Die Preisträger des diesjährigen Right Livelihood Award, weithin bekannt als „Alternativer Nobelpreis“, wurden heute in Stockholm, Schweden, bekannt gegeben.
Den nicht dotierten Ehrenpreis erhält Robert Bilott (USA) „für die Aufdeckung einer über Jahrzehnte andauernden chemischen Umweltverschmutzung, das Erreichen von Entschädigung für deren Opfer und seinen Einsatz für eine effektivere Regulierung gefährlicher Chemikalien“. Bilott kommentierte: „Ich hoffe, dass diese Auszeichnung dazu beiträgt, ein stärkeres Bewusstsein für den Schutz unseres Trinkwassers und die Stärkung der Rechte von betroffenen Anwohnern und Gemeinden zu schaffen.“
Das Preisgeld von 3 Mio. SEK (ca. 315.000 EUR) teilen sich drei Preisträgerinnen und Preisträger:
Colin Gonsalves (Indien) wird von der Jury geehrt „für seinen unermüdlichen und innovativen Einsatz vor Gericht, um die grundlegenden Menschenrechte von Indiens marginalisiertesten Bürgern zu schützen“. Gonsalves kommentierte: „Ich nehme dieses Privileg mit Demut entgegen. Die Auszeichnung kommt zu einer Zeit, in der Indien durch eine dunkle Zeit geht und Menschenrechtsaktivisten unter Druck gesetzt werden. Die Plattform, welche die Stiftung bietet, wird uns dabei helfen, den demokratischen Widerstand in dieser kritischen Situation zu stärken.“
Khadija Ismayilova (Aserbaidschan) erhält die Auszeichnung „für ihren Mut und ihre Hartnäckigkeit, Korruption auf höchster Regierungsebene durch herausragenden investigativen Journalismus aufzudecken“. Es ist das erste Mal, dass ein Right Livelihood Award an eine Preisträgerin aus Aserbaidschan geht. Ismayilova kommentierte: „Es ist eine Ehre für mich, einen so prestigeträchtigen Preis zu erhalten. Ich nehme die Auszeichnung im Namen aller Journalisten und Verteidiger der Menschenrechte in meinem Land an, die trotz schwierigster Bedingungen unermüdlich weiterarbeiten.“
Yetnebersh Nigussie (Äthiopien) wird von der Jury ausgezeichnet „für ihre inspirierende Arbeit, die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu stärken und sich für deren Inklusion stark zu machen. Sie ermöglicht es Menschen, ihr Potenzial voll auszuschöpfen und verändert dabei die Denkweise in unserer Gesellschaft.“ Nigussie kommentierte: „Es ist eine große Ehre, den Right Livelihood Award zu erhalten. Die Anerkennung ist ein willkommener Schub für die andauernde Forderung nach wirklicher Inklusion und voller Beteiligung von Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen.
Bekanntgabe im schwedischen Außenministerium
Die Bekanntgabe der Preisträger erfolgte im internationalen Pressezentrum des schwedischen Außenministeriums durch Ole von Uexkull, Direktor der Right Livelihood Award Stiftung, und Maina Kiai, Jurymitglied und früherer UN-Sonderberichterstatter für Versammlungs- und Vereinsfreiheit, nach der Entscheidung einer internationalen Jury, welche die Preisträger aus 102 Nominierungen aus 51 Ländern auswählte.
Ole von Uexkull: „Die diesjährigen Preisträger schützen die Rechte und das Leben der Bürger auf drei Kontinenten. Mit ihrer mutigen Arbeit für Menschenrechte, öffentliche Gesundheit und verantwortungsvolle Regierungsführung begegnen sie einigen der weltweit drängendsten Herausforderungen. In einer Zeit der alarmierenden Rückschläge für die Demokratie zeigen uns ihre Erfolge den Weg zu einer gerechten, friedlichen und nachhaltigen Welt für alle.“
Im Jahr 1980 gegründet, ehrt und unterstützt der Right Livelihood Award Menschen und Organisationen, die visionäre und beispielhafte Lösungen für die Ursachen globaler Probleme anbieten. Mit den diesjährigen Preisträgern zählt die Stiftung 170 Preisträger aus 69 Ländern.
