Der Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen hat auf die Volksinitiative „Unsere Schulen“ reagiert. Die Zeitung neues deutschland berichtete:
„Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) wehrt sich gegen den Vorwurf einer klammheimlichen Privatisierung. […] Bei dem Modell handele es sich […] nicht um eine versteckte Privatisierung, sondern um Kreditfinanzierung im öffentlichen Sektor vor dem Hintergrund der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse. An die Adresse der GiB-Aktivisten stellte der Finanzsenator die Frage: ‚Wenn die Howoge eine Wohnung baut, ist es eine öffentliche Wohnung. Wenn die Howoge eine Kita baut, ist es eine öffentliche Kita. Wenn die Howoge eine Schule baut, dann soll sie plötzlich privat sein?’“ [1]
Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) stellt diese Aussagen richtig, und zwar in vier Stufen:
- Knapp: Die Aussage des Senators ist falsch. Geplant ist eine weitreichende Privatisierung im Berliner Schulbau. Und ja: Wenn die Howoge eine Schule baut, tut sie das privatrechtlich.
- Wohlwollend: Das Leben ist kompliziert, auch für einen Finanzsenator. Wir haben ihm so viele Fragen gestellt. Er hat sie nicht beantwortet und uns nun stattdessen selbst eine Frage gestellt. Wir verstehen – er weiß diese Sachen auch alle nicht und benötigt daher Hilfe. Was die Einordnung von Privatisierung betrifft, können wir helfen: Wenn die Howoge eine Wohnung, Kita oder Schule baut, ist es keine öffentliche Wohnung, Kita oder Schule sondern eine privatrechtliche Wohnung, Kita oder Schule. Die Kredite der Howoge werden auch als private Schulden angesehen und stehen nicht im öffentlichen Haushalt. Die Howoge selbst ist ebenfalls privatrechtlich, sie kann sogar sehr schnell an einen Privaten verkauft werden – so wie zuletzt die GSW. Bitteschön. Bekommen wir jetzt unsere Fragen auch beantwortet?
- Akademisch: Ex falso (sequitur) quodlibet, aus einer falschen Aussage folgt Beliebiges. Die Aussagen „Wenn die Howoge eine Wohnung baut, ist es eine öffentliche Wohnung. Wenn die Howoge eine Kita baut, ist es eine öffentliche Kita“ sind falsch. Folgerungen aus diesen beiden Aussagen führen zu beliebigen Ergebnissen – im vorliegenden Fall ebenfalls zu falschen. „Ex falso quodlibet“ gilt in der klassischen Logik und allgemein in Systemen, in denen aus zwei Aussagen deren Konjunktion hergeleitet werden kann und umgekehrt. Öffentliches Eigentum an Grund und Boden (Allmende) gibt es im deutschen Rechtssystem nicht (mehr). Getrenntes Eigentum von Grund und (neu gebauten[2]) Immobilien gibt es seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Wem das Schulgrundstück gehört, dem gehört auch die Schule, die darauf gebaut wird. Berlin liegt in Deutschland. Die Howoge selbst ist privatrechtlich. Von der Howoge gebaute Wohnungen und Kitas (und Schulen) werden privatrechtlich gebaut und befinden sich dann im privatrechtlichen Eigentum der Howoge. Wenn sie von der Howoge betrieben werden, werden sie auch privatrechtlich betrieben. Die Schulen werden erst dann zu öffentlichen Einrichtungen, wenn die Gebäude und Grundstücke sowie ihr Betrieb von der Howoge an eine öffentlich-rechtliche Körperschaft (z.B. an die Bezirke oder an das Land Berlin) abgegeben werden. Oder wenn die Howoge als GmbH aufgelöst und in die öffentliche Verwaltung integriert wird. Quid ex vero sequitur.
- Ungeduldig: Der Finanzsenator ist Absolvent der Volkswirtschaftslehre, zu deren Grundlagen auch die verschiedenen Rechtsformen in Deutschland und ihre Eigenschaften gehören. Darüber hinaus hat er die Fach- und Rechtsaufsicht über Bereiche der Berliner Verwaltung, aber auch über zahlreiche Unternehmen und Beteiligungen des Landes Berlin. Der Finanzsenator sitzt in Aufsichts- und Verwaltungsräten und lässt sich von seinen StaatssekretärInnen in weiteren Aufsichts- und Verwaltungsräten vertreten. Der Unterschied zwischen öffentlichen und privaten Rechtsformen muss ihm geläufig sein, ebenso die oben berührten Grundlagen des BGB hinsichtlich Eigentum an Grund und Boden. Die in der eingangs zitierten Aussage offenbarte Unkenntnis lässt sich mit der Verantwortung seines Amtes nicht vereinbaren. Der Finanzsenator sollte sich dringend korrigieren. Und statt die BürgerInnen mit (rhetorischen) Fragen zu täuschen, sollte er ehrlich unsere Fragen beantworten. Oder zurücktreten.
Zum Hintergrund:
Nachdem Senat und Abgeordnetenhaus auf Anfragen und geäußerte Bedenken zur Schulbau-Offensive nicht reagierten, hat GiB eine Volksinitiative gestartet. Die Aktiven wollen zusammen mit anderen Initiativen in der Stadt auf diesem Wege der GmbH-Ausgründung von Schulen Einhalt gebieten – möglichst bevor die als unselig wahrgenommene Praxis auf ganz Deutschland übergreift. Die zentralen Forderungen sind:
„Schulen endlich sanieren: JA! Neue Schulen bauen: JA! Schulen in öffentlicher Hand: JA! Übertragung von Schulimmobilien in das Privatrecht: NEIN! Gründung einer Schul-GmbH: NEIN! Unsere Schulen müssen öffentlich bleiben! Keine Übertragung von Schulimmobilien in das Privatrecht! Wir fordern:
- Schulen öffentlich bauen, erhalten, betreiben und finanzieren statt Übertragung von Schulen in eine privatrechtliche GmbH
- Ausbau des Personals in den Schulen und Bauämtern in öffentlicher Hand statt Spardiktat und Abwerben von Fachkräften durch die GmbH
- Schulgrundstücke im Eigentum der Bezirke belassen, statt die Bezirke zu Mietern ihrer Schulen zu machen“
Weitere Infos zur Volksinitiative sind auf Website von Gemeingut in BürgerInnenhand zu finden.
[1] Jérôme Lombard: „Kritik an ’stiller Privatisierung‚, Eine Volksinitiative will gegen die Schulbauoffensive des Senats mobil machen“, neues neutschland , 4. Januar 2018
[2] Für Bestandsbauten und eine nach dem Recht der DDR mögliche bauliche Nutzung, die nicht an das Grundeigentum eines Grundstücks geknüpft sein konnte, wurde das Sachenrechtsbereinigungsgesetz (SachenRBerG) geschaffen.