Mehr als vier Jahre nach Verabschiedung des Abkommens zur Kontrolle des internationalen Waffenhandels (Arms Trade Treaty, ATT), machen Staaten weiterhin rücksichtslose Waffendeals mit teils verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung.
Zur Eröffnung der dritten Konferenz des Waffenhandelsabkommens (Arms Trade Treaty, ATT) in Genf kritisiert Amnesty International, dass die Staaten ihren Verpflichtungen durch den ATT bisher nicht nachgekommen sind. Frankreich, England und weitere Staaten beliefern Länder wie Ägypten und Saudi-Arabien weiterhin im grossen Umfang mit Waffen – trotz der bekannten Risiken von Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen.
Der Arms Trade Treaty, der 2014 in Kraft getreten ist, verbietet Waffentransfers, wenn ein grosses Risiko besteht, dass diese Waffen bei Kriegsverbrechen oder schweren Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden.
Neben den Delegationen von über 100 Staaten und 60 internationalen NGOs nimmt dieses Jahr zum ersten Mal auch eine Schweizer Jugenddelegation an der ATT-Konferenz teil. Die Delegation erklärt sich solidarisch mit den Jugendlichen weltweit, die unter Gewalt und Konflikten leiden, und fordert die Staaten dringend zum Handeln auf (zum Statement der Jugenddelegation).
Staaten missachten Arms Trade Treaty
«Eine halbe Million Menschen werden jedes Jahr durch Waffengewalt getötet, Millionen werden Opfer von bewaffneten Konflikten, die durch rücksichtslose Waffendeals geschürt werden», erklärt James Lynch, Leiter des Programms Waffenkontrolle und Menschenrechte bei Amnesty International. «Das Ziel des ATT ist es, menschliches Leid durch die Kontrolle des Waffenhandels zu verhindern, doch bis jetzt setzen viele Staaten das Abkommen nur ungenügend um und sind zu wenig transparent.»
Zahlreiche ATT-Vertragsstaaten – darunter Frankreich, England und Italien – beliefern Ägypten mit Waffen, wie z.B. leichten Schusswaffen und Munition, die für die interne Repression eingesetzt werden – und dies obwohl die ägyptische Regierung mit brutaler Gewalt gegen Proteste vorgeht und dabei Tausende von Oppositionellen getötet, gefoltert und verletzt hat. Laut dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI stammen 80 Prozent der Waffen, die Ägypten seit 2012 erhalten hat, aus den USA und aus Frankreich.
Zahlreiche Regierungen beliefern auch Saudi-Arabien mit Waffen, trotz klarer und glaubwürdiger Beweise für Kriegsverbrechen, die von der saudischen Allianz im Jemen-Konflikt begangen wurden, etwa die Bombardierung von Schulen, Spitälern und anderer ziviler Infrastruktur. Seit Beginn des Konfliktes 2015 hat England Exporte von Waffen-Lizenzen im Wert von 3,7 Milliarden Pfund bewilligt. Die USA und England sind laut SIPRI für 80 Prozent der Waffenlieferungen an die Saudis seit 2012 verantwortlich.
Grosse Waffenmengen erhielt Saudi-Arabien seit Beginn des Jemen-Konfliktes 2015 auch von Frankreich (218 Millionen USD), Spanien (196 Millionen USD), Schweiz (186 Millionen USD), Italien (154 Millionen USD), Kanada (115 Millionen USD) und der Türkei (91 Millionen USD). Laut Bundesrat liefert die Schweiz allerdings keine Waffen an Saudi-Arabien, die im Jemen-Konflikt eingesetzt werden könnten.
Fehlende Transparenz der Staaten
Laut Arms Trade Treaty müssen die Vertragsstaaten jährliche Berichte über ihre Waffenexporte und –Importe einreichen, was von entscheidender Bedeutung ist, um Licht ins Dunkel des internationalen Waffenhandels zu bringen. Da im ATT keine unabhängigen Mechanismen vorgesehen sind, welche die Umsetzung des Abkommens durch die Staaten überprüfen könnten, sind die Berichte der Staaten entscheidend für die Überprüfung durch Parlamente, Medien und NGOs.
Bis jetzt haben aber nur 48 von 75 Staaten die Jahresberichte für 2016 geliefert; 13 Staaten, darunter Island und Nigeria haben selbst den Bericht für 2015 noch nicht eingereicht. Weitere Staaten haben ihre Berichte nur unvollständig abgegeben und Teile davon völlig weiss gelassen, ohne dafür eine Erklärung abzugeben.
«Die Tatsache, dass Staaten grosse Lücken offen lassen oder ihre Berichte gar nicht abgeben, wirft die Frage auf, was sie verheimlichen wollen», so James Lynch. «Heute werden mehr Waffen verschoben als je seit dem Ende des kalten Krieges – und viele Waffen gelangen in Konfliktzonen sowie in Länder mit brutaler Repression. Die Vertragsstaaten müssen sich daran erinnern, dass ein Ziel des ATT ist, menschliches Leid zu verhindern und sie müssen die Konferenz dazu nutzen, alle Waffenexporteure und –Importeure für dieses Ziel verantwortlich zu machen.»