Liebe Leserinnen und Leser,

die Situation in Spanien spitzt sich zu. Am Sonntag, dem 1. Oktober, will die katalanische Landesregierung ein Referendum abhalten. Die Bürgerinnen und Bürger Kataloniens sollen darüber abstimmen, ob Katalonien von Spanien unabhängig werden soll.

Die Zentralregierung in Madrid will das Referendum, obgleich es keine Rechtsverbindlichkeit besitzt, mit aller Macht unterbinden. Dafür werden Polizeikräfte in Katalonien zusammengezogen. Die Zeichen stehen auf Konfrontation.

Wenn die Politik ihre Stimme nicht erhebt, um alle Seiten im Katalonien-Konflikt zur Besonnenheit und zum friedlichen Dialog aufzurufen, müssen es die Menschen in Europa selbst tun.

Was macht Europa? Die europäische Politik schweigt. Das ist für unseren Autor Jairo Gomez nicht hinnehmbar.

Jairo Gomez hat deshalb einen Appell verfasst, der sich an Spanier und Katalanen richtet. Er fordert sie darin auf, den Konflikt gemeinschaftlich und friedlich zu lösen, und sich nicht durch die Machtinteressen der politischen Eliten in Madrid und Barcelona entzweien zu lassen.

Wer sich dem Appell anschließen möchte, ist von Jairo Gomez eingeladen, seinen Namen im Kommentarfeld unterhalb des Appells einzutragen, ihn zu teilen und zu verbreiten. Dieser Appell wird in mehrere Sprachen übersetzt und in spanischsprachigen Foren und in sozialen Netzwerken geteilt.


Brüderlicher Appell

Liebe Mitmenschen in Spanien und Katalonien,

während ein großer Teil der europäischen Politik angesichts der besorgniserregenden Situation in Eurer Heimat schweigt, ist es an der Zeit, dass Eure Brüder und Schwestern im übrigen Europa ihre Stimmen erheben und sich an Euch und an jene wenden, die behaupten, Eure Vertreter zu sein.

Viele Menschen aus der ganzen Welt haben Euer Land besucht und nicht wenige von uns haben in Spanien ihre Wurzeln. Jeder, der über die Ramblas in Barcelona spaziert ist oder die Sagrada Familia von Gaudí besucht hat, der seine Schritte auf dem Camino in Richtung von Compostela gelenkt hat, jeder der Werke von Meistern wie Goya, Velazquez, Dalí, Miró und Picasso betrachtet hat und jeder, der in den Gärten der Alhambra spaziert ist und seinen Blick auf die Sierra Nevada gerichtet hat oder einen der vielen anderen wunderbaren Orte Eures Landes genießen durfte, trägt in seinem Herzen ein Stück seiner Vielfältigkeit. Vor allem aber, weil wir in irgendeiner Art und Weise Zeit mit Euch verbracht haben.

Wir lieben Euch und es bereitet uns Sorge, dass ihr in die gleiche Falle tappt, in die unsere Brüder und Schwestern im ehemaligen Jugoslawien getappt sind, in der sich unsere Mitmenschen in der Ukraine befinden oder in anderen Teilen der Erde, wo Menschen gegen Menschen aufgehetzt werden.

Zu allen Zeiten und in allen Epochen sind es immer wieder dieselben gewesen, die den Menschen Ideologien und Prinzipien eingeflößt haben, die ein ums andere Mal ins Desaster führten. Das Leid und das Unglück blieben stets für das Volk. Denkt bitte an den Horror des letzten Jahrhunderts, den Euer Land erleiden musste und an die Wunden, die geschlagen wurden – und die, wie es scheint, noch immer nicht verheilt sind. Fügt keine neuen Wunden hinzu.

Jedes Volk, das eine eigene Sprache und eine eigene Kultur hat, sollte das Recht auf freie Selbstbestimmung haben und es auch ausdrücken dürfen. Aber dies manifestiert sich weder durch Flaggen, noch Hymnen, noch durch Grenzen oder Ausgrenzung anderer, sondern durch die Sprache, die Art zu leben und zu sein. Letzteres kann durch Gesetze weder aufgezwungen noch genommen werden.

Allein die Anstrengungen aller Menschen, ungeachtet von Grenzen, die Brüder und Schwestern voneinander trennen, und ungeachtet von Herrschern, ob in Barcelona, Madrid, Paris, Berlin, Moskau, Peking, New York oder wo auch immer auf der Welt, die danach trachten, uns und unsere Brüder und Schwestern zu beherrschen, sie für ihre Zwecke zu missbrauchen und zu unterdrücken, ist die verpflichtende Aufgabe, der wir uns stellen müssen, um jede Herausforderung gemeinsam zu bestehen, Lösungen zu finden und eine friedliche Welt zu gestalten.

Widersteht dem Gift aus Hass und Vorurteilen. Sucht den Dialog mit Euren Brüdern und Schwestern.

Herzliche Grüße,

Bernardo Jairo Gomez Garcia

Der Originalartikel kann hier besucht werden