Rassismus unter Muslimen ist bei weitem nicht nur importiert. Es ist immanent, dass der Rassismus im Zielland übernommen wird, sobald dieser dort auch vorherrscht und gelebt wird. Neuankömmlinge adaptieren das Verhalten, das ihnen entgegengebracht wird. Der Rassismus ist also eine Integrationsleistung und er ist eine Assimilationsstrategie.
Migranten lernen schnell von der Gesellschaft, in die sie einwandern. Sie nehmen das Verhalten an, das ihnen vorgelebt wird, das Verhalten, mit dem sie konfrontiert werden. Es ist nicht notwendig, dass Neuankömmlinge gleich die Sprache können müssen, um sich in der neuen Heimat einzufügen.
Müssen Migranten die Sprache beherrschen, um sich den Werten und den Grundlagen der Zielgesellschaft anzunähern? Müssen Sie die Zeitungen und die Kommentare in den sozialen Medien lesen können, um sich einzufinden und zu integrieren?
Nein, sie lernen schneller. Sie müssen lediglich eine Zeit bei den Gastgebern leben, um unser Verhalten anzunehmen; um so zu leben, wie sie leben, um so mit anderen umzugehen, wie sie mit ihnen umzugehen pflegen. Sie erfahren am eigenen Leib, wie miteinander umgegangen wird.
Meist erfolgt die Diskussion um Rassismus und Flüchtlinge ziemlich oberflächlich. Entweder sind Flüchtlinge Opfer von Rassismus geworden oder man wirft, insbesondere muslimischen Flüchtlingen, Rassismus in Form von Antisemitismus vor. Unter Migrationsgegnern ist dieser muslimische Antisemitismus eine willkommene Gelegenheit, sich diesem Thema zu widmen, wenn es auch sonst keinen so großen Stellenwert bei ihnen hat.
Da finde ich diesen Beitrag aus „Geschichte der Gegenwart“ sehr interessant dazu. Er erklärt, wie der Rassismus unter Flüchtlingen gar eine „Integrationsleistung“ darstellt. Die geschichtliche Amnesie vieler Gesellschaften auf frühere Flüchtlingsereignisse legt da einen Schleier der Unwissenheit auf die heutige Diskussion.
Seit vielen Jahrzehnte gibt es in der Schweiz die „Überfremdungsdebatte“, man war in den 60ern wegen südeuropäischer Gastarbeiter, in den 80ern wegen einer „Asylschwemme“ und in den 90ern wegen der „Balkanflüchtlingen“ alarmiert. Heute ist es die „Flüchtlingskrise“.
Der Artikel handelt von einer Schweizer Studie aus den 60er Jahren des Psychologen Emil Pinter zu den Ungarnflüchtlingen, der eine „Hierarchie der Ausländer“ entwarf, in der der Durchschnittsinländer an der Spitze der Hierarchie steht und sich darum herum Personengruppen verschiedener Herkunft und andere Außenseiter herum in Kreisen gruppieren, mit deren Entfernung zum Zentrum die Diskriminierung zunehmend ansteigt. Pinter, selbst Ungarnflüchtling, spricht in seiner Studie von einer „Hierarchie unterschiedlicher Stufen des Fremdseins“ die vom Durchschnittsschweizer abweicht. Seine „Rasse“ (also die Ungarnflüchtlinge) verortete er in der Gruppe mit den Zuwanderern aus Deutschland und Frankreich. Unterste Gruppe waren die südländischen Fremdarbeiter.
Den Blick wirft die Studie nicht auf den Rassismus in der Herkunftsgesellschaft, sondern auf den in der Zielgesellschaft, also dorthin, wo die Migranten eingewandert sind. Dort wurden die gesellschaftlichen Strukturen dahingehend analysiert, wie sie Rassismus hervorbringen, fördern und verbreiten.
In der Debatte um den “importierten Rassismus“ ist es ein bekanntes Vorgehen, den Ausländer zur eigenen Entlastung als Sündenbock an den Pranger zu stellen und laut bekannt zu geben: „Schaut her, der ist viel rassistischer (sexistischer, nationalistischer) als wir!“
Menschen, die in die Schweiz kommen, müssen sich in diese bestehende Hierarchie der Ausländer einfügen; dabei sind ihre positiven und negativen Zuschreibungen entscheidend. Pinter argumentiert, dass für Migranten ein Aufstieg in die Mitte nahezu unmöglich sei und sie sich deshalb ihre Position verbessern, indem sie sich zu den größeren Außenseitern abgrenzen. So werde der Rassismus der aufnehmenden Gesellschaft übernommen und reproduziert.
Natürlich sind nicht alle Migranten und nicht alle Flüchtlinge gleich rassistisch, da spielt dann doch auch der Rassismus in den Herkunftsländern eine Rolle. Aber es zeigt sich, dass Rassismus nicht einfach importiert wird. Er ist in den Zielländern längst vorhanden. Es ist ein Rassismus mit Flüchtlingen.
Der Artikel geht noch weiter. Er zeigt das Paradoxum auf, dass Gesellschaften, die angeblich vom Holocaust gelernt und Rassismus überwunden haben, plötzlich doch den Rassismus fördern. Europa brauche gar ein Gegenüber, von dem man sich abgrenzen und dem es die Schuld für das Fortbestehen von Rassismus und Antisemitismus geben kann.
Quellen:
http://geschichtedergegenwart.ch/kann-man-rassismus-importieren-fluechtlinge-und-die-hierarchie-der-auslaender-in-den-1960er-jahren/
http://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/01419870500465611