischen Zeitung Guardian offen. Gegenüber der britischen Sonntagszeitung The Observer verriet Wylie, der Cambridge Analytica bei der Datenakquise unterstützte, wie genau die Firma vorging:
Wir haben Facebook ausgenutzt, um Millionen von Nutzerprofilen ‚abzuernten‘. Wir haben dann Modelle gebaut, basierend darauf, was wir über diese Menschen wussten, und ihre inneren Dämonen ins Visier genommen. Das war die Grundlage, auf der das ganze Unternehmen aufgebaut war.
Wylies Unterlagen enthüllen eine noch tiefere Verstrickung von Cambridge Analytica in den Wahlkampf als bisher bekannt: So habe die Firma Wikileaks Hilfe bei der Verbreitung der gestohlenen E-Mails von Hillary Clinton angeboten.
Ganz ohne Russland-Spur geht es dann doch nicht
Diese waren nach Lesart der westlichen Sicherheitsbehörden von russischen Hackern gestohlen worden und ihre Veröffentlichung habe mit dazu beigetragen, dass Trump die US-Präsidentenwahl im November 2016 gewann. Auch habe Cambridge Analytica der russischen Ölgesellschaft Lukoil eine Zusammenarbeit angeboten. Wylie verletzte mit seinen Enthüllungen Stillschweige-Vereinbarungen und könne verklagt werden, hieß es.
Dass Cambridge Analytica eine Rolle bei Trumps Wahlkampf – und auch der Brexit-Entscheidung in Großbritannien – gespielt hat, war bereits seit über einem Jahr bekannt. Darüber, wie groß der Beitrag der Firma war, wurde jedoch stets diskutiert. Unklar blieb am Wochenende zunächst auch, wieso Facebook sich 2015 mit einer Zusicherung der Vernichtung der Informationen begnügte, als die Weitergabe der Umfrage-Daten an Cambridge Analytica erstmals bekannt wurde.
Dokumente, die dem Observer vorliegen, beweisen offenbar, dass Facebook bereits im Jahr 2015 von den Aktivitäten der Firma erfahren, seine Nutzer aber nicht ausreichend über dieses Datenleck informiert hatte. Von Cambridge Analytica, Wylie und Kogan verlangte Facebook demnach, dass die gesammelten Daten unverzüglich zerstört werden. Alle drei bestätigten dies damals, wie New York Times und Observer berichten. Doch den Recherchen der Medien zufolge wurden die Daten nicht gelöscht.
Facebook-Sicherheitschef Alex Stamos betonte am Wochenende, dass es sich aus Sicht des Netzwerks um einen Missbrauch von Daten handele, die ursprünglich rechtlich korrekt gesammelt worden waren.