Von PROVIEH Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Lidl führt im April 2018 einen Haltungskompass für Frischfleisch ein. Vorbild soll das Eierkennzeichnungsmodell sein. Der Vorstoß ist zwar begrüßenswert, aber die Kriterien sind leider unbefriedigend.
PROVIEH fordert seit Jahren eine flächendeckende gesetzliche Haltungskennzeichnung von Fleisch. Während die Politik diesbezüglich nichts unternimmt, ist nun der Handel voran geprescht. Lidl verkündet die Einführung eines vierstufigen Modelles für Frischfleisch in Anlehnung an die Eierkennzeichnung. Der gesetzliche Mindeststandard wird mit Stufe 1 gekennzeichnet, die 2 ist für den Standard der Initiative Tierwohl vorgesehen, die 3 bietet Auslauf und die 4 entspricht dem Bio-Standard.
Dies bedeutet für ein ausgewachsenes 100-Kilo Schwein im Klartext folgendes: In der Stufe 1 (gesetzlicher Standard) stehen dem Tier 0,75 Quadratmeter Platz zur Verfügung. In der Stufe 2 erhält das Schwein nur 10 Prozent mehr Platz: Viel zu wenig! In beiden Stufen dürfen die Schweine auf Vollspaltenböden gehalten werden anstatt auf Stroh. Es ist keine Einstreu vorgeschrieben. Auch der Ringelschwanz wird in beiden Stufen kupiert.
Es folgt die nächsthöhere Stufe 3: genannt Auslauf. Nach unseren Informationen werden hier beide Stufen des Labels des Deutschen Tierschutzbundes akzeptiert. Für das Schwein heißt das: 45 Prozent mehr Platz. Also statt 0,75 Quadratmeter stehen dem Tier jetzt etwas mehr als ein Quadratmeter Platz zur Verfügung. Zudem muss der Ringelschwanz dran bleiben und auch ein wenig Einstreu ist vorgeschrieben, aber kein Auslauf. Sollte das tatsächlich der Fall sein, so ist der Titel „Auslauf“ für die Stufe 3 irreführend und kann als Verbrauchertäuschung gewertet werden.
Und es gibt noch ein großes Problem dieser Stufe: Landwirte, die wirklich mehr tun wollen für die Tiere – die viel Platz, oder sogar eine Freilandhaltung anbieten – erhalten keinen zusätzlichen Anreiz. Sie würden die gleiche Stufe erhalten wie Landwirte, die nur wenig mehr Platz bieten.
Fazit: „Die Initiative ist grundsätzlich zu begrüßen“, sagt Jasmin Zöllmer, PROVIEH-Referentin für Agrarpolitik. „Lidl hat einen Vorstoß gewagt und Dynamik in die Debatte gebracht. Aber die Kriterien sind nicht gut ausgearbeitet.“ Die Stufe Stallhaltung plus muss deutlich mehr bieten als lediglich 10 Prozent mehr Platz und die Stufe Auslauf muss Landwirte honorieren, die echte Verbesserungen für das Tier bieten. Nur so haben auch Verbraucher die Chance, eine bessere Tierhaltung mit ihrem Einkauf zu honorieren.
Die Eierkennzeichnung von 0 (beste Stufe) bis 3 (schlechteste Stufe) funktioniert und hat sich beim Verbraucher eingeprägt. Dass Lidl diese Kennzeichnung für Fleisch nun umdreht und konträr zur Eierkennzeichnung verwendet, dürfte zudem zu Verwirrung führen.
Die Ausarbeitung zur Haltungskennzeichnung von PROVIEH finden Sie hier.