Der Anschlag in Barcelona und die Ereignisse in Cambrils und Alcanar erinnern daran, dass der Terror ein langjähriger Begleiter Spaniens ist. Es mögen zwar unterschiedliche Motive sein, die Menschen dazu treiben jedes Mitgefühl, jeden Respekt vor dem Leben über Bord zu werfen, die Ergebnisse jedoch, sind immer die gleichen. Unschuldige werden getötet oder verletzt, Familien zerstört, Menschen traumatisiert.
Bisher sind es 14 Tote und über 100 Verletzte, die die Probleme in den Hintergrund treten lassen, die Spanien bisher beschäftigten.
Kaum einer wird an die ausufernde Korruption in Politik und Wirtschaft gedacht haben, als Mariano Rajoy, Spaniens Ministerpräsident und Zeuge im Fall Gürtel, sein Statement zu den Terroranschlägen abgab.
Und kaum einer wird an die Unabhängigkeitsbestrebung Kataloniens gedacht haben, die Spanien vor eine Zerreißprobe stellt.
Aktuell ist nur eines erkennbar: Die Spanier stehen zusammen gegen den Terrorismus, egal, ob sich wie in der Vergangenheit eine Organisation wie Al-Qaida oder heute der Islamische Staat zu dem Anschlag bekennt, und egal, wo die Ursachen für Terrorismus ausgemacht werden.
So war es in Spanien schon immer, gleichgültig, wer getötet hat, ob nun rechtsradikale oder islamistische Terroristen, die Paramilitärs der Grupos Antiterroristas de Liberación (GAL) oder die separatisch-baskische Untergrundorganisation ETA.
Gerade unter den Anschlägen der ETA hat Spanien zwischen 1960 und 2009 besonders gelitten. Die Zahl der Todesopfer, die der Terror der Untergrundorganisation gefordert hat, wird auf über 800 geschätzt.
Waren in den 1960er und 70er-Jahren hauptsächlich Polizisten und Armeeangehörige Ziele der Anschläge, begann die ETA in den 80ern die Zivilbevölkerung zu terrorisieren. Auch in Barcelona. 1987 explodierte eine Autobombe in der Tiefgarage eines Supermarkts. 21 Menschen verloren ihr Leben, 45 wurden verletzt.
In allen großen spanischen Städten fanden sich nach solchen schrecklichen Taten, die Menschen auf öffentlichen Plätzen zusammen, um ihre Solidarität mit den Opfern und deren Angehörigen zu bekunden.
So war es auch diesmal. Nach der Trauerkundgebung in Barcelona war auf den Straßen und Plätzen der katalanische Ausruf „No tinc por!“ zu hören: „Wir haben keine Angst!“ Im restlichen Spanien erklang der Ruf „No tenemos miedo“: Wir haben keine Angst!
Ein deutliches Zeichen der Geschlossenheit der spanischen Bevölkerung im Angesicht des Terrors.
Ich befürchte allerdings, dass dieser Ausruf in Zukunft öfter zu hören sein wird, nicht nur auf Katalanisch oder auf Spanisch, sondern in vielen anderen Sprachen.
Denn nicht nur der Anschlag von Barcelona lehrt, dass es keiner Organisation bedarf, um Angst und Schrecken zu verbreiten.
Aber mit welchen Mitteln soll dem Terror begegnet werden. Etwa mit Gewalt? Welches Land will man denn bombardieren, wenn die Täter Pässe des Landes besitzen, das gerade Opfer eines Anschlags geworden ist?
In Barcelona wurden spanische Pässe gefunden und in Charlottesville, war es ein US-Amerikaner, der Leben auslöschte. Einige der Täter von Paris, die am 13. November 2015 im 10. und 11. Arrondissement und der Vorstadt Saint-Denis wüteten, hatten französische Pässe.
Nach jedem Anschlag trauern wir um unsere Toten und Verletzten, genauso wie die Menschen in Syrien, dem Irak, im Jemen oder in Afghanistan trauern, wo tagtäglich Bomben vom Himmel regnen.
Es mag vereinzelt gelingen, radikalisierte Kämpfer und Fanatiker zu verhaften oder zu töten, mit dem Schwert besiegt man nicht ihre Weltanschauung – man züchtet sie.
Sie wird genährt durch das Auftreten einer überheblichen kapitalistischen Welt, die sich auf das Recht des Stärkeren stützt, wenn ihre Armeen im Nahen Osten die Länder niederwalzen, ihr ausbeuterisches Handeln in Afrika, Asien und Südamerika die Lebensperspektiven ganzer Völker zerstört und ihre Wirtschaftskriege noch nicht einmal die eigenen Nachbarn verschont.
Dem Terrorismus die Grundlage zu entziehen, ist eine der großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Sie ist eng verknüpft mit der Überwindung sozialer Ungleichheit auf der Welt, dem alles verwertenden kapitalistischen System und der Ächtung des Krieges als Mittel zur Durchsetzung von Eigeninteressen.
Es sollte spätestens nach Barcelona jedem Menschen mit Verantwortungsbewusstsein und selbst den Hardlinern in Politik und Gesellschaft, die den Terrorismus mit militärischen Mitteln besiegen wollen, klar geworden sein, dass weder Bombenteppiche noch Drohnenmorde etwas gegen den Low-Cost-Terrorismus ausrichten werden.