Es kommt Bewegung in die Diskussion um die Zukunft der East Side Gallery und des sie umgebenden Areals. Also auch des ehemaligen Todesstreifens und der zur Spree hingewandten Rückseite der Mauer, die auch gerade im Moment mit der Installation „Beyond The Wall“ von Stefan Rohloff zumindest temporär wieder zur West Side Gallery wird.
Nachdem das Land Berlin in den fast 30 Jahren, die die East Side Gallery nun besteht, diese eher als bauliches Hindernis bei der Entwicklung des ehemaligen Todesstreifens als lukratives Bauland behandelt hat, hat sich die neue Regierungskoalition in ihrem Koalitionsvertrag erstmals zu ihrer Verantwortung für dieses einzigartige Denkmal bekannt.
Doch Papier ist geduldig, weshalb die BVV von Friedrichshain-Kreuzberg auf Antrag von Bündnis 90/Die Grünen die Initiative ergriffen hat und Bezirksamt und Senat auffordert, die Versprechen des Koalitionsvertrages umzusetzen. Denn obwohl es dort heißt: „Die Koalition setzt sich für den durchgehenden Erhalt der Mauerreste und der Grünfläche im Bereich der East Side Gallery, sowie für Verhandlungen mit den Investor*innen über Ausgleichsgrundstücke ein.“, haben bislang keine Ge-spräche mit diesen stattgefunden. Und es findet sich im Haushaltsentwurf für die beiden kommenden Jahre kein Posten für die möglicherweise fällige Entschädigung, sollte kein geeignetes Ersatzgrundstück gefunden werden. Hier muss der Senat offensichtlich zum Jagen getragen werden. Denn die Realisierung des dort geplanten wuchtigen 120 Meter langen wuchtigen Hotel- und Wohnkomplexes „Waterfront Living“, für das der Senat gegen den Willen des Bezirks noch
unter einem Kultursenator Klaus Wowereit die Baugenehmigung erteilte, würde die East Side Gallery endgültig zum Gartenmäuerchen für Luxuswohnen herabwürdigen und das Erlebnis des „geteilten Himmels“ endgültig unmöglich machen.
Anders scheint es mit dem Versprechen, „Die Kunstwerke sollen auch zukünftig gepflegt, regelmäßig restauriert und die Informationen vor Ort erweitert werden.“ Hier verkündete der neue Kultursenator Klaus Lederer anlässlich einer Pressekonferenz zur Installation „Beyond The Wall“ die Übernahme der East Side Gallery durch die Stiftung Berliner Mauer. So sinnvoll und begrüßenswert diese Entscheidung sein mag, so ist doch irritierend, dass sie von den politisch Verantwortlichen ohne öffentliche Diskussion um das zukünftige Konzept einer dem besonderen Charakter der East Side Gallery getroffen worden zu sein scheint. Dabei würde es die East Side Gallery ohne das Engagement der Zivilgesellschaft wahrscheinlich nicht mehr geben. Anders als die Gedenkstätte Bernauer Straße steht dieser Ort nämlich in entscheidender Weise auch für die Aneignung und Transformation von Gedenken durch Künstler*innen und Aktivist*innen. Und diese sollten auch in maßgeblicher Weise an der Gestaltung der Zukunft der East Side Gallery beteiligt werden.
Der Bezirk hat deshalb beschlossen im Herbst dieses Jahres, noch bevor vollendete Tatsachen geschaffen sind, zu einem öffentlichen Hearing einzuladen. Gemeinsam mit allen Akteur*innen und der Stiftung soll hier über ein diesem besonderen Ort entsprechendes Konzept für die Zukunft der East Side Gallery gesprochen werden. Vielleicht die letzte Chance, die Zukunft der East Side Gallery quasi von unten mitzugestalten.
Einen Beitrag hierzu wollen die Aktivist*innen vom Bündnis East Side Gallery retten mit ihrer Idee eines lebendigen Denkmals der Freude leisten, mit denen wir uns aus diesem Anlass getroffen haben.
von Werner Heck erschienen am 28.08.2017 im Xhain-Stachel