Das Wahltheater in Deutschland ist eröffnet! Wie gewohnt, versprechen die politischen Parteien wieder einmal dem Wahlvolk alles Gute und die Lösung aller Probleme. Die Hauptlosung der letzten Wahlperiode „kein weiter so!“ ist längst vergessen.
Ein uralter Regieplan für das Wahltheater liegt als Handbuch vor. Titel: „Commentariolium petitionis“. Verfasser der Bruder von Tullius Cicero, Quintus C.. Das Handbuch wurde für heute von Wahlberatern an die Moderne angepasst. Die Beraterzunft ist seit etwa 2000 Jahren meist eigennützig tätig. Marcus Tullius Cicero hatte seinen Bruder zum Wahlkampfberater auserkoren, um im Jahr 64 v.d.Ztr. die Wahl zum Konsul der Römischen Republik zu gewinnen; dem damals höchstem Amt des Staates. Quintus trug in „brüderlicher Offenheit“ seine Empfehlungen zusammen. So machte er den Bruder Marcus Tullius Cicero zunächst einmal darauf aufmerksam „es handelt sich um die römische Bürgerschaft, wo Betrügereien, wo Laster aller Art grassieren, wo man mit Anmaßung, mit Trotz, mit Übelwollen, ja mit Hass und Belästigungen von vielen Seiten zu rechnen hat“. Um sodann zu konstatieren: „Offenbar bedarf es großer Klugheit und Geschicklichkeit… nirgends anzustoßen“. Wichtig schien Quintus vor allem folgender Ratschlag: „Charakter ist zwar ein unschätzbarer Besitz, aber bei einer nur wenige Monate dauernde Mandatszeit, darf man sich doch mal verstellen und den Charakter in den Hintergrund drängen“. Bruder Quintus nahm kein Blatt vor den Mund und ermunterte: „An Leutseligkeit fehlt es Dir ja nicht, … aber darüber hinaus bedarf es der Schmeichelei, die im gewöhnlichen Leben unmoralisch und entwürdigend, bei der Bewerbung zur Wahl aber unvermeidlich ist. Wenn Speichelleckereien demoralisiert, ist sie verwerflich. Wenn sie einen dagegen Freunde erwirbt, ist sie doch nicht schlechthin zu tadeln.“
Auf jeden Fall sei rege Betriebsamkeit erforderlich: „Es gilt, das Interesse der Freunde wach zu halten und die Zuneigung des Volkes zu gewinnen. Das Interesse der Freunde will durch Wohltaten, Liebesdienste etc. gewonnen sein.“ Quintus stachelte den Ehrgeiz des Bruders an: „Brilliere mit Deiner Redekunst, damit hält man die Leute auf Linie.“ Außerdem sollte darauf geachtet werden, „ dass sich auch für die Mitbewerber eine ihrem Charakter entsprechende Verrufenheit wegen ihrer Verbrechen, Ausschweifungen oder Bestechungen einstellt.“ Cicero wird wohl die Ratschläge seines Bruders befolgt haben. Er hat die Wahl gewonnen.
Populismus als Wahlstrategie
Aufklärung und Wissenstand bei den Wählern des alten Roms hatten aus unserer heutigen Sicht Defizite. Das zusammenfassende Urteil Mommsens über Marcus Tullius Cicero fiel nach seinen Forschungen zur römischen Geschichte hart aus. Er stellte den großen Rhetoriker als Urbild eines Blenders dar.
Eine andere Variation für die Wahlstrategie, die man auch nicht gutheißen kann, scheint der populistische Donald Trump in den USA zu verfolgen. Zu seinem Arsenal gehören Ausländerhass, Verbreitung von Ängsten, auch national-egoistische Ziele und Verleumdung. Sein Freundeskreis aus Bank- und Wirtschaftskreisen erwartet bevorzugte Stücken aus dem Steuerkuchen des Landes.
Die Strategien der Kandidaten heutiger Wahlen ähneln erschreckend den Konzepten, die in Zeiten der römischen Republik verfolgt wurden. Die Gene des Egoismus im Menschen scheinen stark und ausdauernd zu sein. Bildung als Gegenmittel wirkt nur langsam. Sie ist jeder kommenden Generation neu zu vermitteln. Gedankliche Klarheit für die Aufgabe und die finanziellen Mittel dazu müssen erarbeitet und von den gewählten Abgeordneten mit den Haushaltsplänen ausreichend zugewiesen werden. Die Grundwerte der Menschengemeinschaft, wie Toleranz, Frieden, Gleichheit, Brüderlichkeit, Freiheit, Moral sollten von den Politikern und den Medien häufiger debattiert werden. Aufklärung tut not! Sie darf dem Konsumrausch nicht zum Opfer fallen.
Junge Impulse für mehr Gerechtigkeit und Demokratie
Die Botschaft zu politischen Wahlen lautet: Wähler, nutzt alle eure Chancen, um auf friedlichem Weg, über Wahlen das Tor zu einer sozialgerechten und naturbewussten Alternative zu öffnen. Die Wegstrecke führt über ein neu zusammengesetztes Parlament, das dem Willen der Wähler folgt, über eine entbürokratisierte Regierung und über eine andere Wirtschaftsweise, die den materiellen Fortschritt für Alle und kein reines Geldwachstum für Wenige zum Ziel hat und die der Natur Zeit zur Regeneration lässt… Unsere alternde, chaosschwangere Gesellschaft braucht junge Impulse für mehr Gerechtigkeit und Demokratie.
Eine Wette wert ist die Behauptung, dass die Parteien mit ihren Abgeordneten zunächst die direkten Nutznießer der Wahlen sind. Das Parteien- und das Wahlgesetz, die Parteispendenregelungen und die Diätenfestlegungen für die Abgeordneten bestimmen es so. Allein die 630 Abgeordneten der laufenden Bundestagsperiode erhalten etwa 18 Millionen Euro (Netzportal Abgeordneten Watch.de). Parteien beziehen aus der Steuerkasse in der Summe zirka 760 Mio. Euro als Zuschüsse für ihre Fraktionen und die Stiftungen, für die Bezahlung der Mitarbeiter der Abgeordneten und der Büros. Hinzu kommen die Wahlkampfkostenerstattungen für alle Parteien, die zu den Wahlen zugelassen sind („Parteien“, Fischer Kompakt und „Parteiendemokratie in Deutschland“, Bundeszentrale für politische Bildung Bd.338).
Politische Wahlen sind keine Selbstverständlichkeiten. Unser Wahlrecht wurde erst in Revolutionen erkämpft. Die Frauen mussten es lange erstreiten. Nehmt am 24.9. Euer Wahlrecht wahr. Wir sehen uns im Wahllokal. Versprochen.