Seit Jahren setzen viele Staaten auf „Rückführungsabkommen“ und nehmen damit in Kauf, dass Menschen, denen Haft, Folter und Tod droht, sogar in ihren Verfolgerstaat abgeschoben werden – Von Valentin Grünn
Deutschland setzte aktuell, auf öffentlichen Druck, die Rückschiebungen nach Ungarn aus, weil dort die Menschenrechte nicht mehr eingehalten werden und Flüchtlinge beispielsweise auf unbestimmte Zeit festgehalten werden. Mit anderen Staaten sind die Rückführungen gang und gäbe und es wird ausgiebig davon Gebrauch gemacht, um grundlegende Menschenrechte zu umgehen, ohne sich die Finger schmutzig machen zu müssen.
„Readmission“-Abkommen, auf deutsch „Rückführungsabkommen“ sind auf den ersten Blick ganz einfache bilaterale Abkommen zwischen zwei Staaten, um zuzusichern, dass irreguläre Migranten und abgelehnte Asylbewerber abgeschoben und aufgenommen werden können, auch wenn es sich dabei nicht um eigene Staatsbürger handelt. Dies mag zunächst plausibel scheinen angesichts der vielen Beschwerden, dass es zu schwer sei, Abschiebungen zu vollziehen.
Solche Abkommen existieren schon seit den 1950er Jahren innerhalb Europas. In den letzten zwei Jahrzehnten ist es zu einem massiven Anstieg solcher Rückführungsübereinkünfte gekommen und das Instrument hat sich damit über den ganzen Globus verteilt. Was zunächst zwischen Europäischen Staaten begann ist nun zu einem globalen Phänomen geworden, das grundlegende Menschen- und Flüchtlingsrechte aushebelt und so dazu führt, dass Menschen einerseits keinen Schutz mehr finden und andererseits auch in Gefahr geraten an ihren Verfolgerstaat, in dem oft Haft, Folter und Tod droht, abgeschoben zu werden. Da zu diesen Rückführungsabkommen neben dem Vertragstext oft auch informelle Vereinbarungen geschlossen werden, gehen auch die letzten international verbindlichen Rechte von Migranten verloren. Selbst grundlegende Menschenrechte für Menschen die aus Europa abgeschoben werden, können so nicht mehr garantiert werden.
Der EU-Türkei Deal ist ein gutes Beispiel für einen solchen Prozess. Dieser ging auch tatsächlich aus Verhandlungen über ein Rückführungsabkommen hervor. Während syrischen Flüchtlingen darin ein gewisser Schutz in der Türkei zugesichert werden soll, ist es schon längst zu Kettenabschiebungen von Afghanen und Pakistanern gekommen, die von Griechenland in die Türkei und weiter in den Irak oder Iran deportiert wurden. Was dort passiert, ist aus der EU nicht mehr zu kontrollieren und die Verantwortung damit verschleiert. Es wurden auch Berichte bekannt, nach denen die Türkei selbst Syrer nach Syrien zurückschiebt.
Rückführungen sind ein zentraler Baustein des europäischen Grenzschutzes geworden, gerade auch in Verhandlungen mit afrikanischen Staaten. Die Vereinbarungen, die mit Ägypten, mit Eritrea, dem Sudan und vielen zentralafrikanischen Staaten geschlossen werden sollen, beruhen auch auf der Grundlage solcher Rückführungensabkommen. Ägypten, das Land in dem al-Sisi faktisch alle Grundrechte außer Kraft gesetzt hat; Eritrea, das Land mit einer brutalen Militärdiktatur, die ihre jungen Männer, auf unbestimmte Zeit, oft auf Lebenszeit, zum Militärdienst verpflichtet und der Sudan, dessen Präsident al-Bashir vom Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gesucht wird. Welche Abkommen aktuell mit den Staaten im Saharagebiert geschlossen werden, um den Andrang übers Mittelmeer aufzuhalten, kann sich jeder ausmalen. Auch das Dublin-Abkommen ist auf Rückführungsmechanismen aufgebaut.
Die Gefahr bei solchen Kettenabschiebungen (auch Weiterschiebung genannt) besteht darin, dass der Schutzsuchende natürlich nicht in sein Heimatland, sondern in ein Drittland abgeschoben wird, von wo aus, er aufgrund weiterer Abkommen in den Verfolgerstaat weiter geschoben wird.
Unterschiedliche Standards in den verschiedenen EU-Staaten erlauben eine äußerst kreative Handhabung dieser Regelungen und zeigen, wie gut internationale Zusammenarbeit funktionieren kann, wenn sie dieselben Ziele verfolgen. Während in Großbritannien eine nicht-staatliche Verfolgung als Asylgrund ausreichend sein kann, ist dies in Deutschland nicht der Fall. Dies führte vor wenigen Jahren in einem Fall dazu, dass Großbritannien einen Tamilen nach Deutschland abschieben wollte, der im Heimatland vor einer Rebellengruppe geflohen war. Deutschland hätte ihn abschieben können, Großbritannien nicht.
Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte sieht diese Abkommen äußerst kritisch und hat in vielen Einzelfällen, auch hier, diese Vorgehensweise gestoppt. Eine Umsetzung der Entscheidungen in internationales Recht erfolgt aber äußerst schleppend, keine Regierung ist daran interessiert, sich diese einfache Möglichkeit zu verbauen.
Aus Griechenland wurde berichtet, dass zu wenige Beamte für die Asylverfahren vor Ort waren, die EU jedoch aus „Sicherheitsgründen“ keine weiteren Beamten schicken wollte und deshalb ohne viel Federlesens auch mal schneller in die Türkei abgeschoben wird, auch wenn die Asylanträge noch nicht bearbeitet sind. Wie die Türkei weiter mit den Flüchtlingen verfährt, lässt sich nur erahnen. Gesichert ist, dass Afghanen und Pakistani in den Iran und den Irak weiterverschoben werden; und dies OHNE vorherige Prüfung des Asylgrundes durch irgendeine europäische Behörde.
Inwieweit Kroatien, das lediglich 660 Plätze für Asylbewerber aufweist, aber bereits Tausende von Deutschland und Österreich überstellt bekommen hat oder Bulgarien, das zum Schutz der Grenze gar auf geduldete Bürgerwehren setzt, Rückführungsabkommen mit anderen Drittstaaten abgeschlossen haben und ob/wie oft sie diese umsetzen, entzieht sich der Öffentlichkeit. Sie werden „aus gutem Grund“ kaum publiziert und schon gar nicht übersetzt; die Nebenabkommen sowieso nicht. Der justizielle Schutz, der schon hier kaum garantiert werden kann, verflüchtigt sich mit jeder weiteren Station solcher Kettenabschiebungen.
Auch die Schweiz bediente sich bei der Abschiebung von Yangdon Chorasherpa nach Nepal eines solchen Abkommens. Dort wurde sie inhaftiert, China verlangte die Auslieferung. Seit sie in ein abgelegendes grenznahes Gefängnis verlegt wurde, ist über ihr weiteres Schicksal nichts bekannt.
Rückführungsabkommen sind eine einfache und unkomplizierte Möglichkeit sich unerwünschter Migranten zu entledigen ohne sich die Finger allzusehr schmutzig machen zu müssen. Das hoch komplizierte und tief verzweigte Netzwerk der internationalen Abkommen verhindert eine öffentliche und gar eine gerichtliche Kontrolle staatlichen Handelns und kann letzten Endes zum legalisierten Foltertod der Migranten führen.