Magdalena Küng von Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) erzählt im Interview über ihre Ziele und Initiativen und die Bedeutung des Pazifismus in seiner politischen Dimension für eine Welt ohne Kriegsmaterialexporte. Die Zivilgesellschaft muss sich vermehrt vernetzen und mobilisieren, um mit vereinter Stimme auf die grosse Vielfalt an zivilen Wegen der Konfliktbehebung hinzuwiesen.
Wie entstand die GSoA und welche sind Ihre Hauptziele?
Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) wurde 1982 mit dem Ziel gegründet, die Schweizer Armee abzuschaffen. Eine entsprechende nationale Volksinitiative wurde 1989 zwar vom Stimmvolk abgelehnt, der grosse Anteil an Ja-Stimmen (über 35% sowie zwei Grenzkantone, Genf und Jura, die der Initiative zustimmten) aber bedeutete für die Schweiz einen Tabubruch: Die Schweizer Armee hatte viel an Unterstützung und Akzeptanz in der Gesellschaft verloren.
Die basisdemokratischen und aktivierenden Strukturen der GSoA erlaubten der Organisation ein schnelles Wachstum. Die GSoA zählt heute über 25’000 Mitglieder. Zum namensgebenden Thema Armeeabschaffung kamen laufend neue Bereiche hinzu, welche die GSoA zu einer wichtigen Akteurin in der Schweizer Politik machte. Die Friedens- und Sicherheitspolitik bildet weiterhin den Grundpfeiler der Organisation. Konkret setzt sich die GSoA gegen Kriegsmaterialexporte, gegen die Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten, für eine ausschliesslich zivile Forschung und gegen sinnloses Aufrüsten in der Schweiz ein.
Was bedeutet Pazifismus für Sie?
Pazifismus hat für die GSoA in erster Linie eine politische Bedeutung. Da militärische Aktionen und Interventionen nur bedingt friedenssichernden Effekte haben, muss sich Sicherheitspolitik zwingend an zivilen Handlungsoptionen orientieren. Die globalen Interdependenzen machen deutlich, dass nur zivile Lösungen nachhaltigen Frieden bewirken können. Zum Programm des politischen Pazifismus gehören also auch Bemühungen um weltweite Solidarität, Gerechtigkeit und Emanzipation.
Wie arbeiten Sie in der Schweiz, um die Bevölkerung zu sensibilisieren?
Der grösste Teil der GSoA-Arbeit findet über politische Kampagnen mit einem konkreten Ziel statt. Die Schweiz kennt dazu diverse institutionalisierte Instrumente. Eine solche Kampagne erlaubt Medien- und Basisarbeit gleichzeitig. Auch über die GSoA-Zeitung, das Publikationsorgan der GSoA, findet Sensibilisierung zu friedenspolitischen Themen statt. Zudem führt die GSoA regelmässig Aktionen im öffentlichen Raum durch, um auf bestimmte Missstände hinzuweisen.
Wie können die BürgerInnen bei Ihnen mithelfen?
Die GSoA zeichnet sich durch explizit offene Strukturen aus: Alle können sich einbringen und engagieren. Sei es bei der Positionsfindung zu einzelnen Themen oder bei der Einführung neuer Themen, im Falle von Initiativen und Referenden bei Unterschriftensammlungen oder für Aktionen im öffentlichen Raum – die GSoA lebt vom freiwilligen Engagement der Mitglieder und Interessierten.
Welche waren Ihre wichtigsten Projekte in den letzten Jahren?
2013 ergriff die GSoA das Referendum gegen den Kauf neuer Kampfflugzeuge. Dank eines engagierten und überzeugenden Abstimmungskampfes wurde der milliardenschwere Beschaffungskredit an der Urne mit 53,4% der Stimmen abgelehnt. Aktuell befindet sich die GSoA in der Sammelphase der Initiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten» – kurz: Kriegsgeschäfte-Initiative. Ziel dieser Initiative ist es, der Schweizerischen Nationalbank und den staatlichen Vorsorgeinstituten zu verbieten, ihr Kapitalvermögen in die internationale Rüstungsindustrie zu investieren. Dass über den Schweizer Finanzplatz Gelder in tödliche Waffengeschäfte fliessen, ist ein nicht akzeptabler Zustand, der sich weder mit der humanistischen Tradition der Schweiz verträgt noch einzugliedern ist in eine konsequente Friedenspolitik.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Europa durchläuft einen gefährlichen Wandel: rechtsextreme Kräfte finden vermehrt wieder Einzug in die Parlamente, die Aussengrenzen der EU werden abgeschottet, die Ausgaben für Rüstung und Verteidigung steigen stetig. Dem gilt es entgegenzutreten. Die Zivilgesellschaft muss sich vermehrt vernetzen und mobilisieren, um mit vereinter Stimme auf die grosse Vielfalt an zivilen Wegen der Konfliktbehebung hinzuwiesen. In einem zweiten Schritt muss garantiert werden, dass diese Möglichkeiten auf dem politischen Parkett, national und international, aufgenommen und umgesetzt werden.