Über die Preisträger
Robert Bilott
Robert Billot zählt zu den weltweit anerkanntesten Anwälten für Umweltrecht. Durch die Kombination von innovativer Prozessführung, wissenschaftlichem Verständnis und einem beachtlichen Durchhaltevermögen gelang es ihm, einen der größten gerichtlichen Erfolge des Jahrhunderts im Umweltrecht und für die Verantwortung großer Unternehmen zu erzielen. In einem 19 Jahre andauernden Rechtsstreit vertrat er 70.000 Anwohner, deren Trinkwasser durch den Chemiegiganten DuPont mit Perfluoroctansäure (PFOA) verseucht worden war. Im Rahmen von Sammelklagen ließ Robert Billot eine umfassende toxikologische Untersuchung der 70.000 Opfer durchführen, die sieben Jahre in Anspruch nahm. Diese trug maßgeblich zum besseren wissenschaftlichen Verständnis der gesundheitlichen Risiken von per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC) bei. Die chemischen Substanzen dieser Gruppe, welche weder in der Umwelt noch im menschlichen Körper abgebaut werden können, sind heutzutage allgegenwärtig. In einer Zeit, in welcher in den USA und anderen Ländern die Abschwächung umweltrechtlicher Regulierungen droht, schaffte es Robert Billot nicht nur, Entschädigung für seine Mandanten zu erstreiten, sondern drängt auch beharrlich auf eine bessere Regulierung von giftigen Chemikalien. Ole von Uexkull: „Der Umweltskandal, den Robert Bilott aufgedeckt hat, ist nur die Spitze des Eisbergs der globalen Verschmutzung mit PFC. Dank seiner anhaltenden Arbeit wissen wir nun, dass diese Chemikalien eine ernsthafte Bedrohung für die öffentliche Gesundheit auf der ganzen Welt darstellen und dringend reguliert werden müssen.“
Colin Gonsalves
Colin Gonsalves gehört zu den innovativsten und erfolgreichsten Menschenrechtsanwälten seiner Generation. Er ist Rechsanwalt am Obersten Gerichtshof Indiens, außerdem Gründer des Menschenrechtsnetzwerkes (HRLN), einem indischen Netzwerk von Anwälten, die sich für Klagen im öffentlichen Interesse einsetzen (sog. public interest litigation). Schon seit drei Jahrzehnten engagieren sich die Anwälte des Menschenrechtsnetzwerkes HRLN mit Klagen im öffentlichen Interesse, um die Regierung für ihr Handeln zur Verantwortung zu ziehen und um ein breites Spektrum an Menschenrechten zu sichern. Zu Gonsalves’ Mandanten zählen Indiens verletzlichste Bürger wie moderne Sklaven, ethnische und religiöse Minderheiten, Geflüchtete, Slumbewohner, Frauen und Arme. Zu seinen größten Erfolgen vor Gericht kann Gonsalves den 2001 erstrittenen Fall “Recht auf Nahrung” zählen, in welchem Indiens Oberster Gerichtshof nicht nur die Einführung eines kostenfreien Mittagessens für alle Schulkinder rechtlich etablierte, sondern auch die Subventionierung von Getreide für 400 Millionen Inder durchsetzte, die unterhalb der Armutsgrenze leben. In den Jahren 2016 und 2017 erzielte Gonsalves einen weiteren gerichtlichen Meilenstein vor dem Obersten Gerichtshof: Er erstritt die Aufhebung der langjährigen Immunität der indischen Armee vor Strafverfolgung. Dadurch ist die Zahl außergerichtlicher Hinrichtungen in Indiens nordöstlichen Bundesstaaten signifikant zurückgegangen. Ole von Uexkull: „Colin Gonsalves hat ein Netzwerk von Rechtsanwälten in ganz Indien aufgebaut, die den am meisten benachteiligten Menschen bei der Durchsetzung ihrer Rechte helfen. Sein berühmter „Recht auf Nahrung“-Prozess am Obersten Gerichtshof Indiens hat zu einer besseren Versorgung von 400 Millionen Menschen geführt. In einer Zeit, in der Indien, wie viele Länder, autoritärer wird, spielen Colin und sein Anwaltsnetzwerk eine entscheidende Rolle bei der Verteidigung der Demokratie.“
Khadija Ismayilova
Khadija Ismayilova ist die bedeutendste investigative Journalistin Aserbaidschans. In den vergangenen zehn Jahren hat ihre Berichterstattung den Umfang der korrupten und lukrativen Geschäfte der herrschenden Elite Aserbaidschans dokumentiert, in die auch Familienmitglieder von Präsident Aliyev involviert sind. Sie hat Beweise für Korruption auf höchster Regierungsebene gefunden, die auch multinationale Unternehmen wie TeliaSonera betrafen. Ihre Recherchen und Dokumentationen zeigen auf, wie der Reichtum der Nation geplündert und ins Ausland geschleust wird. Mit dem Geld werden zum Beispiel europäische Politiker beeinflusst, wie der aktuelle Fall der CDUBundestagsabgeordneten und Vorsitzenden der Deutsch-Südkaukasischen Parlamentariergruppe Karin Strenz zeigt: Die Politikerin äußerte sich gegen hohe Zahlungen aserbaidschanischer Lobbyfirmen positiv über das Regime, lobte im Gegensatz zur OSZEBeobachtermission die Wahlen 2010 und stimmte als einzige deutsche Abgeordnete im Europarat gegen eine Resolution zur Freilassung politischer Häftlinge in Aserbaidschan. Gegenüber dem Deutschlandfunk sagte Ismayilova: „Solche Leute ermöglichen es dem Regime, unsere Freiheit zu unterdrücken und uns ins Gefängnis zu bringen.“ Für die Veröffentlichung von Artikeln über staatliche Korruption wurde Ismayilova mit Schmutzkampagnen, Schikanen und Strafgeldern verfolgt. Trotz einer eineinhalb Jahre währenden Gefängnisstrafe hat Ismayilova sich nicht zum Schweigen bringen lassen und schreibt weiter. Ismayilova widmet sich auch der desaströsen Menschenrechtsbilanz in Aserbaidschan, schreibt über politische Gefangene und unterstützt deren Familien. Während die Regierung weiterhin Journalisten einschüchtert und verhaften lässt, bleibt Ismayilova standhaft und fordert in ihren Artikeln ein verantwortungsvolles Regierungshandeln in Aserbaidschan. Ole von Uexkull: „Khadija Ismayilova ist eine der mutigsten und fähigsten Journalistinnen ihrer Generation. Trotz Gefängnisstrafe, trotz Drohungen und Schmutzkampagnen lässt sie nicht locker, die Machenschaften der autoritären aserbaidschanischen Regierung und der herrschenden Elite ans Licht zu bringen. Dank ihrer engagierten Arbeit wissen wir jetzt, wie tief europäische Politiker und Unternehmen in Korruption und Bestechung in Aserbaidschan verwickelt sind.“
Yetnebersh Nigussie
Yetnebersh Nigussie ist eine äthiopische Aktivistin für Menschenrechte. Ihr Engagement basiert auf ihren eigenen Erfahrungen von Diskriminierung – aufgrund ihrer Herkunft, ihres Alters, ihres Geschlechts und nicht zuletzt, weil sie seit dem sechsten Lebensjahr blind ist. Mutig kämpft sie für die Rechte von Frauen und Mädchen, für eine inklusive Bildung und eine engagierte, lebendige Zivilgesellschaft. Nigussie ist eine wichtige Fürsprecherin für die Umsetzung der Konvention der Vereinten Nationen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (CRPD). Durch ihre unermüdlichen Bemühungen gelang es ihr, die Wahrnehmung von Menschen mit Behinderung nicht nur in ihrem eigenen Land, sondern weltweit zu verändern. Ihre Botschaft dabei lautet: „Konzentriere dich auf den Menschen, nicht auf seine Behinderung. Einer Schwäche stehen 99 Stärken gegenüber!“ Momentan arbeitet sie als Inklusionsbeauftragte für die Nichtregierungsorganisation „Light for the world“ und kämpft für die Inklusion der weltweit mehr als eine Milliarde Menschen (15 Prozent der Weltbevölkerung), die eine Behinderung haben. Ihr Ziel ist es, integrative Konzepte für zukünftige Generationen zu schaffen, die sich an den international geforderten Rahmenbedingungen aber auch den jeweiligen nationalen Möglichkeiten orientieren. Ole von Uexkull: „Yetnebersh Nigussie ist ein glänzender Stern der Hoffnung, nicht nur für die mehr als eine Milliarde Menschen mit einer Behinderung. Mit ihrer persönlichen Geschichte und ihrer politischen Arbeit als Aktivistin kämpft sie für einen positiven sozialen Wandel und betont dabei unsere Rechte und unsere Fähigkeiten als Menschen. Mit Yetnebersh Nigussie ehren wir eine mutige Frau, die das enorme Potenzial einer inklusiven Gesellschaft aufzeigt.“
Über den Preis
Der Right Livelihood Award ist keine Auszeichnung für die politische, wissenschaftliche oder wirtschaftliche Elite der Welt, sondern eine Auszeichnung für normale Menschen und ihre Arbeit für eine bessere Zukunft. Jeder Mensch auf der Welt kann jeden für den Preis nominieren. Der Award ist nach dem buddhistischen Konzept des Right Livelihood benannt, der Idee einer ethischen Lebensweise, die andere Menschen und die natürliche Welt respektiert. Neben der jährlichen Auszeichnung unterstützt die Right Livelihood Award Stiftung die Arbeit ihrer Preisträger, insbesondere derjenigen, die aufgrund ihrer Tätigkeit in Gefahr sind. Zu den früheren Preisträgern gehören die amerikanischen Whistleblower Daniel Ellsberg und Edward Snowden, die Tageszeitung Cumhuriyet (Türkei), die Weißhelme (Syrien), Umweltaktivisten wie Vandana Shiva (Indien) und Hermann Scheer (Deutschland), Menschenrechtsaktivisten wie Jacqueline Moudeina (Tschad), Dr. Denis Mukwege (DR Kongo) und Bianca Jagger (Nicaragua), sowie die schwedische Kinderbuchautorin Astrid Lindgren.
#RightLivelihood2017 www.rightlivelihood.org @rlafoundation